Ein völ­lig neu­es Bild

Sie machen gera­de die Matu­ra, sind Bäcke­rin, Kran­ken­pfle­ge­rin oder medi­zi­ni­sche Pra­xis­as­si­sten­tin, und sie stel­len sich Fra­gen zum Klo­ster­le­ben: «Wie lebt und denkt eine Non­ne?», «Gott erfah­ren als Klo­ster­frau» oder «Das Leben hin­ter den Ingen­boh­ler Klo­ster­mau­ern». So lau­ten eini­ge der Titel, zu denen jun­ge Frau­en ihre Matu­ra- oder Pro­jekt­ar­beit der Berufs­ma­tu­ra geschrie­ben haben. Ihnen gemein­sam ist die Fas­zi­na­ti­on für ein Leben, das anders ver­läuft, als was sie kennen. 

«Vie­le sind fas­zi­niert von etwas Unbe­kann­tem, Geheim­nis­vol­lem», sagt Prio­rin Ire­ne vom Klo­ster Fahr AG. Die jun­gen Frau­en wüss­ten in der Regel wenig über das Klo­ster­le­ben, hät­ten manch­mal nicht ein­mal einen christ­li­chen Hin­ter­grund. «Letzt­lich geht es wohl um die Fra­ge nach dem Sinn des Lebens», ergänzt die Lei­te­rin des Bene­dik­ti­ne­rin­nen­klo­sters Fahr. Auch Schwe­ster Jac­que­line, wel­che die jun­gen Frau­en im Klo­ster Ingen­bohl SZ beglei­tet, bestä­tigt die Fra­ge nach der Sinn­su­che: «Wer bin ich? Wie leben die­se Frau­en» – Fra­gen, die jun­ge Men­schen all­ge­mein hät­ten. Aber auch die Suche nach einer Got­tes­be­zie­hung oder nach kon­kre­ter Spi­ri­tua­li­tät las­se man­che an der Klo­ster­pfor­te anklop­fen. «Wir haben bei­de gemerkt, dass wir nicht viel wis­sen vom Klo­ster­le­ben», erzählt Julia Gas­ser. Die jun­ge Frau aus Ibach bei Schwyz hat gemein­sam mit ihrer Kol­le­gin Anto­nia Immoos aus Mor­schach ihre Pro­jekt­ar­beit für die Berufs­ma­tu­ri­täts­schu­le über das Leben im Klo­ster Ingen­bohl ver­fasst. «Wie ist das so im Klo­ster? Was machen Non­nen den gan­zen Tag? Beten sie nur oder haben sie noch ande­re Auf­ga­ben?» — «Im Kopf hat­ten wir das Bild einer Klo­ster­frau, die tag­ein tag­aus betet. Wir waren ahnungs­los und hat­ten ziem­lich fal­sche Vor­stel­lun­gen!», ergänzt Anto­nia Immoos.

Vor­ur­tei­le besei­ti­gen
«Das Gespräch über unse­re Lebens­form ist eines der The­men, das wir dis­ku­tie­ren in die­sen Tagen», erzählt die Ingen­boh­ler Schwe­ster Jac­que­line, die die bei­den Berufs­ma­tu­ran­din­nen beglei­tet hat. «Immer erfah­ren wir, dass das Klo­ster­le­ben für die jun­gen Frau­en Neu­land ist. Grund­sätz­lich anders, als sie es sich vor­stel­len. Die jun­gen Frau­en gehen weg mit einem neu­en Klo­ster­bild.» «Unser Bild einer Klo­ster­frau hat sich sehr ver­än­dert», fasst Julia Gas­ser ihre Erfah­rung denn auch zusam­men. «Es sind akti­ve, jetzt schon etwas älte­re Frau­en, die an der gan­zen Welt inter­es­siert sind. Es hat mich sehr berührt, dass sie für ande­re beten.» — «Zwei Sachen haben mich sehr beein­druckt», ergänzt Anto­nia Immoos. «Zum einen der Gemein­schafts­geist, den sie haben. Wir haben mit den Schwe­stern die Vor­pre­mie­re zum Film über die Pfle­ge­fach­frau Schwe­ster Lilia­ne Juch­li gese­hen. Alle waren stolz auf die­se Mit­schwe­ster. Da war ein rich­ti­ger Fami­li­en­geist spür­bar. Und als zwei­tes die Zufrie­den­heit und Über­zeugt­heit, dass sie ihren Lebens­weg gefun­den haben und dass die­se Ent­schei­dung rich­tig war. Das erlebt man bei Pri­vat­per­so­nen nicht so.» Die jun­ge Bäcke­rin mit Traum­be­ruf Heb­am­me fin­det kla­re Wor­te für ihren Ein­druck, man spürt, dass die drei Tage im Klo­ster nach­hal­tig für sie gewe­sen sind. 

