Ein­blick in die beweg­te Bas­ler Stadtgeschichte

Ein­blick in die beweg­te Bas­ler Stadtgeschichte

Ein­blick in die beweg­te Bas­ler Stadtgeschichte

Kopien der Tauf­re­gi­ster machen Leben im früh­neu­zeit­li­chen Basel greifbar

Die älte­sten erhal­te­nen Tauf­bü­cher im deutsch­spra­chi­gen Raum sind zurück in Basel – wenn auch nur als Kopien. Die 1700 Sei­ten geben ein ein­drück­li­ches Bild, wie über Jahr­hun­der­te gebo­ren und gestor­ben wurde.«Ein her­aus­ra­gen­des und aus­ser­or­dent­li­ches Ereig­nis.» Urs Pfand­er, Prä­si­dent der refor­mier­ten Kirch­ge­mein­de Klein­ba­sel, ist begei­stert, dass die Tauf­bü­cher von St. Theo­dor ihren Weg zurück in die Kir­che, an ihren Ent­ste­hungs­ort, gefun­den haben. Wenn auch als Kopien: Die Tauf­re­gi­ster wur­den im 19. Jahr­hun­dert aus dem Nach­lass des Pfarr­hel­fers Johann Jakob von Brunn nach Eng­land ver­kauft. Die Ori­gi­na­le befin­den sich noch heu­te in der Bri­tish Libra­ry in Lon­don. Meh­re­re Ver­su­che, auch des Bun­des­ra­tes, die Tauf­bü­cher nach Basel zurück­zu­ho­len, schei­ter­ten. «Die hoch­wer­ti­gen Kopien sind ein wür­di­ger Ersatz, die Fül­le an Infor­ma­tio­nen bleibt ja die glei­che», meint Andre­as Nidecker, Mit­in­iti­ant des Pro­jekts.Vor Kur­zem stell­ten Pfand­er und Nidecker zusam­men mit Phil­ipp Roth, Pfar­rer in der Kir­che St. Theo­dor, sowie der Kul­tur­hi­sto­ri­ke­rin Bar­ba­ra Piat­ti und Staats­ar­chi­va­rin Esther Baur den Schatz dem Publi­kum vor.Die Tauf­bü­cher gewäh­ren Ein­blick in eine beweg­te Bas­ler Stadt­ge­schich­te. Und das über rund 250 Jah­re, auf 1700 Sei­ten, in zwei Bän­den. Das welt­li­che und reli­giö­se Leben im früh­neu­zeit­li­chen Basel wird greif­bar: Zur Zeit der Refor­ma­ti­on war Basel mit 10 000 Ein­woh­nern dop­pelt so gross wie Zürich und Bern. Der Buch­druck und die 1460 gegrün­de­te Uni­ver­si­tät zogen vie­le in die Stadt am Rhein. Auch Eras­mus von Rot­ter­dam liess sich hier nie­der. Der Leut­prie­ster von St. Theo­dor, Johann Ulrich Sur­gant, leg­te ab 1490 eines der Tauf­bü­cher an. Nach der Refor­ma­ti­on von 1529 gehör­te es zur Pflicht der Geist­lich­keit, die Regi­ster zu füh­ren.

Ein Fami­li­en­an­lie­gen

Für Andre­as Nidecker sind die Tauf­bü­cher Fami­li­en­sa­che: Schon sein Vater Hans-Jakob Nidecker, Mei­ster der Klein­bas­ler Ehren­ge­sell­schaft zum Reb­haus, ver­such­te, die Tauf­bü­cher bei der Bri­tish Libra­ry aus­zu­lö­sen. Erst 2015 konn­ten die Bas­ler die Tauf­bü­cher dank dem «Good­will» der Biblio­thek als Kopien erwer­ben. Zu «rela­tiv gün­sti­gen Kon­di­tio­nen», schmun­zelt Nidecker. Die hoch­wer­ti­gen Digi­ta­li­sa­te soll­ten nicht ein­fach hin­ter Glas ver­schwin­den. Dies ist gelun­gen: In Form einer fahr­ba­ren Vitri­ne mit inter­ak­ti­ven Zusatz­in­for­ma­tio­nen.

Zum Leben erweckt

Für die Kul­tur­hi­sto­ri­ke­rin Bar­ba­ra Piat­ti waren die Tauf­bü­cher anfangs «ein Buch mit sie­ben Sie­geln». Doch die Regi­ster zogen sie bald in ihren Bann. Sie ent­lock­te ihnen kul­tur- und bevöl­ke­rungs­ge­schicht­li­che Infor­ma­tio­nen. 1638 etwa war eines der «Spi­tzen­jahre»bei den Gebur­ten, weil in den Wir­ren des Dreis­sig­jäh­ri­gen Kriegs vie­le Frau­en aus Baden oder dem Elsass nach Basel flüch­te­ten. «Die Tauf­bü­cher erwach­ten zum Leben», schwärmt Piat­ti.Auch emo­tio­nal spricht der kul­tur­ge­schicht­li­che Schatz an: Kinds­to­de und Not­tau­fen – dar­an lässt sich der gänz­lich ande­re Umgang der früh­neu­zeit­li­chen Gesell­schaft mit Kin­der­sterb­lich­keit und Höl­len­vor­stel­lun­gen erken­nen. Die Angst, unge­tauf­te Kin­der wür­den in die Vor­höl­le kom­men, war so gross, dass tote Säug­lin­ge durch Erwär­mung noch­mals «erweckt», rasch getauft und so in hei­li­ger Erde bestat­tet wer­den konn­ten.

Berühm­te Persönlichkeiten

In den Tauf­re­gi­stern macht man auch freu­di­ge Ent­deckun­gen: So zum Bei­spiel die Erwäh­nung der berühm­ten Bas­ler Fami­lie Ame­r­bach. Der Jurist Basi­li­us Ame­r­bach bau­te im 16. Jahr­hun­dert ein Kunst­ka­bi­nett auf, das bis heu­te den Grund­stock des Kunst­mu­se­ums Basel bil­det. In den Tauf­bü­chern taucht er öfters als «Göt­ti» auf. Mat­thä­us Meri­an, der Schöp­fer des berühm­ten Bas­ler Vogel­schau-Plans, ist eine wei­te­re Bas­ler Per­sön­lich­keit, der man begeg­net. «Die­se öffent­li­chen Per­so­nen präg­ten Basel mit ihrem Intel­lekt und Bezie­hungs­netz», sagt die Bas­ler Staats­ar­chi­va­rin Esther Baur. Laut Baur haben die Tauf­bü­cher von St. Theo­dor einen unge­mei­nen Wert für Basel und den gesam­ten deutsch­spra­chi­gen Raum. Sie sei­en ein Schlüs­sel, der «schnur­stracks in den dyna­misch-städ­ti­schen Raum Basels» füh­re.Die Vitri­ne mit den Tauf­bü­chern in der St. Theo­dors­kir­che in Basel ist im Anschluss an Got­tes­dien­ste und Ver­an­stal­tun­gen sowie mitt­wochs von 12 bis 18 Uhr zu besich­ti­gen. Füh­run­gen auf Anfra­ge.Noe­mi Schür­mann, Kirchenbote www.erk-bs.ch/kg/kleinbasel 
Redaktion Lichtblick
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