Eine hei­le hei­li­ge Familie?

Eine hei­le hei­li­ge Familie?

Mat­thä­us 2,13–14.19–21Als die Stern­deu­ter wie­der gegan­gen waren, sie­he, da erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sag­te: Steh auf, nimm das Kind und sei­ne Mut­ter und flieh nach Ägyp­ten; dort blei­be, bis ich dir etwas ande­res auf­tra­ge; denn Hero­des wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef auf und floh in der Nacht mit dem Kind und des­sen Mut­ter nach Ägyp­ten. Als Hero­des gestor­ben war, sie­he, da erschien dem Josef in Ägyp­ten ein Engel des Herrn im Traum und sag­te: Steh auf, nimm das Kind und sei­ne Mut­ter und zieh in das Land Isra­el; denn die Leu­te, die dem Kind nach dem Leben getrach­tet haben, sind tot. Da stand er auf und zog mit dem Kind und des­sen Mut­ter in das Land Israel. Ein­heits­über­set­zung 2016  

Eine hei­le hei­li­ge Familie?

Wann ist eine Fami­lie hei­lig? Im Wort «hei­lig» klingt für uns das Wort «heil» mit: Heil und Segen – alles wird gut sein, eine hei­le Welt. Das ist ein span­nungs­ge­la­de­nes The­ma. Vie­le lei­den beson­ders an Weih­nach­ten unter dem Druck, eine mög­lichst hei­le Fami­lie sein zu wol­len. Und nicht sel­ten wird aus­ge­rech­net das Weih­nachts­fest zu einer fami­liä­ren Kata­stro­phe, weil wir mei­nen, alles müs­se per­fekt sein. Wie vie­le Vor­stel­lun­gen haben wir doch im Kopf, wie Weih­nach­ten sein muss.Wenn wir uns jedoch die Hei­li­ge Fami­lie anschau­en, fin­den wir so man­ches, was unse­ren Ide­al­vor­stel­lun­gen wider­spricht: Maria und Josef waren kein Ehe­paar – zumin­dest nicht, wie wir uns ein Ehe­paar vor­stel­len. Es ist die Geschich­te eines unehe­li­chen Kin­des. Für Josef war es nicht unpro­ble­ma­tisch, dass die­ses Jesus­kind nicht von ihm war. Das Kind ist in bit­te­rer Armut gebo­ren, in der Frem­de. Nicht in eine bür­ger­lich abge­si­cher­te Fami­lie hin­ein, son­dern in eine Fami­lie auf der Flucht – auf der Suche nach einem Ort zum Leben in Ruhe und Sicher­heit. Mut­ter und Ver­wand­te leben in Sor­ge um einen Sohn, der mit über 30 noch nicht ver­hei­ra­tet ist und kei­nen festen Wohn­sitz hat. Und die Mut­ter muss den gewalt­sa­men Tod ihres Soh­nes erlei­den.Hei­li­ge Fami­lie – müss­te das nicht irgend­wie anders aus­se­hen?Ich muss geste­hen, dass ich die­ses fami­liä­re Cha­os sym­pa­thisch fin­de, denn es zeigt, dass Gott offen­sicht­lich ein Herz für so ein Durch­ein­an­der hat. Lehrt uns das nicht, dass auch wir mehr Herz für sol­che Lebens- und Fami­li­en­ge­schich­ten haben müss­ten? Denn genau in die­ses so ganz Mensch­li­che ist Jesus selbst hin­ein­ge­bo­ren, genau dort ist er Mensch gewor­den.Eine wun­der­vol­le japa­ni­sche Tra­di­ti­on fei­ert die Voll­kom­men­heit der Unvoll­kom­men­heit auf eine ganz beson­de­re Wei­se. Mit der Kint­su­gi-Tech­nik wer­den zer­bro­che­ne Gefäs­se weder weg­ge­wor­fen noch so repa­riert, dass sie wie neu aus­se­hen. Viel­mehr wer­den Ris­se im Mate­ri­al mit Gold auf­ge­füllt und so die ein­zel­nen Tei­le des Gefäs­ses wie­der mit­ein­an­der ver­bun­den. Durch die­se Tech­nik ent­ste­hen atem­be­rau­ben­de Kunst­wer­ke, denen man ansieht, dass sie ein­mal zer­bro­chen waren, die nun aber durch die gold­ge­füll­ten Ris­se eine ganz eige­ne und ein­zig­ar­ti­ge Schön­heit erhal­ten haben. Hier wird ein Makel nicht unsicht­bar gemacht, son­dern im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes ver­gol­det.Gold ist die Far­be der Weih­nacht. Wie wäre es, wenn es uns gelin­gen wür­de, Weih­nach­ten zu einer Art Werk­statt für die Scher­ben und Brü­che in unse­rem Leben und in unse­ren Fami­li­en wer­den zu las­sen? Eine Werk­statt, in der die zer­platz­ten Träu­me und die zer­bro­che­nen Hoff­nun­gen zu einer gol­de­nen Zier­li­nie wer­den, wie bei der Vase, deren Scher­ben sicht­bar gemacht wer­den durch das Gold. Wo Zer­bro­che­nes schö­ner wird als zuvor, weil die Bruch­li­ni­en in Schmuck ver­wan­delt wer­den.Viel­leicht ist eine Fami­lie ja genau dann eine Hei­li­ge Fami­lie, wenn nicht nur die Erfol­ge zäh­len, son­dern wenn man auch schei­tern, wie­der neu anfan­gen und vor allem lie­ben darf.Maria und Josef sind trotz allem Wid­ri­gen glau­bend, hof­fend und lie­bend ihren Weg gegan­gen. Dar­auf kommt es an – auch bei uns! Wir dür­fen unse­re Wege gehen, in der Gewiss­heit, dass Gott da ist, dass er um uns weiss, uns annimmt und liebt.Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, arbei­tet als Spi­tal­seel­sor­ge­rin i.A. am St. Cla­ra­spi­tal in Basel     
Christian von Arx
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