Die Men­schen set­zen ihre Gren­zen selber

Im Bei­sein von Regie­rungs­rat Alex Hür­ze­l­er und Pro­mi­nenz aus Kir­che und Poli­tik fei­er­te am Mitt­woch­abend, 6. August 2014, das Vere­na-Spiel in Bad Zurz­ach Pre­mie­re. Das Stück wird an 20 Spiel­ta­gen noch bis am 6. Sep­tem­ber vor der beein­drucken­den Kulis­se der Kirch­li­buck­ka­pel­le gespielt. 40 Per­so­nen, dar­un­ter Pri­mar­schü­ler, Jugend­li­che und Erwach­se­ne samt Ver­tre­tern der Gross­el­tern­ge­nera­ti­on ste­hen für einen bun­ten Thea­ter­abend gemein­sam auf der Bühne.«Thea­ter ist immer auch ein Ereig­nis, bis zu einem gewis­sen Grad ein Wun­der», ver­spricht Regis­seur Han­nes Leo Mei­er bei der Begrüs­sung der Pre­mie­ren­gä­ste auf dem Kirch­li­buck in Bad Zurz­ach. «Was ist mei­ne Bestim­mung?» und: «Wo lie­gen die Gren­zen?» böten als Grund­fra­ge immer wie­der Ori­en­tie­rung im moder­nen Mira­kel­stück um Bad Zurzachs Hei­li­ge. Vere­na selbst, um die es eigent­lich geht, bleibt geheim­nis­voll im Hin­ter­grund, sagen­haf­te Erin­ne­rung, ange­zwei­fel­te Wun­der­fan­ta­sie im Kopf eines jun­gen Kna­ben, der selbst gern ein Hei­li­ger wäre.War­ten auf den Asylentscheid Facet­ten­reich spinnt sich über zwei Stun­den eine aus vie­len Hand­lungs­strän­gen geknüpf­te Geschich­te zusam­men, die letzt­lich dar­an erin­nert, dass auch die Vere­na-Legen­de noch heu­te bri­san­te und aktu­el­le The­men behan­delt: Flücht­lings­elend, Ras­sis­mus, die Suche nach der eige­nen Bestim­mung im Leben, der Kampf um den eige­nen Glau­ben, den Platz im Leben, ohne zu ver­zwei­feln. «Von sich aus ist nichts begrenzt, wir Men­schen machen die Gren­zen selbst», meint der Asyl­be­wer­ber Dani­el, gespielt von Omar Akbarzada, gegen­über der jun­gen Sozio­lo­gie­stu­den­tin Asma (Ami­na Abdul­ka­dir), die eine Stu­di­en­ar­beit im Durch­gangs­heim schreibt, wo sich Dani­el seit drei Jah­ren auf­hält und dar­auf war­tet, dass über sein Asyl­ge­such end­lich ent­schie­den wird. Die bei­den ver­lie­ben sich inein­an­der, der Ent­scheid über den Asyl­an­trag trifft ein: Er ist abschlä­gig.Gefan­gen in den eige­nen Wünschen Flight Atten­dant Jackie (Jes­si­ca Oesch­ger) träumt von einer Model­kar­rie­re. Im Weg ste­hen der bild­hüb­schen Frau ihre Selbst­zwei­fel und Äng­ste. «Mei­ne Brü­ste sind zu gross, mei­ne Bei­ne sind nicht grad», jam­mert die jun­ge Frau bei einem Schön­heits­chir­ur­gen, der letzt­lich nichts ope­rie­ren kann, weil es nichts zu ope­rie­ren gibt. Jackies Freun­din Han­na (Sybil­le Sut­ter) pla­gen der­weil ande­re Sor­gen. Sie möch­te von ihrem Freund Gabri­el (Lukas Wop­mann) schwan­ger wer­den, doch es klappt ein­fach nicht. Han­nas Frau­en­ärz­tin beschei­nigt ihr, es sei alles in Ord­nung, die ver­dreh­te Lebens­be­ra­te­rin Rea Fischer ver­sucht der ver­zwei­fel­te Frau mit aller­lei eso­te­ri­schen Prak­ti­ken und Ritua­len Ori­en­tie­rung und Halt zu geben. «Was ist denn unse­re Bestim­mung auf die­sem Pla­ne­ten?», klagt Han­na. Es hies­se doch: «Seid frucht­bar und meh­ret euch.» Sie jeden­falls wis­se nichts Geschei­te­res. Da erhält sie von ihrem lang­jäh­ri­gen Freund einen zehn Sei­ten lan­gen Brief, in dem die­ser erklärt, er sehe sei­ne per­sön­li­che Bestim­mung in der per­sön­li­chen Frei­heit.Wahr, obschon nie passiert Als ob die Schick­sa­le der drei Frau­en nicht schon genug her­gä­be, sor­gen im Städt­chen Zurz­ach aller­lei wei­te­re Ereig­nis­se für Auf­se­hen. Die Vere­na-Sta­tue auf der Brücke soll einem Kna­ben zug­blin­zelt haben. Spä­ter wird die Sta­tue ver­schmiert vor­ge­fun­den, bevor sie gänz­lich ver­schwin­det. Ver­däch­tigt wer­den natür­lich die Asyl­be­wer­ber. Die gan­ze Auf­re­gung geschieht nur weni­ge Tage vor dem Vere­na-Tag, an wel­chem ein neu­es Vere­na-Spiel urauf­ge­führt wer­den soll. Ein Stück, das zeigt, wie Geschichts­klit­te­rung im 9. Jahr­hun­dert zur Ent­ste­hung der Vere­na-Legen­de führ­te. «Ein Stück über die Hei­li­ge Vere­na, und die glau­ben doch gar nicht dar­an. Das ist nicht kor­rekt», jam­mert eine gläu­bi­ge Zurz­a­che­rin mit ita­lie­ni­schen Wur­zeln. «Es hat schon immer Sachen gege­ben, die wahr sind, obschon sie nie pas­siert sind», ermahnt Pfar­rer Schau­fel­bühl die Leu­te, als die Situa­ti­on nach einem Vor­fall in der Asyl­un­ter­kunft aus dem Ruder zu lau­fen droht.Legen­de als ste­ti­ger Bezugspunkt Die Hei­li­ge Vere­na, eine kop­ti­sche Chri­stin, die der Lege­ne nach im 4. Jahr­hun­dert mit der sagen­haf­ten the­bäi­schen Legi­on in die Schweiz gelangt und dort erle­ben muss, wie ihr Mann auf­grund sei­nes Glau­bens getö­tet wird. Die Frau wird zur Frem­den, zum Flücht­ling, fin­det auf ihrem Weg von Solo­thurn nach Zurz­ach zu ihrer Bestim­mung als Ere­mi­tin und Hei­le­rin. Vere­nas Geist schwebt über all den ver­schie­de­nen Hand­lungs­strän­gen, die teils zu Ende erzählt, sich teils aber auch ein­fach im gros­sen Tru­bel ver­lie­ren, der sich auf Ende des Stücks hin zuspitzt. Im Rin­gen um Dich­tung und Wahr­heit, um Schuld und Unschuld, um Glau­ben und Aber­glau­ben spie­gelt sich Vere­na plötz­lich im Schick­sal einer der jun­gen Frau­en, die mit ihrem Leben hadern und her­aus­ge­for­dert wer­den. Anspie­lun­gen auf ver­schie­de­ne Ele­men­te der Legen­de sor­gen immer wie­der für Bezugs­punk­te, so bei­spiels­wei­se die sagen­haf­te Geschich­te um den ver­schwun­de­nen Ring. Nach zwei Stun­den ent­lässt das Stück von Han­nes Glar­ner die Besu­che­rin­nen und Besu­cher in den Abend und regt an, die ein­gangs erwähn­ten Grund­fra­gen wei­ter zu ver­tie­fen. Auch wenn der Schluss etwas plötz­lich kommt, man­ches nicht zu Ende gespielt wird: Regis­suer Han­nes Leo Mei­er bie­tet mit sei­ner 40-köp­fi­gen Trup­pe einen tem­po­rei­chen Thea­ter­abend, der von Live­mu­sik aus der Feder des Aar­au­er Kom­po­ni­sten Rafa­el Bai­er unter­malt wird. Rocki­ges ver­mischt sich mit Ori­en­ta­lisch-Sphä­ri­schem zu einem beson­de­ren Klang­tep­pich.Andre­as C. Müller 
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben