Ein Schlei­er macht noch kei­ne Muslima

Ein Schlei­er macht noch kei­ne Muslima

Nach dem Mina­rett-Ver­bot möch­te das Eger­kin­ger-Komi­tee nun auch ein natio­na­les Bur­ka-Ver­bot ein­füh­ren. Das Komi­tee um den SVP-Natio­nal­rat Wal­ter Wob­mann kün­dig­te ver­gan­ge­ne Woche eine ent­spre­chen­de Initia­ti­ve an. Wie ste­hen Klo­ster­frau­en, die sel­ber einen Schlei­er tra­gen, zur Fra­ge nach der Ver­hül­lung von Frau­en aus reli­giö­ser Moti­va­ti­on? Eine Umfra­ge zum Tag des geweih­ten Lebens.Um es vor­weg zu neh­men: Die ange­kün­dig­te Initia­ti­ve wird kei­ner Klo­ster­frau ver­bie­ten, einen Schlei­er zu tra­gen. Sie will viel­mehr «Gesichts­ver­hül­lung aus jeg­li­cher Moti­va­ti­on», sei sie reli­gi­ös oder kri­mi­nell, ver­bie­ten, wie es in der Mit­tei­lung vom 28. Janu­ar heisst. Auch Kopf­tü­cher sei­en von dem Ver­bot nicht betrof­fen, erklär­te Ulrich Schlüer, Sekre­tär des Initia­tiv­ko­mi­tees, auf Anfra­ge von kath.ch.Was bedeu­tet der Schlei­er für Klo­ster­frau­en und wie wird er in der Gesell­schaft wahr­ge­nom­men? Für Clau­dia Jablon­ka, Dia­ko­nis­sin in Rie­hen, drückt er die Zuge­hö­rig­keit zum christ­li­chen Glau­ben, zu ihrer Lebens­form als Ordens­frau und zu der kon­kre­ten Gemein­schaft der Dia­ko­nis­sin­nen aus. Die Reak­tio­nen der Öffent­lich­keit sei­en unter­schied­lich: «von ableh­nend bis inter­es­siert bis wohl­wol­lend», sagt sie gegen­über kath.ch. Ent­schei­dend ist wohl das Umfeld, in dem sich die Klo­ster­frau­en bewe­gen: «In den Krei­sen, in denen ich ver­keh­re, erkennt man mich sofort als Non­ne und das fin­de ich prak­tisch», sagt Cathe­ri­ne Jeru­sa­lem, Mit­glied im Augu­sti­nus­werk in Saint-Mau­rice auf Anfra­ge von kath.ch. Sie müs­se sich dann jeweils nicht extra vor­stel­len.Ein­ord­nung und AbgrenzungAnders erlebt dies Ingrid Gra­ve, Ilanzer Domi­ni­ka­ne­rin mit Wohn­sitz in Zürich: Der Schlei­er ist für sie zwar auch Ein­ord­nung, gleich­zei­tig aber auch Abgren­zung. «Das Gewand und der Schlei­er zei­gen, wo ich hin­ge­hö­re, sie sagen etwas über mei­ne Lebens­ent­schei­dung aus», sag­te Ingrid Gra­ve in einem frü­he­ren Inter­view mit der Katho­li­schen Inter­na­tio­na­len Pres­se­agen­tur Kipa. Zugleich hät­ten Men­schen oft eine gewis­se Scheu, auf sie zuzu­kom­men, wenn sie den Schlei­er tra­ge, das sei wie eine Bar­rie­re. Ent­spre­chend trägt die den Schlei­er pri­vat nicht, jedoch sehr wohl, wenn sie in ihrer Gemein­schaft in Ilanz ist.Schwe­ster Ingrid Gra­ve lässt die Begrif­fe «Ein­ord­nung und Abgren­zung» auch für eine Bur­ka oder die ver­wand­ten For­men Nikab und Tscha­dor gel­ten. «Die Frau­en, die eine Bur­ka tra­gen, haben dies meist von Kind auf so gelernt, inso­fern ist es eine Ein­ord­nung in sozia­le Nor­men», so Ingrid Gra­ve gegen­über kath.ch. «Abgren­zung ist es auf jeden Fall, wenn sie damit in einer ganz ande­ren Kul­tur erschei­nen, wo das nicht getra­gen wird, eine Abgren­zung uns gegen­über.»Non­ne wird für Mus­li­ma gehaltenIngrid Gra­ve hat sel­ber schon die Erfah­rung gemacht, auf­grund ihres Schlei­ers mit einer Mus­li­ma ver­wech­selt zu wer­den. Weil der Schlei­er als Zei­chen einer christ­li­chen Ordens­ge­mein­schaft heu­te oft­mals nicht mehr als sol­ches ver­stan­den wer­de, plä­diert sie dafür, dass Ordens­frau­en kei­nen Schlei­er mehr tra­gen sol­len. Ähn­lich argu­men­tiert sie bezüg­lich der Bur­ka: «Eine Bur­ka oder ein Kopf­tuch kann eine Inte­gra­ti­on erschwe­ren, weil sie in unse­rer Kul­tur nicht genau ver­stan­den wer­den. Eine sol­che Klei­dung ist ein gros­ses Hin­der­nis, um mit die­ser Frau locker ins Gespräch zu kom­men. Es ist fremd, und ich weiss nicht, ob sie über­haupt will, dass ich sie anspre­che.»Den­noch will sie ihr State­ment nicht als Plä­doy­er für ein Bur­ka-Ver­bot ver­stan­den wis­sen: «Darf ich Men­schen aus einer ande­ren Kul­tur vor­schrei­ben, wie sie sich bei uns anzu­zie­hen haben?», fragt sie zurück. Die Frau ver­mum­me sich ja nicht aus kri­mi­nel­ler Absicht, son­dern tue ein­fach das, was in ihrer Kul­tur Brauch sei.Ent­spre­chend stört sie sich auch an der dop­pel­ten Absicht der Initia­ti­ve: «Da wer­den zwei Din­ge in einen Topf gewor­fen, die nicht zusam­men­ge­hö­ren. Ein Ver­bot der Ver­mum­mung aus kri­mi­nel­ler Absicht wür­de ich unter­schrei­ben, ein Bur­ka­ver­bot jedoch nicht.»Schlei­er aus Soli­da­ri­tät mit MusliminnenNoch kri­ti­scher steht sie einem all­fäl­li­gen Kopf­tuch­ver­bot gegen­über: «Da wür­de ich den Schlei­er aus Soli­da­ri­tät mit den mus­li­mi­schen Frau­en nicht able­gen, um zu zei­gen, dass da etwas nicht stimmt: Den mus­li­mi­schen Frau­en wird etwas ver­bo­ten, aber den christ­li­chen nicht. Das geht nicht!»Auch Cathe­ri­ne Jeru­sa­lem wür­de ihren Schlei­er bei einem Kopf­tuch­ver­bot nicht able­gen. Aber sie dif­fe­ren­ziert: «Die Kopf­tu­ch­ob­li­ga­ti­on ist bei Mus­li­min­nen nicht das­sel­be wie unser Schlei­er», denn letz­te­rer wer­de im Unter­schied zum Kopf­tuch frei­wil­lig getra­gen. Sie bedau­ert es, wenn schö­ne Frau­en sich ver­hül­len, ver­steht aber, wenn sie dies zu ihrem eige­nen Schutz tun. Ob sie die Bur­ka-Initia­ti­ve unter­schrei­ben wird, weiss sie noch nicht.Syl­via Stam/ab
Anne Burgmer
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