Die Kir­che im Dorf

Die Finan­zen? Schrump­fen. Der Per­so­nal­pool? Schrumpft schnel­ler. Ehren­amt­ler? Immer schwe­rer zu fin­den. Wer meint, Kir­che funk­tio­nie­re end­los in bekann­ter Wei­se, könn­te über­rascht wer­den. Es ist Zeit, tätig zu werden.Kurt Koch, ehe­ma­li­ger Bischof von Basel, setz­te mit Blick auf die Ent­wick­lung im Jahr 2006 den Pasto­ra­len Ent­wick­lungs­plan (PEP) in Kraft. Schritt eins. Schritt zwei: Bischof Felix setzt den Weg fort; es wer­den die struk­tu­rel­len Vor­aus­set­zun­gen für die Umset­zung und Erar­bei­tung der Pasto­ral­kon­zep­te geschaf­fen. Das heisst zum Bei­spiel: Pasto­ral­raum­bil­dung und damit die Ver­tei­lung von Per­so­nal auf bestimm­te Gebie­te. Im Aar­gau umfasst ein Pasto­ral­raum schnell meh­re­re Dör­fer, denn immer weni­ger Seel­sor­ger sind für gleich­blei­bend vie­le Pfar­rei­en zustän­dig.Such­pro­zess vor OrtMan­gel­ver­wal­tung ist ein Vor­wurf an das Kon­zept, die Aus­höh­lung des staats­kir­chen­recht­li­chen Systems ein ande­rer. Dass es berech­tig­te Kri­tik­punk­te gibt und man­che Ideen aus der Anfangs­pha­se mitt­ler­wei­le über­ar­bei­tungs­be­dürf­tig sind, gibt Tobi­as Font­ein, Bis­tums­re­gio­nal­ver­ant­wort­li­cher der Bis­tums­re­gi­on Sankt Urs, unum­wun­den zu. Der Pro­zess an sich steht trotz vie­ler Dis­kus­sio­nen nicht zur Debat­te. «Kri­ti­sie­ren ist immer ein­fach. PEP wur­de gründ­lich dis­ku­tiert. Zugleich bleibt der Ein­druck, es ist ein Top-Down Pro­zess in dem wich­ti­ge Stim­men wie die Kir­chen­pfle­gen und Lan­des­kir­chen zu wenig gehört wur­den», schreibt Clau­dia Men­nen von Bil­dung und Prop­stei auf Anfra­ge. Bern­hard Lind­ner, von Bil­dung und Prop­stei, plä­diert für einen «Such­pro­zess vor Ort», an der Basis. Die spürt die Aus­wir­kun­gen; je länd­li­cher, desto mehr. Hier ein Got­tes­dienst, der weg­fällt; dort ein Seel­sor­ger der nicht am Ort son­dern zwei Dör­fer wei­ter wohnt und man­cher­orts Stel­len, die nur mit Aus­hilfs­seel­sor­gern besetzt wer­den oder dau­er­haft vakant blei­ben. Die Kir­che ver­schwin­det und lässt die­je­ni­gen, denen Kir­che über­haupt noch wich­tig ist, rat­los zurück.Ermu­ti­gung, Kir­che zu seinDie klei­nen Orte und Pfar­rei­en inner­halb eines Pasto­ral­rau­mes nennt das Bis­tum Nah­räu­me. Ein Begriff, den Bern­hard Lind­ner ungern ver­wen­det: «Nah­raum­pa­sto­ral ist ein tech­ni­scher Begriff. Im sozia­len und theo­lo­gi­schen Sin­ne geht es um die ‚Gemein­de‘. Dar­um, Kir­che dort zu leben wo die Men­schen leben.» Ein Anlie­gen, das die Arbeits­grup­pe ‚Nah­raum‘ der Aar­gau­er Pasto­ral­kon­fe­renz teilt. In einem Arbeits­pa­pier blickt sie zum Bei­spiel ennet der Gren­ze in den Thur­gau. Dort gibt es das Modell SEMA. Erfah­re­ne Frau­en und Män­ner, Lai­en, wir­ken als Seel­sor­ge­mit­ar­bei­ten­de in einem klei­nen Pen­sum in der Pasto­ral mit. Sie wer­den für die­se Auf­ga­be durch Aus­bil­dungs­mo­du­le befä­higt und sind den pasto­ra­len Lei­tungs­per­so­nen ver­ant­wort­lich. Sie sind Bezugs­per­son für ein bestimm­tes Gebiet, ken­nen die Anlie­gen der Men­schen dort, fei­ern mit ihnen und hal­ten sozu­sa­gen die Kir­che im Dorf. Gen Westen, in der Jura­pa­sto­ral, sind es die ‚Grou­pe des Veil­leurs‘, die die­sen Dienst ver­se­hen. Es gibt also funk­tio­nie­ren­de Model­le im Bis­tum, wenn sie auch teil­wei­se von Bis­tums­sei­te kri­tisch beur­teilt wer­den. Im Aar­gau wird das The­ma wahr­ge­nom­men. Bil­dung und Prop­stei ver­an­stal­te­te zwei gut­be­such­te Anläs­se. Dort wur­de gezeigt, was bereits an wert­vol­ler Pasto­ral vor Ort gelei­stet wird. Das Ziel: Ermu­ti­gung. Die Men­schen in einer Pfar­rei kön­nen mit ihren Fähig­kei­ten und Talen­ten eine leben­di­ge Kir­che bil­den. Auch wenn das im Moment noch unge­wohnt erscheint.Pasto­ra­le FantasieBern­hard Lind­ner meint: «Die Model­le geben Anre­gun­gen aber kei­ne Lösun­gen. Inso­fern plä­die­re ich für 100 Model­le im Aar­gau.» Mehr pasto­ra­le Phan­ta­sie wünscht sich auch Clau­dia Men­nen. Über­le­gun­gen gibt es vie­le: Die Öff­nung der kirch­li­chen Berufs­fel­der für Nicht-Theo­lo­gen, viel­leicht einen ganz neu­en Beruf. Tobi­as Font­ein bringt einen ande­ren Aspekt ins Spiel: «Es ist wich­tig, wie wir mit den Men­schen vor Ort spre­chen. Die Ten­denz in der Kir­che ist lei­der oft, dass wir die Men­schen und ihr Enga­ge­ment vor Ort für selbst­ver­ständ­lich hal­ten.» Die Men­schen in den Pfar­rei­en sind die leben­di­ge Kir­che. Sie wis­sen was sie brau­chen, um die Kir­che im Dorf zu hal­ten. In Zusam­men­ar­beit mit den Haupt­amt­li­chen, von unten nach oben; viel­leicht mit Aar­gau­er Wegen.Anne Burgmer
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