«Eine gewaltige stimmige Einheit»
Gedichte aus dem Frühwerk der Klosterfrau Silja Walter sind der Ausgangspunkt für «Bolero. Tanz der Feuertaube» — zu sehen bis 18. Juni 2017 in der Klosterkirche Königsfelden. Die spartenübergreifende Inszenierung vereint Musik, Tanz und bildende Kunst. Horizonte sprach im Anschluss an die Uraufführung von vergangenem Freitag, 19. Mai 2017, mit Irene Gassmann, Priorin des Klosters Fahr. Frau Priorin Irene, die Choreografin Brigita Luisa Merki hat für ihre aktuelle Inszenierung «Bolero. Tanz der Feuertaube» immer wieder den Bezug zu Silja Walters lyrischem Schaffen hervorgehoben. Sie haben nun den Sprung von religiöser Lyrik zu freier Tanz- und Musikinterpretation gesehen: In ihren Augen ein gelungenes Unterfangen?
Priorin Irene Gassmann: Es ist ein sehr gelungenes Gesamtbild, eine gewaltige stimmige Einheit entstanden, das Silja Walter sehr entspricht — besonders was das Feurige, Energische betrifft. Wenn ich recht überlege: Man kann eigentlich alles aus der Inszenierung mit ihr in Verbindung bringen, von der Choreografie über die Farben bis hin zu den rhythmischen Elementen.
Was denken Sie: Wie hätte wohl Silja Walter die Aufführung aufgenommen, wenn sie diese noch hätte anschauen können? Was hätte ihr wohl besonders gefallen?
Es hätte ihr bestimmt sehr gefallen. Und bestimmt hätte sie sich in den Stabtänzen wiedererkannt. Diese hat sie selbst auch gern getanzt.
Hat Silja Walters Leidenschaft für die Kunst zu ihren Lebzeiten auch Eingang in den Klosteralltag gefunden, die Schwesterngemeinschaft in irgendeiner Form bereichert oder inspiriert? Oder hat sie diese beiden Welten gänzlich voneinander getrennt?
Zu Lebzeiten hat sie das eher für sich bewahrt, sie wollte sich nicht so ins Zentrum rücken. Seit sie nicht mehr bei uns ist, kommt ihr Werk viel stärker zur Geltung. Viele Texte von ihr sind inzwischen vertont, die wir immer wieder singen. Ihr Werk inspiriert auch uns für immer neue Gottesdienste und Veranstaltungen. Zudem gibt es seit einem Jahr im Kloster Fahr einen Silja Walter-Raum, in welchem Interessierte dem literarischen Schaffen Silja Walters begegnen können.
Für die aktuelle Inszenierung von «Bolero.Tanz der Feuertaube» haben die Choreografin und die Künstler bewusst den Weg in die Mauern einer Klosterkirche gewählt – sowie wie Silja Walter den Weg ins Kloster wählte. Von aussen betrachtet mag es als Herausforderung erscheinen, im Kloster einen eigenen Weg zu gehen, wie das Silja Walter getan hat. Wie kann man ins Kloster gehen und seine Freiheit haben?
Gerade durch die radikale Entscheidung, ins Kloster zu gehen, entsteht eine enorme innere Freiheit. Eine Freiheit, die Kräfte bündelt und somit ausstrahlt.
Das Thema Gemeinschaft klingt in der aktuellen Inszenierung immer wieder an. Inwieweit war das für Silja Walter, ist das aktuell für sie ein Thema?
Wir sind Benediktinerinnen. Gemeinschaft ist unsere Lebensform. Ich glaube, Silja Walter hätte ihre Kunst nicht in gleichem Masse zur Entfaltung bringen können, wenn sie nicht diese Gemeinschaft im Rücken gehabt hätte.
Die Inszenierung von «Bolero.Tanz der Feuertaube» zeigt: Silja Walters Werk gewinnt posthum zunehmend an Strahlkraft, viele Menschen finden in ihren Gedanken und poetischen Bildern etwas, das sie auf besondere Weise anspricht. Was ist das in ihren Augen? Ist Silja Walter eine zeitgenössische Mystikerin?
Silja Walters Bildsprache spricht tatsächlich auch heute noch oder auch wieder Menschen an. Die Texte bringen zur Sprache, was Menschen heute bewegt, ihre Sehnsucht, ihre Ängste, ihr Suchen nach dem Dahinter. Es hat schon zu Silja Walters Lebzeiten immer wieder Menschen gegeben, die das von ihr gesagt haben. Ihre Texte sind so verdichtet, das ist wirklich Mystik – auch wenn das Silja Walter selbst nicht gern gehört hat.
Ihre Ordensgemeinschaft steht im Umbruch, Sie und ihre Mitschwestern wollen in diesem Zusammenhang auch Neues wagen. Im Herbst zieht für drei Jahre ein Internat zu Besuch ein. Ist vorstellbar, dass auch einmal Künstler im Kloster Fahr leben und arbeiten?
Warum nicht?