Dreh­or­gel­tanz im Regen: Sil­ja Wal­ter-Weg eröffnet

  • Am Sams­tag, 27. April eröff­ne­te das Klo­ster Fahr die zehn Sta­tio­nen des Sil­ja Wal­ter-Wegs auf sei­nem Gelände.
  • Der öffent­li­che Sil­ja Wal­ter-Weg lädt ein zum Inne­hal­ten. Die Besu­cher ent­decken das immense Schaf­fen der «schrei­ben­den Non­ne», wie sich Sil­ja Wal­ter sel­ber nannte.
  • Der fei­er­li­che Fest­akt mit der Eröff­nung bil­de­te den Schluss­punkt der Woche, wäh­rend der die Bene­dik­ti­ne­rin­nen des 100. Geburts­tags ihrer ehe­ma­li­gen Mit­schwe­ster Hed­wig mit ver­schie­de­nen Anläs­sen gedachten.
 Wäre Schwe­ster Hed­wig bei der Eröff­nung «ihres» Wegs dabei gewe­sen, sie hät­te im Regen getanzt. Ãœber die nass­glän­zen­den Kie­sel im Klo­ster­hof, zu Dreh­or­gel­mu­sik. Als Prio­rin Ire­ne Gas­smann ihre Begrüs­sungs­wor­te sprach, pras­sel­te es aus tief­schwar­zen Wol­ken auf die ver­sam­mel­ten Schir­me nie­der. «Wer weiss, viel­leicht schickt uns Schwe­ster Hed­wig als Gruss von oben ein paar Trop­fen», mein­te sie. Die Prä­senz der 2011 ver­stor­be­nen Sil­ja Wal­ter war am Fest­akt von Beginn weg spür­bar. In ihren Tex­ten, aber auch in den per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen der vie­len Anwe­sen­den, dar­un­ter zahl­rei­che Nach­kom­men der Dich­te­rin. Auch Dreh­or­gel­mann Bru­no Leo­ni war nicht zufäl­lig dabei. In einem ihrer Gedich­te hat Sil­ja Wal­ter näm­lich die «klei­ne Dreh­or­gel» mit fei­nem Humor ver­ewigt.

Brain­stor­ming im Kloster

Mit der Eröff­nung des Sta­tio­nen­wegs zog auch der letz­te Anlass der Gedenk­wo­che zum 100. Geburts­tag von Sil­ja Wal­ter ein gros­ses Publi­kum an. Für den Sil­ja Wal­ter-Weg rund ums Klo­ster Fahr hat­ten sich die römisch-katho­li­sche und die refor­mier­te Lan­des­kir­che im Aar­gau, die katho­li­sche Kir­che des Kan­tons sowie die­je­ni­ge der Stadt Zürich finan­zi­ell ein­ge­setzt. Luc Hum­bel, Kir­chen­rats­prä­si­dent der römisch-katho­li­schen Kir­che im Aar­gau, blick­te in sei­ner Anspra­che zurück auf das erste Tref­fen, als die Gedenk­wo­che noch eine vage Idee war. Er erin­ner­te sich an das Brain­stor­ming mit Prio­rin Ire­ne Gas­smann und Pro­jekt­lei­te­rin Car­men Frei, bei dem sie die pas­sen­den  Leit­wor­te für das Jubi­lä­um such­ten: «Der Satz, der das Ren­nen mach­te, war ‚voll sin­gen­den Feu­ers’.» Dar­auf las Luc Hum­bel das Gedicht von Sil­ja Wal­ter vor, dem die drei Wor­te ent­nom­men sind: 

Voll sin­gen­den Feu­ers 

Die wil­den Enten 

schrein überm Fluss

mit den Morgensirenen 

zusam­men

vom Gas­werk

nichts wei­ter.

Und Gomer geht summend

hin­auf in die Küche

die Min­ze zu sieden

nichts wei­ter.

Doch alle Schöpfung

ihr Herz und die Küche

sind voll singenden

Feu­ers.

                                                            Sil­ja Walter

 Luc Hum­bel dank­te der Pro­jekt­lei­te­rin der Gedenk­wo­che, Car­men Frei, sowie Prio­rin Ire­ne für ihren gros­sen Ein­satz zur Rea­li­sie­rung des Sta­tio­nen­wegs. Das Enga­ge­ment der römisch-katho­li­schen Lan­des­kir­che fus­se auf Begei­ste­rung: «Eine Erneue­rung, ein Aggior­na­men­to in der Kir­che gelingt nur, wenn es von uns vor­ge­lebt wird. Genau das tun die Fah­rer Schwe­stern tag­täg­lich. Prio­rin Ire­ne und ihre Mit­schwe­stern beten jeden Don­ners­tag das Gebet ‚Schritt für Schritt’ für Erneue­rung in unse­rer Kir­che. Das begei­stert mich.»

Eine Vir­tu­al Rea­li­ty Show zum 100. Geburtstag

Der Sil­ja Wal­ter-Weg ist öffent­lich zugäng­lich. Die zehn Sta­tio­nen rund ums Klo­ster Fahr laden ein zum Inne­hal­ten. Kur­ze Text­im­pul­se öff­nen den Blick auf das viel­fäl­ti­ge Schaf­fen der Lyri­ke­rin und Non­ne. Auf der Web­sei­te, die zum Weg gehört, kön­nen die Text­aus­schnit­te in vol­ler Län­ge gele­sen und ange­hört wer­den. Prio­rin Ire­ne Gas­smann freut sich dabei über eine beson­de­re Attrak­ti­on. Sie erzähl­te: «Sil­ja Wal­ter war vir­tu­ell unter­wegs, bevor wir das über­haupt kann­ten. Schwe­ster Hed­wig blieb ihr Leben lang inter­es­siert und auf­ge­schlos­sen gegen­über Neu­em. Zum 80. Geburts­tag wünsch­te sie sich einen Com­pu­ter, zum 90. Geburts­tag einen Inter­net­an­schluss. Da passt es, dass es nun zu ihrem 100. Geburts­tag eine Vir­tu­al Rea­li­ty Show gibt.»

Vir­tu­ell ums Klo­ster streifen

Wäh­rend die Fah­rer Schwe­stern die raf­fi­niert aus Kar­ton und Kunst­stoff gefer­tig­ten Vir­tu­al Rea­li­ty-Bril­len unter den Zuhö­ren­den ver­teil­ten, gab Jörg Krum­men­acher, der die vir­tu­el­le Tour mit sei­ner Agen­tur komm­pakt pro­gram­miert hat, eine Blitz­ein­füh­rung in die Benut­zung. Und wirk­lich: Wer mit dem Smart­phone den vir­tu­el­len Rund­gang auf der Web­sei­te siljawalter.ch star­tet und dann das Han­dy in die Bril­le schiebt, blickt durch die Lin­se und glaubt, unten an der Lim­mat zu ste­hen. Vor sich das Was­ser, über sich das Him­mels­blau. Fast fürch­tet man, beim Schritt vor­wärts in den Fluss zu fal­len.

Gemein­sam feiern

Nach dem Eröff­nungs­akt im Klo­ster­hof folg­te ein öku­me­ni­scher Got­tes­dienst in der Klo­ster­kir­che. Prio­rin Ire­ne Gas­smann, der Ein­sied­ler Abt Urban Fede­rer und der Prä­si­dent der refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aar­gau, Chri­stoph Weber-Berg, wirk­ten bei der Fei­er mit.

Den Kof­fer­raum vol­ler Bücher

Beim Apé­ro gab es die Gele­gen­heit, bei Ulri­ke Wolitz, Autorin und Her­aus­ge­be­rin des Gesamt­werks von Sil­ja Wal­ter, das neu­ste Buch zu erwer­ben. «Dich kom­men sehen und sin­gen» heisst das Werk von Ulri­ke Wolitz. Einen Monat lang hat­te sich die Seel­sor­ge­rin und Autorin in einen Turm bei Würz­burg zurück­ge­zo­gen, wo sie ganz in die per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen an die Erleb­nis­se mit Sil­ja Wal­ter ein­tauch­te. Ãœber die Ent­ste­hung des Buchs berich­te­te sie: «Ich kam mit einem Kof­fer­raum vol­ler Gesamt­aus­ga­ben beim Turm an, hat­te jedoch kei­ne Idee, wie ich anfan­gen soll­te. Aber bald merk­te ich: ich muss nicht schrei­ben, es schreibt sich von selbst. Als ich Ende Monat nach Hau­se fuhr, dach­te ich: Da war noch jemand anders beim Schrei­ben dabei.» Sil­ja Wal­ter inspi­riert. Ganz gewiss auch die Besu­che­rin­nen und Besu­cher des Sil­ja Wal­ter-Wegs – in natu­ra oder vir­tu­ell. Hier geht’s zum vir­tu­el­len Sil­ja Walter-Weg
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben