«Die Rede von Dämonen hat mit Vernichtungserfahrungen zu tun»
- In einem perÂsönÂlichen RückÂblick schaute der emerÂiÂtierte WeiÂhÂbischof MarÂtin Gächter zurück auf 30 Jahre im Heilungs- und BefreiungsÂdiÂenst des BisÂtums Basel.
- Gächter sprach über seine ErfahrunÂgen mit MenÂschen, die von DämoÂnen geplagt oder sogÂar vom Teufel besessen waren.
- Luzia SutÂter Rehmann, ProÂfesÂsorin für Neues TesÂtaÂment an der UniÂverÂsität Basel, hat in ihrem jüngÂsten Buch bibÂlisÂche Texte nach DämoÂnen, GeisÂtern und Satan durchÂforscht. Ihrer Ansicht nach gibt es keine DämoÂnen – wohl aber die WirkunÂgen von Gewalt, VerÂbitÂterung und VerÂletÂzung.
Luzia SutÂter Rehmann ist reformiert und hat evanÂgeÂlisÂche TheÂoloÂgie studiert. Weil es in ihrer KonÂfesÂsion keine offizielle Lehre zu DämoÂnen und Teufel gebe, sei ihr Denken nicht von einÂer LehrmeiÂnÂung geprägt, erkÂlärt die TheÂoloÂgin auf Anfrage von «HorÂiÂzonte». Sie folge dem Appell, sich mit einÂer Frage auseinanÂderzusetÂzen und darüber nachzuÂdenken.
In ihrem neusten Buch über DämoÂnen und unreine GeisÂter hat SutÂter Rehmann die EvanÂgelien auf dem HinÂterÂgrund von Krieg, VertreiÂbung und TrauÂma geleÂsen. In der EinÂführung fragt sie: «Gibt es DämoÂnen? Gibt es einen Teufel, Drachen, UngeÂheuer? Gibt es Engel? Existiert Gott?»
Die Bibel erzählt, dass Jesus Frauen, MänÂner und sogÂar Kinder von «unreinen GeisÂtern» befreÂite. Es waren besonÂders diese »DämoÂneÂnausÂtreiÂbunÂgen«, die seinen Ruf als HeilsÂbringer begrünÂdeÂten. SutÂter Rehmann will wisÂsen, was in diesen GeschichtÂen genau gemeint ist. Sie stellt diese GeschichtÂen in den KonÂtext des jüdisch-römisÂchen Krieges und erschliesst sie befreiungsÂtheÂolÂoÂgisch. Die Autorin hat die bibÂlisÂchen Texte auch GrundÂlage des HebräisÂchen und GriechisÂchen gründlich erforscht. Zudem habe sie die Texte auf dem HinÂterÂgrund ihrer ZeitÂgeschichte, mit archäolÂoÂgisÂchen FunÂden und poliÂtisÂchen EreignisÂsen zusamÂmenÂgeÂleÂsen, erkÂlärt sie. So ist SutÂter Rehmann beispielÂsweise dem AusÂdruck «Satanas» nachgeÂganÂgen, der im Alten TesÂtaÂment nur in junÂgen TexÂten vorkommt. Ihre wichtigÂste ErkenÂntÂnis fasst sie so zusamÂmen: «Je mehr FremdÂherrschaft und Kriege im Land, desto mehr kommt die Rede von Satan auf. Satan bedeutet der GegÂnÂer und ist der Begriff für Feind, Ankläger, VerÂleumder. Dies muss man nicht metaÂphÂysisch lesen, vielmehr poliÂtisch und sozial.»
Im Neuen TesÂtaÂment kommt nach ErkenÂntÂnisÂsen der Autorin die Rede von DämoÂnen hinzu. Auch hier gelte, dass die festÂgestellte grosse DämoÂnenÂdichte mit VerÂnichÂtungserÂfahrunÂgen, mit den KriegsÂjahren, zu tun habe. Die EvanÂgelien wurÂden nämÂlich kurz nach dem römisch-jüdisÂchen Krieg geschrieben. Luzia SutÂter Rehmann hält fest: «Was DämoÂnen sind, ist schwierig zu sagen. Der Begriff ist eine Chiffre, die auf etwas Ungutes hinÂweist, auf etwas UnsäglichÂes, einen TodessÂchatÂten, der LebenÂskraft raubt, bedrückt, quält.» Die Bibel sei sehr vorÂsichtig mit AusÂsagen wie «Es gibt DämoÂnen», erkÂlärt sie, denn das hiesse ja, dass Gott diese geschafÂfen haben müsste. Davon finde sich aber nichts in SchöpÂfungÂsÂtexÂten. «Gott hat keine TodessÂchatÂten geschafÂfen. Sie entsteÂhen da, wo Hass und Gewalt herrscht. MeinÂer Ansicht nach gibt es keine DämoÂnen — wohl aber die WirkunÂgen von Gewalt und Unrecht, VerÂbitÂterung und VerÂletÂzung.»
Luzia SutÂter Rehmann ist TitÂuÂlarproÂfesÂsorin für Neues TesÂtaÂment an der theÂolÂoÂgisÂchen Fakultät der UniÂverÂsität Basel und ordinierte reformierte PfarÂrerin. Die 64-Jährige ist zudem ÜberÂsetÂzerin des LukaÂseÂvanÂgeliÂums für die Bibel in gerechter Sprache. SchwÂerÂpunkÂte ihrer Arbeit sind femÂiÂnisÂtisÂche BefreiungsÂtheÂoloÂgie und Sozialgeschichte des Neuen TesÂtaÂments. ZusamÂmen mit der TheÂoloÂgin Ulrike MetÂterÂnich betreibt sie den PodÂcast «FemÂiÂnisÂtisÂche BibelgeÂspräche». Ihr Buch «DämoÂnen und unreine GeisÂter. Die EvanÂgelien, geleÂsen auf dem HinÂterÂgrund von Krieg, VertreiÂbung und TrauÂma.» ist im Mai 2023 erschienen.
Hier geht es zum RückÂblick von MarÂtin Gächter auf 30 Jahre im Heilungs- und BefreiungsÂdiÂenst des BisÂtums Basel