Dra­chen und Höh­le – auch in mei­nem Leben?

Dra­chen und Höh­le – auch in mei­nem Leben?

Psalm 91,12.1113Wer im Schutz des Höch­sten wohnt, der ruht im Schat­ten des All­mäch­ti­gen. Ich sage zum Herrn: Du mei­ne Zuflucht und mei­ne Burg, mein Gott, auf den ich vertraue.Denn er befiehlt sei­nen Engeln, dich zu behü­ten auf all dei­nen Wegen. Sie tra­gen dich auf Hän­den, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst; du schrei­test über Löwen und Nat­tern, trittst auf jun­ge Löwen und Drachen.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Dra­chen und Höh­le – auch in mei­nem Leben?

Hoch über dem Thu­ner­see lie­gen die St.-Beatus-Höhlen: ein Jahr­mil­lio­nen altes Natur­wun­der, das immer wie­der neu sei­ne Besu­cher in Stau­nen ver­setzt und zum Wall­fahrts­ziel von Tau­sen­den von Natur­freun­den gewor­den ist.Der Legen­de nach dien­ten die Tropf­stein­höh­len als Unter­schlupf für den hei­li­gen Bea­tus. Aller­dings muss­te er zunächst einen furcht­erre­gen­den Dra­chen ver­trei­ben, der dort sein Unwe­sen trieb und den Men­schen Angst ein­flöss­te. Er liess sich nicht ein­schüch­tern und trat dem Untier mit Kraft und Got­tes­glau­ben ent­ge­gen. Dar­auf stürz­te der Dra­che zischend und fau­chend in den Thu­ner­see und ist seit­her ver­schwun­den. Die Höh­le wur­de dann zur Zuflucht- und Wohn­stät­te des hei­li­gen Bea­tus. Und noch heu­te strah­len die­se Höh­len mit ihren Innen­schluch­ten, impo­san­ten Hal­len und Was­ser­fäl­len eine beson­de­re Kraft aus, die vie­le Men­schen anzieht.Eine Geschich­te – eine Legen­de – die im Span­nungs­feld der bei­den Pole Bedro­hung (durch den Dra­chen) und Gebor­gen­heit (in der Höh­le und im Glau­ben) spielt. Der Dra­che kann für Ver­schie­de­nes ste­hen: für Natur­ge­wal­ten, für das Böse, für inne­re Bedro­hun­gen, Sor­gen oder Äng­ste. Die Höh­le, als Zufluchts‑, Schutz- oder Rück­zugs­ort, erin­nert uns an unser Bedürf­nis nach Gebor­gen­heit.In unse­rer moder­nen Welt mit ihrem «Höher-Schnel­ler-Bes­ser» wächst bei vie­len Men­schen der tie­fe Wunsch nach Ruhe und Erho­lung, nach Ange­nom­men­sein und Sicher­heit. Wir haben ein lebens­not­wen­di­ges Bedürf­nis nach Gebor­gen­heit. Grund­ge­legt wird die­ses Lebens­ge­fühl bereits nach der Zeu­gung des Men­schen im Mut­ter­leib. Hier waren wir warm und sicher auf­ge­ho­ben, rund­um ver­sorgt mit allem Nöti­gen. Ein Leben lang wird die Sehn­sucht nach die­ser Gebor­gen­heit in uns leben­dig blei­ben.Dem Bedürf­nis nach Gebor­gen­heit steht aber ein ande­res dia­me­tral gegen­über: die Ent­deckungs­freu­de und Neu­gier des Kin­des. Es will die Welt ent­decken und sich in die Welt hin­aus­wa­gen und sich in der Welt für etwas ein­set­zen. Auch mensch­heits­ge­schicht­lich war der Mensch irgend­wann gezwun­gen, die schüt­zen­de Höh­le zu ver­las­sen und um des Über­le­bens wil­len auf gefähr­li­che Nah­rungs­su­che zu gehen.Und sogar der christ­li­che Glau­be hat die­se dop­pel­te Grund­struk­tur: einen trö­stend-schüt­zen­den und zugleich her­aus­ru­fend-her­aus­for­dern­den Cha­rak­ter. Gesun­der Glau­be weicht der Angst nicht aus, weiss sich aber von Gott dar­in beglei­tet. Die­se bei­den Pole sind also tief im Men­schen ver­an­kert.Die hohe Kunst des Lebens besteht dar­in, eine gute Balan­ce zu fin­den zwi­schen Wag­nis und Sicher­heit, zwi­schen Gebor­gen­heit in Gott und Mut, sich den Her­aus­for­de­run­gen des Lebens zu stel­len – im Ver­trau­en, dass Er uns beglei­tet.Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, arbei­tet als Spi­tal­seel­sor­ge­rin am St. Cla­ra­spi­tal in Basel     
Christian von Arx
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