Eine ande­re Familienmoral

Eine ande­re Familienmoral

Es ist die erste gros­se öffent­li­che Pre­digt von Papst Fran­zis­kus in sei­ner spa­ni­schen Mut­ter­spra­che bei sei­ner ersten gros­sen Rei­se durch sei­nem Hei­mat­kon­ti­nent. Mehr als eine Mil­li­on Men­schen ist in die gröss­te Stadt Ecua­dors nach Gua­ya­quil in den von Prä­si­dent Rafa­el Cor­rea in sei­ner Hei­mat­stadt neu ange­leg­ten Volks­park «Sama­nes» gekom­men, um ihn zu sehen und zu hören.Sei­nen sanf­ten, lei­sen argen­ti­ni­schen Sing­sang, sein Lachen, sei­ne Umar­mun­gen, sei­ne Mensch­lich­keit. «Will­kom­men Papst Fran­zis­kus — Held der Beschei­den­heit!», steht auf einem selbst­ge­mal­ten Pla­kat zu lesen, das ein Mann mit Base­ball­kap­pe und karier­tem Hemd schwenkt. Das schweiss­trei­ben­de Bad in der Men­ge bei tro­pi­scher Hit­ze und extre­mer Luft­feuch­tig­keit scheint kein Ende zu neh­men. Dabei ist der Papst schon mit Ver­spä­tung ein­ge­trof­fen. Bei einem Besuch im neu­en Hei­lig­tum der Gött­li­chen Barm­her­zig­keit an einem ande­ren Ende der weit aus­ge­dehn­ten Hafen­me­tro­po­le kam er im Jubel der begei­ster­ten Men­schen kaum vor­an. Dort blieb ihm am Ende nur Zeit für einen Segen und für sei­ne Bit­te, die Men­schen mögen für ihn beten. Als er in Gua­ya­quil pre­digt, hat der Papst es nicht leicht, nach den Begei­ste­rungs­stür­men für sei­ne Per­son die nöti­ge Auf­merk­sam­keit für sei­ne Bot­schaft zu fin­den.Vor­bo­ten für ein Zer­reiss­pro­be im Herbst Die hat er in eine Aus­le­gung des «Wein­wun­ders» bei der Hoch­zeit zu Kana­an geklei­det. Die Zuhö­rer ken­nen die­sen Text, bei dem Wasch­was­ser aus Krü­gen in Wein für eine Hoch­zeits­ge­sell­schaft ver­wan­delt wird, bei­na­he aus­wen­dig. Und auch Dut­zen­de Pre­dig­ten dazu haben sie schon gehört, doch die Aus­le­gung des Pap­stes hat es in sich. In einer theo­lo­gisch aus­ge­feil­ten, zugleich anspruchs­vol­len und anspre­chen­den Pre­digt spricht er über die Fami­lie. Er fin­det so schö­ne Sät­ze wie den, dass sich in der Fami­lie der Glau­be und die Mut­ter­milch mischen und den: «Wenn man die Lie­be der Eltern erfährt, spürt man sich der Lie­be Got­tes nahe.» Er preist die Fami­lie als Schu­le des Lebens und als Ver­wirk­li­chung der gött­li­chen Lie­be. Und dann schlägt er neue Weg­mar­ken für die mit Span­nung erwar­te­te Fami­li­en­syn­ode ein, die im Okto­ber zu einer Zer­reiss­pro­be für die welt­wei­te katho­li­sche Kir­che wer­den könn­te. Erstaun­lich ist, wie viel dif­fe­ren­zier­ter und krea­ti­ver der Papst auf Spa­nisch pre­digt, weil er die­se Spra­che mit mehr Nuan­cen spricht als das Ita­lie­ni­sche. Inhalt­li­che Unschär­fen ver­hin­dert dies frei­lich nicht. Er ruft die Gläu­bi­gen auf, im Vor­feld der Syn­ode dafür zu beten, dass «alles, was uns unrein erscheint, Skan­dal ver­ur­sacht oder uns Angst macht», von Gott in ein Wun­der ver­wan­delt wird – so wie das Was­ser in Kana­an zu Wein wur­de. «Die Fami­lie heu­te braucht sol­che Wun­der», fügt er unter dem Bei­fall der Men­schen hin­zu und macht ihnen Hoff­nung. Und wei­ter sagt er: Jesus trinkt den Wein am lieb­sten mit jenen, die spü­ren, dass alle Krü­ge zer­bro­chen sind. Unter dem inter­na­tio­na­len Pulk der Vati­kan-Exper­ten, die dem Papst wie auf jeder Rei­se fol­gen, ent­bren­nen sofort Debat­ten dar­über, wen und was der Papst mit die­sen Sät­zen wohl mein­te. Der Papst selbst liess dies in Gua­ya­quil offen, doch der Kon­text war offen­sicht­lich das, was er als «dau­er­haf­te, frucht­ba­re Lie­be» bezeich­ne­te. Vati­kan-Spre­cher Feder­i­co Lom­bar­di beeil­te sich, zu erklä­ren, dass der Papst «kei­ne spe­zi­el­len Grup­pen oder Situa­tio­nen» gemeint habe. Also in beson­de­rer Wei­se weder die Schwu­len noch die Geschie­de­nen. Son­dern eben alle Sün­der und alle nach Lie­be Dür­sten­den. Eine neue Art zu spre­chen und die Din­ge zu sehen, die sich in Fami­li­en ereig­nen, ist das den­noch. Im Kon­text Süd­ame­ri­kas, in dem Fami­li­en­mo­ral und Fami­li­en­idea­le vor allem im bür­ger­lich-katho­li­schen Milieu bis heu­te sehr hoch, mit­un­ter auch zu hoch gehal­ten wer­den, bedeu­ten die­se Wor­te eine Öff­nung. Und das gilt selbst dann, wenn nicht das Zusam­men­le­ben von homo­se­xu­el­len Paa­ren und Men­schen in zwei­ter Ehe damit gemeint war, son­dern «nur» die Sün­den, Kri­sen, Kata­stro­phen und Durst­strecken in einer nor­ma­len Vater-Mut­ter-Kin­der-Fami­lie.Pro­te­ste vor Papst­be­such in Para­gu­ay… Am Frei­tag wird der Papst in Para­gu­ay erwar­tet. Dort haben indi­ge­ne Grup­pen bereits Stras­sen blockiert, um die Rück­erstat­tung von Län­de­rei­en zu erzwin­gen. Furo­re im Web macht zudem das Video «Papa Road», das die schlech­ten Stras­sen in Para­gu­ay zum The­ma macht. In dem Spiel «Papa Road” muss der vir­tu­el­le Papst in sei­nem Papa­mo­bil auf dem Weg in die Haupt­stadt Asun­ci­on Schlag­lö­cher, Leit­plan­ken und Poli­zei­po­sten umfah­ren, um sicher zum Ziel zu gelan­gen. Einer der Pro­gram­mie­rer erklär­te laut loka­len Medi­en­be­rich­ten, die Idee sei ihm aus Ent­täu­schung über die Zustän­de der Stras­sen in Asun­ci­on gekom­men. Nur die Stras­sen, über die der Papst anrei­sen wer­de, sei­en von den Behör­den instand gesetzt wor­den.…und Hoff­nun­gen Wäh­rend des Besuchs von Fran­zis­kus in Para­gu­ay von Frei­tag bis Sonn­tag wer­den nach Anga­ben des ört­li­chen Wet­ter­dien­stes zum Teil hef­ti­ge Regen­fäl­le erwar­tet, wie die Tages­zei­tung «ABC» am Diens­tag berich­tet. Beson­ders im Elends­vier­tel Bana­do Nor­te, das am Ufer des Rio Para­gu­ay liegt, lei­den die Men­schen unter Über­schwem­mun­gen, die durch star­ken Regen aus­ge­löst wer­den. Der Papst trifft am Sonn­tag mit Bewoh­nern des Vier­tels zusam­men. Ver­tre­ter der Anwoh­ner­ver­bän­de hat­ten zuletzt die Hoff­nung geäus­sert, der Papst­be­such kön­ne dazu bei­tra­gen, dass neue Lösun­gen für die hier leben­den Men­schen gefun­den wer­den. «Seit Jah­ren lei­den vor allem die Bewoh­ner in den Hüt­ten direkt am Fluss­ufer unter den Aus­wir­kun­gen des Hoch­was­sers», sag­te eine Spre­che­rin der Anwoh­ner­ver­bän­de. Ein Schutz­pro­gramm sei drin­gend notwendig. 
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben