Drei Per­len an der Seidenstrasse

Dank der Sei­den­stras­se bekam Usbe­ki­stan eine zen­tra­le Bedeu­tung für Kul­tur und Han­del. Vom 2. bis 11. Okto­ber erkun­de­te der ehe­ma­li­ge Hori­zon­te-Redak­tor Mar­tin Bran­der im Rah­men sei­ner 14. Hori­zon­te-Leser­rei­se Tasch­kent, Chi­wa, Bucha­ra und Samar­kand. Sein Rei­se­be­richt exklu­siv für Horizonte.Nur schon die Sym­bo­le an den histo­ri­schen Gebäu­de­fas­sa­den zeig­ten, dass auf der ver­zweig­ten Han­dels­rou­te auch Ideen aus­ge­tauscht wur­den. Unser ein­hei­mi­scher Rei­se­füh­rer Dmit­riy konn­te bei Med­re­sen, Moscheen und Palä­sten immer wie­der dar­auf hin­wei­sen. Zur Berei­che­rung der Kul­tur hat auch ein umstrit­te­ner Herr­scher des ehe­ma­li­gen Gross­rei­ches bei­getra­gen: Amir Timur, der bei sei­nen Erobe­run­gen gleich die besten Künst­ler und Hand­wer­ker mit­nahm. Timur ist heu­te der Natio­nal­held von Usbe­ki­stan. Und wo frü­her Sta­tu­en von Marx und Lenin stan­den, ist heu­te der «alte» Timur prä­sent. So wird das sowje­ti­sche Erbe ‑Usbe­ki­stan war einst Teil der Sowjet­uni­on — auf Distanz gehal­ten. Dem­ge­gen­über wird die eige­ne, natio­na­le Kul­tur geför­dert. So haben etwa bei Begeg­nun­gen «die fröh­li­chen, kon­takt­freu­di­gen Frau­en in ihren bun­ten, tra­di­tio­nel­len Klei­dern einen berüh­ren­den Ein­druck hin­ter­las­sen», sagen Teil­neh­me­rin­nen nach der Rei­se.

Beein­drucken­de Zeu­gen der Vergangenheit

Auf­fal­lend waren die vie­len Med­re­sen, die Koran­schu­len, an denen auch Natur­wis­sen­schaf­ten und Mathe­ma­tik gelehrt wur­de. Zehn davon sind als Pri­vat­schu­len heu­te noch in Betrieb. Ein­drück­lich waren die mit Sorg­falt und viel Fan­ta­sie orna­men­tal aus­ge­stal­te­ten Fas­sa­den. Das erin­ner­te uns immer wie­der an Per­si­en — Usbe­ki­stan war ein­mal Teil des per­si­schen Gross­rei­ches. Eine Mei­ster­lei­stung der dama­li­gen Fach­leu­te, die «hand­werk­li­ches Kön­nen und spi­ri­tu­el­le Vor­stel­lun­gen» zusam­men­brach­ten, wie eine Teil­neh­me­rin rich­tig wahr­nahm. Und rück­blickend noch: «In mir tau­chen auch Geschich­ten und Erzäh­lun­gen auf, mit denen unser Rei­se­füh­rer die­se Zeu­gen der Ver­gan­gen­heit zu bele­ben wuss­te.» Auch von nam­haf­ten isla­mi­sche Per­sön­lich­kei­ten aus der Wis­sen­schaft hat unser Rei­se­füh­rer erzählt, von Al-Cho­res­mi, dem «Vater» der Alge­bra, von Ibn-Sina, dem Arzt und Phi­lo­so­phen, und von Ulug Beg, dem Astro­no­men, der im eige­nen Obser­va­to­ri­um fast tau­send Ster­ne ver­mes­sen hat. «Wir waren beein­druckt, wie vie­le Erkennt­nis­se und wie viel Wis­sen aus Mathe­ma­tik, Medi­zin und Astro­no­mie in Zen­tral­asi­en schon vor tau­send Jah­ren vor­han­den waren.»

Gebets­ru­fe vom Mina­rett sind verboten

Etwa 90 Pro­zent der Bevöl­ke­rung sind Mus­li­me, gegen zehn Pro­zent Chri­sten. Aber Usbe­ki­stan ist betont säku­lar, Reli­gi­on ist rei­ne Pri­vat­sa­che. Das gilt auch für den Islam. Gebets­ru­fe vom Mina­rett sind ver­bo­ten, das sei Pro­pa­gan­da für die Reli­gi­on, wie uns Dmit­riy erklär­te. «Trotz­dem: Der Staat gibt den Ima­men die The­men für die Pre­digt vor und hält die Isla­mi­sten auf Distanz». Aber die per­sön­li­che Fröm­mig­keit hat ihren eige­nen Platz. Immer wie­der haben wir fest­ge­stellt, dass jun­ge wie älte­re Ein­hei­mi­sche zu isla­mi­schen Hei­li­gen­grä­bern pil­gern — zu Mau­so­leen von ver­ehr­ten Per­sön­lich­kei­ten, um dort zu beten und per­sön­li­che Anlie­gen vor­zu­brin­gen. So etwa in Samar­kand oder in Chi­wa, wo auch vie­le Hoch­zeits­paa­re vor­bei­kom­men und sich vom Imam seg­nen zu las­sen, wie wir sel­ber beob­ach­ten konn­ten.

Über­nach­tung in der Medrese

Die Alt­stadt von Chi­wa ist kom­pakt gebaut. Das war ein guter Grund, dass wir auch ein­zeln und ohne Füh­rung dies und jenes ent­decken konn­ten und dabei auch mit Leu­ten ins Gespräch kamen. In Chi­wa über­nach­te­ten wir in einer ehe­ma­li­gen Med­re­se. Die Zim­mer waren klein und spar­sam ein­ge­rich­tet, wie sich das für Koran­schü­ler gehör­te, um nicht vom Stu­di­um abzu­len­ken. Umso mehr spür­ten wir, wie der gros­se Innen­hof mit den Bäu­men und Sträu­chern ein Ort der Ruhe und der Begeg­nung ist.

Kichern fürs Foto

Auch Bucha­ra eig­ne­te sich für per­sön­li­che Erkun­dun­gen. Der zen­tra­le Platz mit dem Teich in der Mit­te — dane­ben ein Park, eine Med­re­se und eine Sufi-Her­ber­ge — ist auch bei den Ein­hei­mi­schen sehr beliebt. «Mich beein­druck­te die Herz­lich­keit, die Offen­heit, die Neu­gier­de die­ser Men­schen — auch wenn die Ver­stän­di­gung zum Teil nur mit Gesten mög­lich war», fasst eine Teil­neh­me­rin zusam­men. Oder eine ande­re Begeg­nung: «Die lustig kichern­den Mäd­chen in ihren Schul­uni­for­men, und die Buben, schel­misch lachend und noch so ger­ne bereit für ein Foto.»

Sou­ve­ni­ers statt Unterricht

Samar­kand mit dem Regi­stan-Platz, unse­re letz­te «Per­le», muss man gese­hen haben: Ein gros­ser Kom­plex mit drei Med­re­sen. Nur scha­de, dass in vie­len Med­re­sen heu­te Sou­ve­nir­stän­de ein­ge­rich­tet sind. Da fällt es man­chen nicht so leicht, statt über Sei­den­scha­le zu ver­han­deln, den Erläu­te­run­gen des Rei­se­füh­rers zu folgen.
Andreas C. Müller
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