«… du gibst uns Schwachen Kraft und Mut»
Lied «Komm, heil’ger Geist, der Leben schafft»Komm, Heil’ger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner KraftDein Schöpferwort rief uns zum Sein:
Nun hauch uns Gottes Odem ein. Komm, Tröster, der die Herzen lenkt,
du Beistand, den der Vater schenkt;aus dir strömt Leben, Licht und Glut,
du gibst uns Schwachen Kraft und Mut. Aus dem liturgischen Hymnus «Veni, Creator Spiritus»,
wahrscheinlich verfasst von Hrabanus Maurus († 856) «… du gibst uns Schwachen Kraft und Mut»
Ganz und gar nicht eine «graue Maus», war mein erster Gedanke, als ich von der Heiligen Ursula Gräfin Ledóchowska, Graue Ursuline, las und erst noch ihr Bild sah. Welche Dynamik war in ihrem Leben. Mein Gott, woher hat diese Frau eine solche Energie?Bei der Betrachtung ihrer Lebensstationen kann man eine innere Reise machen, an die Orte, die zurzeit fast jeden Tag Schlagzeilen machen. Sie verliess nach und nach die adelige Herkunft und ging einen Weg als engagierte Frau von Polen nach St. Petersburg. Wir schreiben die Jahre 1914–1918, also die Zeit des Ersten Weltkriegs. Es folgen die russische Revolution, ihr Exil nach Schweden, Finnland und über Dänemark wieder zurück nach Polen, bis zum Zweiten Weltkrieg.Und überall hinterliess sie Spuren. Sie engagierte sich für junge Frauen, Fischer, polnische Emigranten, Flüchtlinge, Waisen, Kriegsopfer – alles Menschen, die durch die schrecklichen Ereignisse der Kriege Opfer wurden. Sie übersetzte selbst in ihrer Zeit als Asylantin in Schweden religiöse Schriften, leitete den Dialog mit der lutherischen Kirche ein, hielt Konferenzen ab, gründete einen neuen Orden mit einer für heutige Ohren seltsamen Bezeichnung: «Ursulinen von dem Todesangst leidenden Herzen Jesu».Wie kommt man nur auf eine solche Bezeichnung? Jetzt, wo wieder Krieg ist und die Stationen ihres Lebens an die heutigen, schrecklichen Ereignisse in der Ukraine und in Russland aufmerksam machen, verstehe ich es. Viele Menschen erleben diese Todesangst, die auch Jesus erlebte. Die in Todesangst lebenden Menschen in Europa sind präsent, und es gibt viele Menschen, die ein Herz für die Opfer haben und ihnen nahe sind, vom Präsidenten und seinem kämpfenden Volk bis zu den Flüchtlingen aus der Ukraine mitten unter uns.Jene Frau, Ursula Ledochówska, war damals wohl beflügelt von einem starken Geist, einem heiligen Geist, der stärkt und behütet, von einer göttlichen Kraft, die Leben schafft und Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit ist.Eine andere Frau aus dieser Zeit, die südkoreanische Theologin Chung Hyun Kyung, lädt uns mit den folgenden pfingstlichen Worten ein, um diesen Geist zu bitten: «Liebe Schwestern und Brüder, lasst uns mit der Energie des Heiligen Geistes alle trennenden Mauern niederreissen und der ‹Kultur des Todes› ein Ende bereiten … Und lasst uns […] für ein Leben auf dieser Erde kämpfen, das in Solidarität mit allen Lebewesen gelebt wird, und eine Gemeinschaft für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung aufbauen. Wilder Wind des Heiligen Geistes blase uns an, lasst uns ihn willkommen heissen, lasst uns in seinem wilden Rhythmus des Lebens voranschreiten. Komm, Heiliger Geist – erneuere die ganze Schöpfung! Amen.» (Aus: Elisabeth Moltmann-Wendel, Die Weiblichkeit des Heiligen Geistes)
Anna-Marie Fürst, Theologin, langjährige Gefängnisseelsorgerin