Die Ster­ne und die Schrift füh­ren ans Ziel

  •  Zu Beginn des neu­en Jah­res sind Horo­sko­pe gefragt – kirch­lich gese­hen Aberglaube.
  • Doch die Stern­deu­ter aus dem Mor­gen­land erin­nern uns dar­an: Astro­lo­gie, Astro­no­mie und Reli­gi­on gin­gen einst Hand in Hand.
  • Gedan­ken zu den Stern­deu­tern im Mat­thä­us­evan­ge­li­um aus theo­lo­gi­scher, astro­no­mi­scher und astro­lo­gi­scher Sicht.
 «Als Jesus zur Zeit des Königs Hero­des in Bet­le­hem in Judäa gebo­ren wor­den war, kamen Stern­deu­ter aus dem Osten nach Jeru­sa­lem und frag­ten: Wo ist der neu­ge­bo­re­ne König der Juden? Wir haben sei­nen Stern auf­ge­hen sehen und sind gekom­men, um ihm zu hul­di­gen.» (Mt, 2,1–2)

Stern berei­tet Kopfzerbrechen

Evan­ge­list Mat­thä­us erwähnt als Ein­zi­ger den Stern und die Stern­deu­ter. Astro­no­men konn­ten bis­her den «Stern von Beth­le­hem weder als Komet noch als Super­no­va schlüs­sig erklä­ren. Auch die von Johan­nes Kep­ler im 17. Jahr­hun­dert errech­ne­te «Königs­kon­junk­ti­on», bei der Jupi­ter und Saturn am Him­mel sehr nahe bei­ein­an­der ste­hen, erklärt den Stern nur unzu­rei­chend. Mit dem heu­ti­gen Astro­no­mie-Wis­sen lässt sich zwar berech­nen, wie der Ster­nen­him­mel zur Zeit der Geburt Jesu aus­ge­se­hen hat. Den­noch bleibt es schwie­rig, alle in den Evan­ge­li­en beschrie­be­nen Details unter einen Hut zu brin­gen.

Bibli­sche Wor­te astro­no­misch deuten

Von der bibli­schen Bezeich­nung der Wei­sen als «Stern­deu­ter» aus­ge­hend, gelang­te der US-ame­ri­ka­ni­sche Astro­phy­si­ker Micha­el Mol­nar im Jahr 2001 zu einer ande­ren Erklä­rung für den Stern von Beth­le­hem. Er deu­te­te ihn als astro­lo­gisch ein­zig­ar­ti­ge Kon­stel­la­ti­on. Mer­kur, Venus, Mars, Jupi­ter und Saturn stan­den schein­bar in einer Rei­he, und die schma­le Sichel des zuneh­men­den Mon­des zog vor Jupi­ter im hei­li­gen Stern­bild Judä­as, dem Wid­der, vor­über.

Gedan­ken­welt der anti­ken Menschen

Der ent­schei­den­de Gedan­ke war Micha­el Mol­nar beim Betrach­ten einer anti­ken Mün­ze gekom­men. Die­se war zwi­schen 5 und 11 n. Chr. in der syri­schen Stadt Antio­chia geprägt wor­den und zeig­te einen Wid­der, der sich nach einem Stern umdreht. Das Tier reprä­sen­tier­te das Stern­bild Wid­der, das die damals zum Römi­schen Reich gehö­ren­de Stadt als Schutz­zei­chen ver­wen­de­te. Dabei spielt eine wich­ti­ge Rol­le, dass Antio­chia die­ses Stern­zei­chen erst benutz­te, als Rom Judäa annek­tiert hat­te. Also stand auch Judäa unter die­sem Zei­chen. Es bekam für Mol­nar einen neu­en Sinn, als er sich über die Pro­fes­si­on der Wei­sen aus dem Mor­gen­land Gedan­ken mach­te. Im grie­chi­schen Ori­gi­nal heis­sen sie «Magoi», was Stern­deu­ter oder Astro­lo­gen bedeu­tet. Micha­el Mol­nars Fazit war, dass alle bis­he­ri­gen Inter­pre­ta­tio­nen des Sterns von Beth­le­hem zu sehr auf der Denk­wei­se heu­ti­ger Astro­no­men basie­ren. Um das Stern-Phä­no­men zu ver­ste­hen, müs­se man sich in die Gedan­ken­welt der Men­schen in der Anti­ke ver­set­zen, also die bibli­schen Wor­te astro­lo­gisch deu­ten. Dazu ver­wen­de­te der Astro­phy­si­ker das Werk «Tetra­biblos» des grie­chi­schen Astro­no­men Pto­le­mä­us. Hier­in lie­fert der grie­schi­sche Astro­nom der Anti­ke Vor­schrif­ten, wann wel­che Kon­stel­la­ti­on für die Geburt eines Königs gün­stig ist.

