«Ein Dia­log zwi­schen mir und dem Papier»

  • Wäh­rend des ver­gan­ge­nen Jah­res hat Son­ja Voser aus Wet­tin­gen zu den Hoch­fe­sten die Titel­sei­ten der «Horizonte»-Printausgaben gestaltet.
  • Zum Abschluss ihres Enga­ge­ments erzählt die Jah­res­künst­le­rin, wel­ches Fest für sie am her­aus­for­dernd­sten war und war­um es heil­sam sein kann, auch ein­mal ein Bild zu zerreissen.

Sie­ben Bil­der für die «Horizonte»-Titelseiten hat Son­ja Voser im ver­gan­ge­nen Jahr geschaf­fen. Sie­ben Bil­der, so facet­ten­reich wie die Hoch­fe­ste der katho­li­schen Kir­che. Sie­ben­mal hat die Künst­le­rin über­legt, was sie sel­ber mit die­sem Fest ver­bin­det, wel­che Aspek­te sie beto­nen möch­te und wel­che Mal­tech­nik sie anwen­den will. Am mei­sten Kopf­zer­bre­chen hat ihr das Bild für die Aus­ga­be zu Kar­frei­tag und Ostern berei­tet. «Ostern war mein Sor­gen­bild, ich habe mich schon im Herbst damit beschäf­tigt. Ich hoff­te, dass es mir so gelingt, wie ich es im Kopf hat­te», erin­nert sich Voser. Kar­frei­tag soll­te im Bild vor­kom­men, doch die Ver­zweif­lung soll­te nicht im Vor­der­grund ste­hen: «Zwar soll­ten die Kreu­ze Platz fin­den, denn ohne Kreuz gibt es kei­ne Auf­er­ste­hung. Doch den Fokus woll­te ich auf die Auf­er­ste­hung legen.» [esf_wordpressimage id=47314 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Weg von der Erwartung

Mit dem fer­ti­gen Bild ist Son­ja Voser zufrie­den. Es zeigt den Blick aus einer Höh­le in die auf­ge­hen­de Son­ne (sie­he Bild unten). Bei der Arbeit mit Men­schen in ihrem Ate­lier macht Voser die Erfah­rung, dass fixe Vor­stel­lun­gen die Krea­ti­vi­tät hem­men. Vie­le Leu­te sei­en sehr hart im Urteil mit sich selbst, im Leben all­ge­mein, aber eben auch im Mal­kurs oder in der Kunst­the­ra­pie. «Wir müs­sen weg von der Erwar­tung, hin zur wohl­wol­len­den Erfah­rung», sagt Voser. Statt zu sagen: «Das ist mir miss­lun­gen», kann jemand sein Werk betrach­ten und sagen: «Jetzt habe ich eine Idee, wie ich es das näch­ste Mal machen könnte.»

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Als Kunst­the­ra­peu­tin, Coach und Trau­er­be­glei­te­rin hat Son­ja Voser erlebt, wie heil­sam es sein kann, etwas bewusst los­zu­las­sen. Sie hat einen kon­kre­ten Tipp: «Ein heil­sa­mer Pro­zess kann sein, ein Werk in Stücke zu reis­sen und die Papier­stücke in neu­er Ord­nung auf ein far­bi­ges Papier auf­zu­kle­ben. Viel­leicht ver­bin­det man die ein­zel­nen Stücke noch mit Far­be. So ent­steht etwas ganz Neu­es.» Auch in ihren Mal­kur­sen ver­sucht Voser, Muster auf­zu­bre­chen: «Ich ermun­te­re die Leu­te, vom Kopie­ren weg­zu­kom­men und etwas Eige­nes zu schaf­fen.» Als Künst­le­rin for­dert sie sich immer wie­der sel­ber her­aus, um zu wach­sen. Weil sie nicht ger­ne grün malt, beschloss sie, ein Bild ganz in Grün­tö­nen zu kre­ieren: «Ich habe einen inne­ren Wider­stand gespürt, aber je län­ger ich mal­te, desto stär­ker habe ich das Grün zu mei­nem Grün gemacht. Das hat­te etwas Versöhnliches.»

Irgend­wo Frie­den finden

Mit fei­nem Gespür für die Men­schen arbei­tet Son­ja Voser als Trau­er­be­glei­te­rin. Nicht nur der Tod naher Men­schen kann Trau­er aus­lö­sen, son­dern ganz unter­schied­li­che Ereig­nis­se wie eine Schei­dung, der Ver­lust des Arbeits­plat­zes, ein Wohn­orts­wech­sel oder der Tod des Haus­tiers. Voser hilft den Men­schen, ihre Emo­tio­nen zu ord­nen: «So löst sich das Dif­fu­se auf und die Gefüh­le kom­men zum Vor­schein. Gefüh­le müs­sen gefühlt werden.»

Durchs Malen oder Zeich­nen kön­nen Gefüh­le einen Weg nach aus­sen fin­den. So gehen in Vosers Ate­lier zuwei­len Kunst und The­ra­pie flies­send inein­an­der über. Man­che Men­schen kom­men etwa für einen Mal­kurs und beim krea­ti­ven Schaf­fen tau­chen The­men auf, die sie stark beschäf­ti­gen. Ande­re kom­men wegen einer Trau­er­be­glei­tung und fin­den im Ate­lier den Zugang zum Malen. Son­ja Voser weiss: «Ein trau­ri­ges Ereig­nis anzu­neh­men, ist nicht immer mög­lich. Aber man kann ler­nen, es ein­zu­ord­nen und irgend­wo Frie­den finden.»

Aus­blen­den

Voser hat jeman­den erlebt, des­sen Tin­ni­tus beim Malen ver­stummt. Oder jeman­den, der unter Knie­schmer­zen lei­det, die wäh­rend des Mal­kur­ses ver­schwin­den. «Der Dia­log zwi­schen mir und dem Papier ver­mag alles ande­re aus­zu­blen­den», sagt die Künstlerin.

Marie-Christine Andres Schürch
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