«Jun­ge Men­schen brau­chen eine erwach­se­ne Kirche»

  • Mau­ro-Giu­sep­pe Lepo­ri ist der Schwei­zer Gene­ral­obe­re des Zisterzienserordens.
  • Der ehe­ma­li­ge Abt von Haute­ri­ve nimmt im Auf­trag der Ordens­obe­ren an der Jugend­syn­ode in Rom teil.
  • Die Kir­che müs­se der Jugend mit der Rei­fe eines Erwach­sen bei­ste­hen, sagt Mau­ro-Giu­sep­pe Lepo­ri. Die­se Bot­schaft will der Schwei­zer in der aktu­ell lau­fen­den Syn­ode einbringen.
 Mau­ro-Giu­sep­pe Lepo­ri, was ist Ihr Bei­trag zur Syn­ode? Mau­ro-Giu­sep­pe Lepo­ri: In eini­gen Tei­len der Welt gibt es zahl­rei­che Beru­fun­gen. Vie­le jun­ge Men­schen sind Mit­glie­der unse­res Ordens in Afri­ka oder Asi­en. Die­se jun­gen Men­schen sagen es selbst: Sie wol­len mehr Unter­stüt­zung. Um die­sem Bedürf­nis gerecht zu wer­den, muss die Kir­che erwach­sen sein. Sie muss die­sen jun­gen Men­schen die Weis­heit eines Men­schen anbie­ten, der auf sei­nem Lebens­weg und in sei­ner Bezie­hung zu Chri­stus vor­an­ge­kom­men ist.Das ist im Wesent­li­chen das, was ich der Syn­ode über­mit­teln möch­te, indem ich dar­an erin­ne­re, dass die Regel des Hei­li­gen Bene­dikt das Ide­al der Rei­fe dar­stellt. Dies steht im Wider­spruch zur aktu­el­len Ten­denz zur Ver­göt­te­rung der Jugend.Ver­mag die Kir­che die­ser Ten­denz aus­zu­wei­chen? Nicht ganz. Eini­ge den­ken, dass sie jun­gen Men­schen hel­fen, indem sie sich mit ihnen jung machen, anstatt sie ins Erwach­se­nen­al­ter zu beglei­ten und zwar mit dem Ziel, ihr Leben voll Chri­stus hin­zu­ge­ben.Die Syn­ode begann am 3. Okto­ber. Was fällt Ihnen an die­sem Bischofs­tref­fen auf? Die Uni­ver­sa­li­tät. Ich begeg­ne allen Facet­ten der Kir­che, geo­gra­fisch und kul­tu­rell. Ande­rer­seits bedaue­re ich die gerin­ge Anzahl von Frau­en, ins­be­son­de­re Ordens­schwe­stern. Nur zwei oder drei Gene­ral­obe­rin­nen neh­men an der Syn­ode teil, wäh­rend es auf glo­ba­ler Ebe­ne drei­mal so vie­le Gene­ral­obe­rin­nen als Gene­ral­obe­re gibt.Ich bin auch berührt von der ein­fa­chen und täg­li­chen Anwe­sen­heit von Papst Fran­zis­kus an der Syn­ode. Er ist einer von uns, auf­merk­sam und zugäng­lich. Er for­dert uns zum «Mut zu spre­chen und zur Demut zu hören» auf. Die vier­mi­nü­ti­gen Reden fol­gen ein­an­der. Man kommt vom Hun­dert­sten zum Tau­sen­den und ich mer­ke zuwei­len, dass ich an mei­ne eige­nen Gren­zen stos­se. Zuhö­ren ist anstren­gend.«Höre, mein Sohn» sind die ersten Wor­te der Regel des Hei­li­gen Bene­dikt… So ist es. Der Abt muss auf alle hören, bevor er eine Ent­schei­dung trifft, auch auf die Jüng­sten, heisst es in der Regel. Ich habe den Ein­druck, dies wäh­rend die­ser Syn­ode inmit­ten der Kir­che zu erle­ben. Jeder teilt sich frei dem Papst mit, der zuhört und Rat­schlä­ge von allen annimmt.Was kann der Zister­zi­en­ser­or­den den jun­gen Men­schen brin­gen? Der hei­li­ge Bene­dikt bit­tet die Älte­ren, die jun­gen Men­schen zu lie­ben und die jun­gen Men­schen die Älte­ren zu ehren. So kann der Orden jun­gen Men­schen einen Ort des gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­den Wach­sens bie­ten; eine Fami­lie also, in der im vir­tu­el­len Zeit­al­ter rea­le Bezie­hun­gen ent­ste­hen; eine Welt, in der sich alle Aspek­te des Men­schen ent­fal­ten und einen Raum, der die Bezie­hung zu Gott ermög­licht.Das klö­ster­li­che Leben besteht im Wesent­li­chen dar­in, die durch die Tau­fe gege­be­ne Beru­fung zu ver­wirk­li­chen. Das heisst, die Bezie­hung zu Chri­stus zu leben und sich im Hei­li­gen Geist auf ihn ein­zu­las­sen.Das Arbeits­do­ku­ment der Syn­ode spricht von einer «Kul­tur der Unent­schlos­sen­heit», die für bestimm­te Regio­nen der Welt spe­zi­fisch sei. Bedeu­tet das, dass der unab­än­der­li­che Ent­scheid, einem Orden bei­tre­ten, nicht mehr in das Welt­bild heu­ti­ger Jugend­li­cher passt? Man stellt heu­te eine Unent­schlos­sen­heit fest, die eine län­ge­re Rei­fe­zeit erfor­dert. Das hat auch sei­ne posi­ti­ve Sei­te: Die Wahl für das Ordens­le­ben erfolgt nicht auto­ma­tisch. Es ist wich­tig, jedem die Frei­heit zu geben, sich zu bin­den oder zu gehen. Der freie Zugang ist ein wich­ti­ges Ele­ment.Wir kön­nen nicht mehr mit vor­fa­bri­zier­ten Syste­men arbei­ten, die für alle gel­ten sol­len, nach dem Sche­ma: ein Jahr Novi­zi­at, drei Jah­re zeit­li­che Pro­fess und schliess­lich die ewi­gen Gelüb­de. Man muss sich jedem anpas­sen. Das ist wahr­schein­lich Got­tes Wil­le für heute. 
Marie-Christine Andres Schürch
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