In die Stil­le füh­ren
Die Dau­er der Auf­ent­hal­te ist unter­schied­lich: Im Klo­ster Fahr wer­de oft für eine bis drei Wochen ange­fragt, aus Grün­den der Kapa­zi­tät kön­nen die Frau­en jedoch nur zwei Tage blei­ben. «Wir müss­ten jeman­den frei­stel­len, der die Frau­en begrüsst und sie durch das Klo­ster beglei­tet. Ein sol­ches Pro­gramm anzu­bie­ten, wäre gera­de­zu eine Nische», erläu­tert Prio­rin Ire­ne. Ähn­li­ches berich­tet Schwe­ster Kat­ja aus dem Klo­ster Bald­egg: «Bei uns kön­nen sie in der Regel eine Nacht blei­ben. Man­che gehen von der Vor­stel­lung aus, im Klo­ster hät­te man immer Zeit, aber ich muss mir die Zeit frei machen.» Ihr ist es wich­tig, die Schü­le­rin­nen in eine gewis­se Tie­fe zu füh­ren. «Ich möch­te, dass sie am Gebet teil­neh­men oder dass sie die Erfah­rung von Stil­le machen kön­nen. Das ist anspruchs­voll.» Erfah­run­gen von Stil­le und Gebet haben auch Anto­nia Immoos und Julia Gas­ser gemacht: «Im Ves­per­ge­bet war viel Gesang, recht medi­ta­tiv. Ich habe das zum ersten Mal erlebt. Durch den Gesang kommt eine sehr spe­zi­el­le Stim­mung auf», sagt Anto­nia Immoos sicht­lich berührt. «Die Medi­ta­ti­on war cool!», fährt Julia Gas­ser fort, die als medi­zi­ni­sche Pra­xis­as­si­sten­tin tätig ist. «Ein­fach so mal eine Vier­tel­stun­de am Mor­gen ruhig sein, das ist ein schö­ner Ein­stieg in den Tag. Die Schwe­stern machen das nor­ma­ler­wei­se eine hal­be Stun­de, aber wegen uns haben sie es auf eine Vier­tel­stun­de gekürzt.» Zu Recht, fin­den bei­de lachend: «Ich weiss nicht, wann ich zuletzt eine Vier­tel­stun­de still geses­sen bin und mich auf mich sel­ber kon­zen­triert habe: Ohne Han­dy, ohne Lap­top um mich her­um, son­dern ein­fach auf mein Inne­res ver­sucht habe zu hören», meint Anto­nia Immoos frei­mü­tig. Es ist eine der Erfah­run­gen, die die bei­den Frau­en auch über die Tage im Klo­ster Ingen­bohl hin­aus mit­neh­men: «Man muss nicht immer auf der Stel­le erreich­bar sein. Wenn es wirk­lich wich­tig ist, fin­den einen die Leu­te auch auf ande­rem Weg», sin­niert Anto­nia Immoos. 

Klo­ster­ein­tritt kein The­ma
Rund acht Anfra­gen erhält das Klo­ster Ingen­bohl jähr­lich von jun­gen Frau­en, die eine Abschluss­ar­beit im Klo­ster schrei­ben möch­ten. Weil Ingen­bohl Frau­en die Mög­lich­keit anbie­tet, eine Aus­zeit im Klo­ster zu ver­brin­gen, sind Res­sour­cen und Infra­struk­tur für eine sol­che Beglei­tung bereits vor­han­den. Für eine Abschluss­ar­beit blei­ben sie in der Regel eine Woche. Im Klo­ster Fahr sind es ähn­lich vie­le Anfra­gen, in Bald­egg etwa vier jähr­lich. Inter­es­se, sel­ber ins Klo­ster ein­zu­tre­ten, schliesst die Bald­eg­ger Schwe­ster Kat­ja weit­ge­hend aus: «Die Frau­en sind sieb­zehn, acht­zehn Jah­re alt, sie haben ihre Berufs­aus­bil­dung noch vor sich. Fra­gen der Lebens­ent­schei­dung sind noch weit weg.» Mit einem kla­ren «Nein» bestä­ti­gen Anto­nia Immoos und Julia Gas­ser, dass ein eige­ner Klo­ster­ein­tritt für sie kein The­ma ist. «Ich bewun­de­re, dass Men­schen ihren Glau­ben so leben, aber ich sel­ber habe noch kei­nen Bezug dazu gefun­den.» Sie möch­ten – wie vie­le ihrer Alters­ge­nos­sen – ihre Aus­bil­dung been­den, rei­sen, «das Leben genies­sen» und irgend­wann eine Fami­lie haben. Den­noch fin­den sie über­ein­stim­mend, die Begeg­nung mit den Schwe­stern und ihrer Lebens­form habe sich gelohnt: «Ich bin offe­ner gewor­den, auch gegen­über ande­ren Leu­ten. Mir ist bewusst gewor­den, dass man sich Zeit neh­men muss, Men­schen ken­nen­zu­ler­nen», sagt Julia Gas­ser. Ihre Kol­le­gin ergänzt: «Die Tage im Klo­ster haben mir gezeigt, dass man Vor­ur­tei­le hin­ter­fra­gen muss. So habe ich bei­spiels­wei­se gemerkt, dass bei den Schwe­stern oft nicht das Gebet im Zen­trum steht, son­dern der Mensch. Wenn man sich mit den eige­nen festen Bil­dern aus­ein­an­der­setzt, kommt man zu ganz neu­en Erkennt­nis­sen. Das ist eine wert­vol­le Erfahrung.»

Syl­via Stam, Kipa

 

 

Das Klo­ster Fahr hat sei­ne Bäue­rin­nen­schu­le geschlos­sen — Bie­ten Kurz­auf­ent­hal­te für Frau­en ein neu­es, sinn­vol­les Betä­ti­gungs­feld im Kon­takt mit der Welt aus­ser­halb des Klo­sters? Schrei­ben Sie uns Ihre Meinung.

 

Redaktion Lichtblick
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