«Eine Lücke lässt sich nicht immer so ein­fach schliessen»

  • Gesucht sind Prie­ster, gesucht sind Lei­tungs­per­so­nen von ­Pasto­ral­räu­men, gesucht sind Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen für die Pfarreiseelsorge. 
  • Im Namen von Bischof Felix und die­sem direkt unter­stellt, sucht Per­so­nal­chef Andre­as Brun nach Lösun­gen in der wach­sen­den Personalnot.

«Wir suchen eine kom­pe­ten­te und enga­gier­te Per­sön­lich­keit als Pasto­ral­raum- und Gemein­de­lei­ter (100%).» Zehn sol­cher und ähn­li­cher Stel­len­aus­schrei­bun­gen für Lei­tungs­stel­len sind – Stand Anfang August 2022 – auf der Web­sei­te des Bis­tums Basel publi­ziert, zwei davon aus dem Aar­gau (Pa-​sto­ral­raum Zurz­ach-Stu­den­land und Pasto­ral­raum Regi­on Lau­fen­burg). Bei acht der zehn Aus­schrei­bun­gen ist die Bewer­bungs­frist schon län­ge­re Zeit abge­lau­fen, in einem Fall schon fast zwei Jah­re. Es macht den Ein­druck, das Bis­tum Basel suche hän­de­rin­gend nach Personal.

483 Pfar­rei­en und 470 Priester

Theo­re­tisch könn­te in fast jeder der 483 Pfar­rei­en des Bis­tums Basel ein Prie­ster wir­ken. Denn die Per­so­nal­sta­ti­stik für 2022 weist 470 Prie­ster aus. Für 304 von ihnen ist das Bis­tum Basel kir­chen­recht­li­che Hei­mat, sie sind in der Diö­ze­se soge­nannt inkar­di­niert. 82 Prie­ster stam­men aus ande­ren Diö­ze­sen, vor allem aus dem Aus­land, und 84 Kle­ri­ker sind Ordenspriester.

Die Zahl 470 ist aber eben nur eine theo­re­ti­sche Grös­se. Unter ande­rem müs­sen davon in Abzug gebracht wer­den die vie­len Prie­ster im Ruhe­stand, jene Kle­ri­ker, die aus­ser­halb des Bis­tums tätig sind, sowie Prie­ster, die Lei­tungs­funk­tio-nen im Bis­tum und den Bis­tums­re­gio­nen aus­üben. Vor fünf­zig Jah­ren, 1972, zähl­te das Bis­tum noch 1181 Prie­ster, also mehr als dop­pelt so vie­le wie 2022. Aller­dings: Neben den Prie­stern arbei­ten heu­te im Bis­tum 128 Dia­ko­ne, 489 Frau­en und Män­ner in der Pfar­rei­seel­sor­ge und 137 in der Kate­che­se. Es wir­ken also heu­te, so betont das bischöf­li­che Per­so­nal­amt, mehr Män­ner und Frau­en mit einer bischöf­li­chen Mis­sio (bischöf­li­cher Auf­trag) im Bis­tum als vor 50 Jah­ren – und dies bei einer rück­läu­fi­gen Zahl von Katho­li­ken. 1972 zähl­te das Bis­tum 1’156’000 Per­so­nen, heu­te sind es rund 867‘000 ab 15 Jahren.

Dia­kon Andre­as Brun-Fede­rer, als Per­so­nal­ver­ant­wort­li­cher direkt Bischof Felix Gmür unter­stellt, bestä­tigt im Gespräch mit Hori­zon­te, dass die Per­so­nal­pla­nung im gröss­ten Schwei­zer Bis­tum eine gros­se Her­aus­for­de­rung ist und bleibt: «Die Prie­ster­be­ru­fun­gen aus dem Bis­tum Basel neh­men schon lan­ge und signi­fi­kant ab. Das wird sich nicht ver­än­dern. Und die Gene­ra­ti­on der Baby­boo­mer kommt ins Pen­si­ons­al­ter.» Und er ergänzt, dass dem Bis­tum nicht so sehr die Beset­zung von Lei­tungs­funk­tio­nen in den gegen 100 Pasto­ral­räu­men Sor­gen berei­te, son­dern neue Pfar­rei­seel­sor­ger und Pfar­rei­seel­sor­ge­rin­nen zu fin­den: «Da mer­ken wir einen zuneh­men­den Personalmangel.»

Frü­her befahl der Bischof

Die Per­so­nal­pla­nung ist ein Pro­zess, in wel­chen die Vor­ga­ben, Inter­es­sen und Wün­sche von drei ver­schie­de­nen Sei­ten – Bis­tum, Pfar­rei und kirch­li­chem Per­so­nal – ein­ge­bracht wer­den, um dann idea­ler­wei­se auch eine Lösung zu fin­den. So muss das Bis­tum etwa kir­chen­recht­lich sicher­stel­len, dass in jedem Pasto­ral­raum min­de­stens ein Prie­ster tätig ist. Vor­bei sind jedoch die Zei­ten, als der Bischof ohne gros­se Kon­sul­ta­ti­on ent­schied. «Heu­te ist es undenk­bar, dass der Bischof einen Prie­ster oder Dia­kon qua­si per Befehl in eine bestimm­te Pfar­rei beor­dert. Das war aber vor sech­zig Jah­ren auch im Bis­tum Basel noch der Fall», schil­dert Brun.

Zwangs­ver­set­zung gebe es nicht. Heu­te schlägt «Solo­thurn» der für die Wahl zustän­di­gen Kirch­pfle­ge aus Sicht des Bis­tums geeig­ne­te Per­so­nen vor, die sich einen Wech­sel an eine neue Wir­kungs­stät­te vor­stel­len kön­nen oder dies expli­zit wün­schen. Die ört­li­chen Behör­den prü­fen den Vor­schlag. Sie kön­nen ihn anneh­men, aber auch ableh­nen. Das­sel­be gilt auch fürs kirch­li­che Per­so­nal. Brun erwähnt im Gespräch als Bei­spiel einen Gemein­de­lei­ter oder Pfar­rei­seel­sor­ger, der wohl beruf­lich eine neue Her­aus­for­de­rung suche, aber sei­ne Fami­lie mit Kin­dern nicht ans ande­re Ende des Bis­tums ver­pflan­zen wol­le. Für Kle­ri­ker ist die katho­li­sche Kir­che im übri­gen ein geschlos­se­ner Arbeits­markt; es gibt kei­ne ande­re Kir­che, in der sie eine Anstel­lung fin­den könn­ten. Der Bischof hat denn auch eine beson­de­re Für­sor­ge­pflicht für Prie­ster und Dia­ko­ne aus sei­ner Diö­ze­se: Er muss dafür sor­gen, dass sie eine Stel­le haben.

Löcher stop­fen

Ver­kün­di­gung erschwert

Die Ver­kün­di­gung des Wor­tes Got­tes wird schwie­rig, wenn die Gläu­bi­gen die Wör­ter nicht ver­ste­hen. «Ich habe halt nicht ver­stan­den, was er gesagt hat», ist ein Satz, den man nach einer Pre­digt ab und zu hört. Es geht um Prie­ster aus andern Län­dern, die Deutsch mit einem star­ken Akzent spre­chen. Die Lei­tung des Bis­tums ist sich der Pro­ble­ma­tik sehr bewusst und ver­langt für eine Anstel­lung im Bis­tum Basel, dass in Deutsch eine Sprach­kom-petenz ent­spre­chend Niveau C1 (zweit­höch­ste Stu­fe) erreicht wird.

Per­so­nal­chef Brun weist dar­auf hin, dass Prie­ster aus ande­ren Kul­tur­krei­sen hier aber nicht nur sprach­lich eine ganz ande­re Situa­ti­on als in ihrer Hei­mat antref­fen, son­dern auch in der kirch­li­chen Pra­xis: «Ich den­ke da unter ande­rem an die star­ke Prä­senz von Frau­en im Got­tes­dienst oder das dua­le System, das Neben­ein­an­der von kirch­li­cher und staats­kirch­li­cher Orga­ni­sa­ti­on.» Kommt hin­zu, dass die gesell­schaft­li­che Stel­lung des Prie­sters, im Gegen­satz zu vie­len ande­ren Län­dern, in der Schweiz mar­kant schwä­cher gewor­den ist.

Kön­ne eine vakan­te Stel­le besetzt wer­den, so feh­le die­se Per­son dann anders­wo, heisst es aus Pfar­rei­en. «Loch gestopft, Loch geöff­net», flachst ein Kle­ri­ker, der sei­nen Namen nicht in Hori­zon­te lesen möch­te. Und ein ande­rer schiebt nach: «Es ist schon etwas eine Lot­te­rie, wel­che Vakan­zen wie besetzt wer­den.» Der bischöf­li­che Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che ent­geg­net dezi­diert: «Lot­te­rie? Da wür­de ich schon dage­gen­hal­ten. Wir klä­ren weit im vor­aus ab, wo wel­che Vakan­zen sich abzeich­nen und wel­che Lösung wir anstre­ben können.»

Aber auch Brun räumt ein: «Wenn jemand geht, gibt es eine Lücke, und die lässt sich nicht immer so ein­fach schlies­sen.» Wenn es – was die Regel ist – zahl­rei­che Lücken gibt in Pasto­ral­räu­men und Pfar­rei­en, wer hat dann die bes­se­ren Kar­ten für einen neu­en Gemein­de­lei­ter, für eine neue Pfar­rei­seel­sor­ge­rin? Grund­sätz­lich gebe es bei der Beset­zung von Vakan­zen kei­ne Prio­ri­tä­ten­ord­nung, betont der Peso­nal­chef des Bis­tums: «Nein, für uns sind alle Pasto­ral­räu­me und Pfar­rei­en gleich wichtig.»

«Posi­tiv verändert»

Vor fünf­zig Jah­ren wirk­ten noch mehr als dop­pelt so vie­le Prie­ster im Bis­tum Basel als heu­te (sie­he Kasten Sei­te 2). Der Prie­ster ver­ei­nig­te aber damals sehr vie­le Rol­len in sich. Er fei­er­te Got­tes­dien­ste und war gleich­zei­tig Pfar­rei­lei­ter, Seel­sor­ger, Sozi­al­ar­bei­ter, Kate­chet und Jugend­ar­bei­ter in Per­so­nal-​uni­on. Ein gros­ser Ruck­sack an Ver­pflich­tun­gen. «All die­se Auf­ga­ben in Ein­zel­pfar­rei­en zu lei­sten, wäre ein Modell, das heu­te nicht mehr funk­tio­nie­ren wür­de», stellt Andre­as Brun fest.

Der gesell­schaft­li­che Wan­del hat auch in der Kir­che zu einer Dif­fe­ren­zie­rung der Rol­len­bil­der und einer Pro­fes­sio­na­li­sie­rung von Auf­ga­ben geführt. Der Prie­ster wird heu­te in grös­se­ren Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten unter­stützt von Theo­lo­gen, Kate­che­tin­nen, Sozi­al­ar­bei­tern. «Uni­ver­sel­le Ein­zel­kämp­fer gibt es nicht mehr. Die Arbeit im Team ist ent­schei­dend.» Die Schaf­fung von Pasto­ral­räu­men hat die­se Ent­wick­lung unter­stützt und zum Teil erst mög­lich gemacht. Eine Ent­wick­lung, die für den bischöf­li­chen Per­so­nal­chef «die Kir­che posi­tiv ver­än­dert hat».

Christian Breitschmid
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