Sechzehn Jahre tat Stefanus Wolo Itu als Kaplan und Pfarrer auf der Insel Flores, Indonesien, Dienst. Dann: ein Neuanfang. Als Missionar kam er in die Schweiz. Nun wirkt er im Seelsorgeverband Eiken-Stein und fühlt sich sichtlich wohl.Nach seinem Alter gefragt, lächelt Stefanus Wolo Itu. «Mit 48 Jahren fühle ich mich hier als sehr junger Priester. In meiner Heimat auf der Insel Flores gibt es viel mehr junge Priester, da bin ich eher im mittleren Alter.» Auf der Karte zeigt er, welche der rund 13 600 indonesischen Inseln Flores ist. «Blume» tauften portugiesische Händler die schlangenförmige Insel. Diese Händler waren es auch, die den christlichen Glauben brachten. 90 Prozent der Inselbewohner sind katholisch, obwohl die Katholiken an der Gesamtbevölkerung Indonesiens grade mal drei Prozent ausmachen; die Mehrheit ist muslimischen Glaubens. Flores ist katholische Diaspora, die restlichen Einwohner sind Muslime oder reformierte Christen. «Doch wir haben eine Regel in Flores: Erst kommt das Blut, dann die Religion», sagt Stefanus Wolo Itu. «Wir leben gemeinsam, sind eine Familie. Wenn die katholischen Menschen ein Fest feiern, kommen die muslimischen Verwandten und helfen und andersherum.» Es sei zwar manchmal schwer, wenn Christen auf einer anderen Insel in einem muslimischen Gebiet eine neue Kirche bauen wollten, doch es sei möglich. Und es gebe umgekehrt auch Moscheen in christlichen Gebieten. Vorsichtig müsse man bei radikalen Predigern sein. Alles in allem sei das Zusammenleben der Religionen in Flores friedlich.
Priester mit Trompete
Geboren 1967, aufgewachsen in einer grossen Familie als jüngster von insgesamt neun Kindern, lernte er den katholischen Glauben über seinen Vater kennen. Der Kleinbauer arbeitete nebenher als freiwilliger katholischer Religionslehrer. Nicht an einer Schule, sondern er besuchte Familien in der Nachbarschaft und brachte ihnen die Grundgebete der Kirche bei: Das Vater Unser, das Glaubensbekenntnis und das Ave Maria. Kamen Priester in die Gemeinde, half der Vater. Ein aufregendes Ereignis, waren die Besuche der Priester für die Kinder. «Ein Priester zum Beispiel kündigte sich schon von weither mit einer Trompete an. Wir Kinder rannten dann zu ihm und trugen seine Sachen», Stefanus Wolo Itu zeigt auf die Hügelkette jenseits des Pfarrhauses und grinst. «Stellen Sie sich das hier mal vor, ein Priester kommt über die Hügel von Schupfart nach Eiken. Mit einer Trompete.» Der Wunsch, Priester zu werden entstand bereits in Kinderjahren. «Priester und Missionare konnten in fremde Länder reisen. Nach Amerika oder Europa. Ein Polizist oder Lehrer hatte diese Möglichkeiten nicht. Und die Seminaristen waren in allem die besten. Sie hatten den besten Sport, die beste Musik, die beste Schule», schwärmt Stefanus Wolo Itu. Er verbrachte den grössten Teil seiner Jugendzeit ebenfalls bei den Seminaristen, empfand Sympathie für deren Weg. Er wollte Priester werden.
Junge Kirche
Am 3. September 1997 wurde er, 30-jährig, zum Priester geweiht. Die Zahlen, die er nennt, erscheinen für hiesige Verhältnisse unglaublich: Sein Priesterkurs bestand aus rund dreissig Männern, weitere neun Männer wurden gemeinsam mit ihm geweiht. Unglaublich auch die Zahlen der Täuflinge oder Erstkommunionkinder in grösseren Pfarreien. Da kommen pro Halbjahr schon mal bis zu sechzig Täuflinge in die Kirche. Die Kirche in Indonesien, so erzählt Stefanus Wolo Itu, sei eine vergleichsweise junge Kirche: 1808 kam der erste apostolische Präfekt und Priester ins heutige Jakarta, 1842 wurde das apostolische Vikariat gegründet, Indonesien damit an die Weltkirche angeschlossen. Die erste Ordensfrau kam 1856. «Grade aus der katholischen Diaspora Flores entsenden wir jedes Jahr viele Priester und Ordensleute in die Welt. Nach Europa, Amerika, Afrika, Australien und Russland», sagt Stefanus Wolo Itu mit Stolz. Weitere sechs Missions- und Weltpriester versehen im Moment ihren Dienst im Bistum Basel. Die enge Verbindung in die Schweiz erklärt sich durch die Tätigkeit eines Steyler Missionars. 1977 ging Pater Ernst Waser aus Oberdorf bei Stans nach Flores. Er baute Schulen, Strassen, Spitäler, Kirchen und Trinkwasserleitungen. Er machte sich zudem um den Religionsfrieden verdient. Und: er brachte den indonesischen Christen den Heiligen Bruder Klaus nahe.
Herausforderungen
Und die Unterschiede zwischen der katholischen Kirche in Flores und der in der Schweiz? «Unsere Kirche ist eine sehr lebendige Kirche. Wir singen und tanzen in unseren Gottesdienste. Oder es gibt Applaus, wenn ein Liturge einen guten Gottesdienst hält. Das ist hier anders», formuliert Stefanus Wolo Itu mit bedächtigen Worten. Die Kirche in der Schweiz erlebt er als zurückhaltend; das sieht er in den kulturellen Unterschieden begründet. Und sonst? Ob er Heimweh habe? «Am Anfang ja. Nach der Familie, den Verwandten. Doch jetzt finde ich hier eine neue Familie. Die Menschen sind offen und herzlich. Ich fühle mich wohl und ich will länger bleiben, als drei oder vier Jahre», sagt Stefanus Wolo Itu mit breitem Lächeln. Er erfreut sich an der guten Zusammenarbeit mit den Kirchenpflegen, dem Seelsorgeteam mit dem Ehepaar Kessler und Pfarradministrator Alexander Pasalidi und dem weiteren Pfarreipersonal. Und: Alles hier sei moderner. «Kleinbauer-Sein in Indonesien ist etwas anderes als das Kleinbauer-Sein in der Schweiz. Und ich arbeite viel mehr mit dem Computer, als in meiner Heimat», stellt Stefanus Wolo Itu fest. Auch die Infrastruktur ist anders, vieles ist viel näher. Die Post, der öffentliche Nahverkehr, es ist alles in direkter Nachbarschaft. In Indonesien sei er manches Mal bis zu acht Stunden zu Fuss unterwegs gewesen. Als grosse Herausforderung empfindet er, der immer wieder nach Worten tastet, die Sprache. Seit November 2013 ist er in deutschsprachigen Landen. Erst in Sankt Augustin in Deutschland im Haus der Steyler Missionare, dann seit dem 1. Dezember 2014 in Eiken. «Hochdeutsch ist die schwerste Sprache. Es ist die Sprache vom Kopf. Und das Schwiitzerdütsch ist wieder ganz anders. Doch das ist die Sprache des Herzens», erklärt er.