«Die Kir­che hat bei ihren Gläu­bi­gen ausgeharrt»

Bischof Boh­dan Dzy­urakh hat die Mai­dan-Pro­te­ste in der Ukrai­ne mit­er­lebt und sich mit sei­ner Kir­che auf die Sei­te der Demon­stran­ten geschla­gen. Im Inter­view mit Hori­zon­te berich­tet er von den dama­li­gen Erfah­run­gen und äus­sert sich zur Situa­ti­on im Osten des Lan­des, wo ein bewaff­ne­ter Kon­flikt noch immer die Men­schen in Atem hält.Bischof Boh­dan, Sie haben in den letz­ten Wochen ver­schie­de­ne Pfar­rei­en in der Schweiz besucht und über die Situa­ti­on in der Ukrai­ne berich­tet. Was wün­schen Sie sich von ihren Schwe­stern und Brü­dern im Glau­ben hier in der Schweiz? Bischof Boh­dan Dzy­urakh: Wich­ti­ger als jede mate­ri­el­le Hil­fe ist, dass der Kon­flikt in der Ukrai­ne nicht ver­ges­sen wird. Ich möch­te dazu bei­tra­gen, dass unse­re Brü­der und Schwe­stern in Euro­pa die Wahr­heit erfah­ren und erken­nen, wer Opfer und wer Aggres­sor ist. Die rus­si­sche Pro­pa­gan­da ver­sucht, den Kon­flikt als Bür­ger­krieg zu zei­gen, das ist schlicht­weg falsch.Bischof Boh­dan, Wie erle­ben Sie die Situa­ti­on im Osten der Ukrai­ne? Ich war vor einem Jahr zu Ostern an der Front, um mit den ukrai­ni­schen Sol­da­ten zu beten. Die­se ver­rich­ten ihren Dienst in der stän­di­gen Gefahr, ihr Leben zu ver­lie­ren. Denn Russ­land ent­sen­det immer wie­der neue Sol­da­ten und Waf­fen, um den Kon­flikt in Gang zu hal­ten. Eine schreck­li­che Fol­ge des Kon­flikts sind über­dies die vie­len Bin­nen­flücht­lin­ge – jene Men­schen, die aus der Ost­ukrai­ne geflüch­tet sind.Was haben Sie in der Begeg­nung mit die­sen Men­schen erlebt? Vie­le die­ser Men­schen haben alles ver­lo­ren. Beson­ders bewegt hat mich das Schick­sal der Kin­der. Ich habe mich erkun­digt, wie es ihnen geht, wel­che Hoff­nun­gen und Träu­me sie haben. Vie­le haben mir gesagt, dass sie wegen des Krie­ges kei­ne Hoff­nun­gen und Träu­me mehr hät­ten. Dies hat mich sehr betrof­fen gemacht.Die ukrai­nisch grie­chisch-katho­li­sche Kir­che wur­de ja von Russ­land stets unter­drückt. Hat es noch Prie­ster ihrer Kir­che auf der Krim­halb­in­sel und im Osten der Ukrai­ne? Ja, wir haben im Osten noch zehn, auf der Krim­halb­in­sel noch fünf Prie­ster. Offi­zi­ell ist unse­re Kir­che noch gedul­det, doch es ist für kei­nen ein Geheim­nis, dass unse­re Prie­ster stets beob­ach­tet wer­den und unter Gene­ral­ver­dacht ste­hen. Sie sol­len den ört­li­chen «Behör­den» gegen­über nicht loy­al genug sein.Ist es in die­sem Zusam­men­hang auch schon zu Gewalt­ak­ten gegen Geist­li­che gekom­men? Ja, ver­schie­dent­lich. Eini­ge unse­rer Prie­ster waren ver­haf­tet wor­den, die ande­ren muss­ten das Kriegs­ge­biet ver­las­sen. Es gab auch Demon­stra­tio­nen gegen unse­re Kir­che im besetz­ten Donet­sk. Aktu­ell ist die Situa­ti­on sta­bil, aber von der Nor­ma­li­tät weit ent­fernt.Als Gene­ral­se­kre­tär der Bischofs­kon­fe­renz ihrer Kir­che sind sie in Kiew sta­tio­niert und haben dort die Mai­dan-Pro­te­ste mit­er­lebt. Das ist rich­tig. Hun­dert­tau­sen­de haben auf dem Mai­dan fried­lich demon­striert. An eini­gen Tagen kamen über eine Mil­li­on Demon­stran­ten. Unse­re Kir­che hat die­se Men­schen unter­stützt. Sie müs­sen sich vor­stel­len, im Win­ter ist es in der Ukrai­ne bit­ter­kalt. Wir haben unse­re Kir­chen für die Akti­vi­sten geöff­net, ihnen Unter­schlupf und war­mes Essen zur Ver­fü­gung gestellt. Vor allem aber wur­de auf dem Mai­dan viel gebe­tet.Die Situa­ti­on ist schliess­lich gewalt­sam eska­liert. Wie hat ihre Kir­che dann reagiert? Es kam zu bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Poli­zei und über hun­dert Toten, als Prä­si­dent Janu­ko­wytsch die Pro­te­ste blu­tig nie­der­schla­gen woll­te. Als das pas­sier­te, haben die im Zen­trum von Kiew gele­ge­nen Klö­ster die Glocken läu­ten las­sen, die Demon­stran­ten vor der Poli­zei geschützt und ihnen in den Kir­chen­räu­men Unter­schlupf gewährt. Und weil die Ver­wun­de­ten nicht ins Kran­ken­haus trans­por­tiert wer­den konn­ten, haben wir dafür gesorgt, dass sie in den Kir­chen medi­zi­nisch behan­delt wer­den konn­ten. Auf die­se Wei­se wur­den die Kir­chen gewis­ser­mas­sen zum «Feld­la­za­rett», um es mit den Wor­ten von Papst Fran­zis­kus zu sagen. Jeden­falls hat die Kir­che bei Ihren Gläu­bi­gen aus­ge­harrt und deren Schick­sal geteilt. 
Andreas C. Müller
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