Das Königs-Horo­skop

Jupi­ter als König der Pla­ne­ten ist so gese­hen stets ein posi­ti­ves Zei­chen. Gesellt sich am Him­mel noch Saturn hin­zu, kom­men edle und gute Men­schen zur Welt. In Ver­bin­dung mit Mars wird ein Mensch zudem kräf­tig, Mer­kur för­dert from­me und phi­lo­so­phi­sche Cha­rak­te­re, Venus steht für jene, die Gott lie­ben. Tre­ten nun noch Son­ne und Mond hin­zu, «so wer­den die, wel­che erzeugt wer­den, Köni­ge sein», schreibt Pto­le­mä­us. Die Wir­kung der jewei­li­gen Kon­stel­la­ti­on soll­te um so stär­ker sein, je näher die Him­mels­kör­per bei­ein­an­der stün­den. Sie galt als maxi­mal, wenn einer den ande­ren berühr­te und bedeck­te. Schon ein Zusam­men­tref­fen die­ser Pla­ne­ten ist sel­ten. Ereig­net es sich aber noch im Stern­bild Judä­as, dem Wid­der, so muss­ten die dama­li­gen Astro­lo­gen dar­in das untrüg­li­che Zei­chen für die Geburt des neu­en Königs der Juden gese­hen haben, den eine im Alten Testa­ment beschrie­be­ne Weis­sa­gung dem Vol­ke Isra­el pro­phe­zeit hat­te (Mos 4,4; Mic 5,1).

Matthäus’Absicht

Eine wider­spruchs­freie Theo­rie zu fin­den, sei wahr­schein­lich gar nicht mög­lich, fin­det Tho­mas Mar­kus Mei­er, lang­jäh­ri­ger Erwach­se­nen­bil­der der katho­li­schen Kir­che im Aar­gau. Der histo­risch ver­sier­te Theo­lo­ge hält es aber auch nicht für nötig, die Schil­de­run­gen der Bibel plau­si­bel zu erklä­ren. Denn es sei nicht Absicht der Schrift, uns ein exak­tes histo­ri­sches Bild zu ver­mit­teln. Tho­mas Mar­kus Mei­er ver­mu­tet, dass Mat­thä­us den Stern mit einer bestimm­ten Absicht erwähnt: Die Bot­schaft Jesu ver­brei­te­te sich näm­lich nicht nur unter den Juden, son­dern erreich­te rasch auch vie­le Hei­den. Es könn­te sein, dass Mat­thä­us die­sen Umstand deut­lich machen woll­te, indem er heid­ni­sche Stern­deu­ter zur Krip­pe kom­men liess. Oder aber Mat­thä­us neh­me mit der Erwäh­nung des Sterns die Pro­phe­zei­ung des Bileam im Buch Nume­ri auf, die lau­tet: «Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zep­ter erhebt sich in Isra­el.» Laut Tho­mas Mar­kus Mei­er wird die­ser Bezug häu­fig über­se­hen.

Der Blick in den Himmel

Die deut­sche Ein­heits­über­set­zung hält in einer Fuss­no­te fest: «Das mit ‚Stern­deu­ter’ über­setz­te grie­chi­sche Wort ‚magoi’ bezeich­ne­te zunächst die Mit­glie­der einer per­si­schen Prie­ster­ka­ste, die sich mit Stern­kun­de und Astro­lo­gie befass­te, sodann all­ge­mein baby­lo­ni­sche und son­sti­ge Astro­lo­gen.» Aus die­ser Erklä­rung lässt sich schlies­sen, dass Astro­no­mie und Astro­lo­gie eine gemein­sa­me Wis­sen­schaft bil­de­ten. Am Anfang bei­der stand der Blick in den Him­mel.

Das Geburts­ho­ro­skop

Über die Jahr­hun­der­te ent­wickel­ten sich Astro­no­mie und Astro­lo­gie aus­ein­an­der. Wäh­rend die Astro­no­men immer wei­ter ins Uni­ver­sum vor­drin­gen, kon­zen­trie­ren sich die Astro­lo­gen tra­di­tio­nell auf weni­ge Him­mels­kör­per. Ein seri­ös erstell­tes Geburts­ho­ro­skop erlau­be eine dif­fe­ren­zier­te Ana­ly­se der Per­sön­lich­keit und ihrer Lebens­auf­ga­be, schreibt die Astro­lo­gin Moni­ca Kiss­ling auf ihrer Web­sei­te. Kri­ti­ker stö­ren sich aber dar­an, dass das Geburts­ho­ro­skop voll­stän­dig von Geburts­ort ‑zeit abhängt. Mit den heu­ti­gen Mög­lich­kei­ten der Geburts­hil­fe sei der Geburts­zeit­punkt doch belie­big beein­fluss­bar. Mar­kus Eicher ist Astro­lo­ge in Lenz­burg und berät Fir­men und Pri­vat­per­so­nen. Auf die Kri­tik am Geburts­ho­ro­skop ent­geg­net er: «Als Astro­lo­ge bin ich geneigt zu sagen, dass ein Kind genau dann zur Welt kommt, wie es aus höhe­rer Macht dafür geplant und geschaf­fen wur­de. So ist ein bewuss­tes Steu­ern einer Geburt bereits im Plan des unge­bo­re­nen Kin­des ent­hal­ten.» Inso­fern kön­ne aus astro­lo­gi­scher Sicht kein Ein­wand gegen ein Ein­lei­ten einer Geburt gemacht wer­den, denn Ärz­te und Heb­am­men sei­en qua­si als «Sekun­dan­ten» des über­ge­ord­ne­ten Plans eines unge­bo­re­nen Kin­des zu betrach­ten, erklärt der Astro­lo­ge.

Astro­lo­gie oder Gott?

Ger­hard Voss, der 2013 ver­stor­be­ne Bene­dik­ti­ner, war er einer der weni­gen katho­li­schen Theo­lo­gen Deutsch­lands, der sich inten­siv mit Astro­lo­gie und Horo­sko­pen beschäf­tig­te. Er räum­te zwar ein: «Die Hoff­nung mehr auf astro­lo­gi­sche Schick­sals­be­ur­tei­lun­gen als auf den einen wah­ren Gott zu set­zen, ist nach christ­li­chem Ver­ständ­nis Aber­glau­be, ein Ver­stoss gegen das Erste Gebot. […] Wer aus dem Glau­ben lebt, steht über den Ster­nen.», beton­te aber auch: «Der Ver­lust der astro­lo­gi­schen Weis­heit signa­li­siert einen Ver­lust der kos­mi­schen Dimen­si­on der christ­li­chen Bot­schaft.»

Es braucht beides

Tho­mas Mar­kus Mei­er illu­striert am Bei­spiel der Wei­sen aus dem Osten, dass es meh­re­re Kom­po­nen­ten braucht. Um zu Jesus zu gelan­gen, muss­ten die Stern­deu­ter ihre Umge­bung auf­merk­sam beob­ach­ten. Jedoch kamen sie mit dem Stern nur bis Jeru­sa­lem, zu König Hero­des. Die­ser liess die Schrift­ge­lehr­ten kom­men. Die zitier­ten die Pro­phe­zei­ung aus dem Alten Testa­ment «Du, Bet­le­hem im Gebiet von Juda, bist kei­nes­wegs die unbe­deu­tend­ste unter den füh­ren­den Städ­ten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst her­vor­ge­hen, der Hirt mei­nes Vol­kes Isra­el.» (Mt 2,6) Erst das Zusam­men­spiel von Astro­no­mie, Astro­lo­gie und der Hei­li­gen Schrift brach­te die Wei­sen zu Jesus.
Marie-Christine Andres Schürch
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