Ein CV wie eine Patchworkdecke

Das Leben des Neu-Prie­sters des Bis­tums Basel ent­puppt sich als Über­ra­schungs­pa­ket und als leben­di­ges Bei­spiel für Got­tes unvor­her­seh­ba­re Wege. Denn letzt­lich grün­det Andre­as Stüd­lis Wei­he in sei­ner Tätig­keit als Flug­be­glei­ter für die Swissair.Sei­ne Pri­miz, die erste Mes­se als neu­ge­weih­ter Prie­ster, fei­er­te Andre­as Stüd­li in Mut­tenz, Basel­land. Das hat sei­nen Grund, denn hier in der Pfarr­ge­mein­de Johan­nes Maria Vian­ney (Pfar­rer von Ars) hat der ursprüng­lich refor­miert getauf­te 49-Jäh­ri­ge sei­ne kirch­li­che Hei­mat gefun­den.Orts­wech­sel. In Baden im Chor­her­ren­haus sitzt Andre­as Stüd­li ent­spannt und mit offe­nem, fröh­li­chem Gesichts­aus­druck am Tisch. Hell­blau­es Hemd, rotes Uhren­arm­band links, einen Rosen­kranz aus schwar­zen Holz­per­len rechts ums Hand­ge­lenk, im lin­ken Ohr blitzt eine gol­de­ne Appen­zel­ler­kuh. Refe­renz an die Regi­on in der er auf­ge­wach­sen ist. «Es war ein lan­ger Weg bis hier­her», sagt Andre­as Stüd­li auf die Fra­ge, wie er zum Prie­ster­amt gekom­men ist. Er beginnt zu erzäh­len und erzählt im End­ef­fekt zwei Geschich­ten.

Ein CV wie eine Patchworkdecke

Die eine beinhal­tet einen beruf­li­chen Cur­ri­cu­lum Vitae, der alles ist, nur nicht grad­li­nig: KV-Aus­bil­dung, dann Erwach­se­nen-Matu­ra, gleich­zei­tig Berufs­tä­tig­keit im Bereich Bank und Ver­mö­gens­we­sen in Zürich. Dann vier Jah­re Medi­zin­stu­di­um in Basel, dann eine Aus­bil­dung zum Flug­be­glei­ter bei der Swiss – die­se Tätig­keit übt er bis 2012 aus. Par­al­lel macht Andre­as Stüd­li eine Aus­bil­dung zum Pfle­ge­fach­mann, ist auf der Onko­lo­gie des Bas­ler Uni­spi­tals tätig. 2009 tritt er dann in Luzern ins Semi­nar ein, stu­diert Theo­lo­gie, macht 2015 den Master, absol­viert die Berufs­ein­füh­rung und wird schliess­lich 2017 zum Prie­ster geweiht. Zwi­schen­durch ist er ver­tre­tungs­wei­se als Leh­rer tätig – Andre­as Stüd­li pro­biert aus, was er sich vor­stel­len kann. Er träumt nicht nur, er macht.

Roter Faden durch die Jahre

Die ande­re Geschich­te ist grad­li­nig: «Ich bin mit 15 Jah­ren in die refor­mier­te Jugend­ar­beit gerutscht. Habe mich dort enga­giert. Mit 17 Jah­ren erleb­te ich eine Nacht, in der ich gespürt habe: ich will in den kirch­li­chen Dienst. Was ich in der Rea­li­tät mache, die KV, ist nicht mein Weg», erin­nert sich Andre­as Stüd­li. Vor die­sem Hin­ter­grund macht er die Erwach­se­nen-Matu­ra – das Ziel ist irgend­wann das Theo­lo­gie­stu­di­um. Doch die­je­ni­gen, die ihn mit Mit­te 20 bereits in der Theo­lo­gie sehen, täu­schen sich. Medi­zin heisst das Stu­di­um, sel­ber finan­ziert durch Tätig­keit in der Pfle­ge. Ein wei­te­rer, eher zufäl­li­ger Berufs-Wunsch: Flug­be­glei­ter. Immer wie­der bewirbt sich Andre­as Stüd­li ab Mit­te 20 bei der Swiss, immer wie­der erfolg­los; zuletzt ist sein Alter von 30 Jah­ren das Pro­blem — noch.

Die erste katho­li­sche Messe

Sein Ziel ist ein ande­res, die­ses tie­fe Wis­sen trägt Andre­as Stüd­li stets mit sich: Es hilft ihm – auch wenn die Eltern nicht begei­stert sind – irgend­wann das Medi­zin-Stu­di­um abzu­bre­chen und sei­nen Weg zu ändern. Per Zufall – die Schwe­ster eines Freun­des ist Flug­be­glei­te­rin – erfährt er, dass die Swiss die Alters­gren­ze für die Aus­bil­dung hoch­set­zen wird. Er bewirbt sich erneut: jetzt erfolg­reich. Auf einem der Lang­strecken­flü­ge nach Hong­kong erzählt die befreun­de­te Flug­be­glei­te­rin, dass sie in Lachen in einem Kir­chen­chor sin­ge, ob Andre­as nicht mal vor­bei­kom­men wol­le.Mut­tenz, wo Andre­as Stüd­li lebt, und Lachen lie­gen nicht grad neben­ein­an­der; Andre­as Stüd­li nimmt das Ange­bot den­noch wahr, pro­jekt­mäs­sig. «Als ich mei­ne erste katho­li­sche Mes­se erleb­te, dach­te ich, ich kom­me heim», sagt er. Fort­an enga­giert sich Andre­as Stüd­li frei­wil­lig in Lachen in der Pfar­rei. Par­al­lel zur Pfle­ge­fach­mann­aus­bil­dung und Tätig­keit als Flug­be­glei­ter. «Im Prin­zip ist die Swiss schuld, dass ich kon­ver­tiert bin und mich zum Prie­ster habe wei­hen las­sen», sagt Andre­as Stüd­li mit brei­tem Grin­sen.

Der Jakobs­weg — «beste Zeit mei­nes Lebens»

Einen Lebens­hö­he­punkt erlebt Andre­as Stüd­li auf dem Jakobs­weg. «Vom 6. August bis zum 21. Okto­ber 2007 bin ich von Lachen zu Fuss bis nach Sant­ia­go de Com­po­ste­la gelau­fen. Das war die beste Zeit mei­nes Lebens», sagt Andre­as Stüd­li zufrie­den. Es wird für ihn immer deut­li­cher, dass er kon­ver­tie­ren und dann ins Theo­lo­gie­stu­di­um will. Lan­ge spricht er die­se The­ma­tik nicht an, da sei­ne Eltern Mühe damit haben. «Gleich­zei­tig habe ich irgend­wann gespürt: ich muss das machen und wenn es dann soweit ist, dass ich geweiht wer­de, haben sich auch mei­ne Mit­men­schen, mei­ne Eltern, wei­ter­ent­wickelt», erklärt Andre­as Stüd­li. 2009 kon­ver­tiert er auf dem Papier; im Sep­tem­ber tritt er ins Prie­ster­se­mi­nar ein und 2010 wird er in der Oster­nacht­fei­er in Mut­tenz gefirmt.

Gepäck für die ein­sa­me Insel

Der Rest ist schnell erzählt: Stu­di­um in Luzern, Fri­bourg und Paris. Master­ab­schluss 2015, dann beginnt sei­ne Berufs­ein­füh­rung als Pasto­ral­as­si­stent in Frau­en­feld. 2016 wech­selt Andre­as Stüd­li mit der Dia­ko­nen­wei­he nach Baden in die Stadt­pfar­rei und ist nun, 2017, geweih­ter Prie­ster. Sei­ne Mut­ter — der Vater starb vor fünf Jah­ren —  hat sich mit sei­nem Weg ver­söhnt.  «Es war ein lan­ger Weg», greift Andre­as Stüd­li sei­ne Bemer­kung vom Anfang auf und fährt fort: «Und ich bin sehr froh, dass ich die­se fünf­zehn Jah­re mit all ihren unter­schied­li­chen Beru­fen und Tätig­kei­ten so erle­ben konn­te. Sie sind reich gefüllt und ich bereue nichts». Was er auf eine ein­sa­me Insel mit­neh­me wür­de? Andre­as Stüd­li über­legt kurz, zögert und sagt dann: «Am lieb­sten gar nichts. Mir wür­de sicher nicht langweilig».
Anne Burgmer
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