Die Hand­auf­le­ge­rin­nen von Baden

  • Von wegen Eso­te­rik: Hän­de auf­le­gen ist eine der älte­sten christ­li­chen Heil­prak­ti­ken. In der Bade­ner Seba­sti­ans­ka­pel­le prak­ti­ziert bereits seit Jah­ren eine Frau­en­grup­pe die­ses spe­zi­el­le Ritual.
  • Hori­zon­te besuch­te die Hand­auf­le­ge­rin­nen von Baden, sprach mit Men­schen, die die­ses Ange­bot in Anspruch neh­men und wag­te den Praxisversuch.
 In der Bade­ner Seba­sti­ans­ka­pel­le kann man sich ein­mal im Monat die Hän­de auf­le­gen las­sen. Betritt man zu die­sem Zweck den Andachts­raum im katho­li­schen Kir­chen­be­zirk, so ver­nimmt man lei­se medi­ta­ti­ve Musik. Fünf Frau­en haben sich im Raum ver­teilt und legen jenen, die es möch­ten, die Hän­de auf. Jedes «Paar» bleibt für etwa 20 Minu­ten zusam­men. Auch ein­mal ein kur­zes Gespräch, ein gemein­sa­mes «In sich gehen» gehört dazu. Sind alle «Plät­ze» besetzt, war­ten die Men­schen auf eigens vor­be­rei­te­ten Stüh­len beim Ein­gang.

Ener­gie tan­ken, Wär­me spü­ren und entspannen

Bei Ber­na­dette Mei­er-Michel hat soeben die näch­ste Per­son Platz genom­men. Sanft glei­ten ihre Hän­de über den Rücken und Kopf des Gegen­übers, wobei unklar bleibt, ob der Kör­per über­haupt von den Hän­den berührt wird. Die Men­schen, die Monat für Monat in die Bade­ner Seba­sti­ans­ka­pel­le kom­men, genies­sen es, hier Ener­gie zu tan­ken oder ihre Sor­gen und Beschwer­den der Behand­lung der Frau­en anzu­ver­trau­en.Bei­na­he aus jeder Alters­grup­pe betre­ten Men­schen die Kapel­le. In der Regel kom­men jeweils 10 bis 30 Per­so­nen pro Nach­mit­tag: Von der Haus­frau über den jun­gen Geschäfts­mann bis hin zur Alters­heim­be­woh­ne­rin sind alle Alters­grup­pen ver­tre­ten. Auch Herr und Frau Fischer aus Sprei­ten­bach sind gekom­men. Sie haben von dem Ange­bot in der Zei­tung gele­sen. Die bei­den sind gestan­de­ne Katho­li­ken, obgleich kei­ne regel­mäs­si­gen Got­tes­dienst­be­su­cher. «Im Alter hat man ver­schie­de­ne Gebre­chen und der Arzt fin­det nichts», erklärt Frau Fischer schmun­zelnd, war­um sie sich die Hän­de auf­le­gen lässt. «Mich beru­higt das und ich spü­re die Wär­me der Hän­de» erklärt Frau Fischer. Die Wär­me habe er auch gespürt, sagt ihr Mann, als wol­le er bestä­ti­gen, was im Grun­de ratio­nal nicht zu erklä­ren ist.

Kanal für Got­tes Kraft und Liebe

Seit 1997 besteht in Baden jeden Monat die Mög­lich­keit, sich die Hän­de auf­le­gen zu las­sen. Über­haupt: Die Tra­di­ti­on des Hän­de­auf­le­gens rei­che viel wei­ter zurück, erklärt Ber­na­dette Mei­er-Michel, wel­che die Ein­sät­ze der Frau­en in Baden koor­di­niert. «Das Hän­de­auf­le­gen ist eine der älte­sten christ­li­chen Heil­prak­ti­ken über­haupt. Womög­lich ist es eine Art elek­tro­ma­gne­ti­sche Ener­gie, die über­tra­gen wird.» Genau kön­ne sie es nicht sagen, weil das bei jeder Per­son mit der­ar­ti­gen Fähig­kei­ten anders zum Aus­druck kom­me. Jede der Frau­en habe eine ande­re Bezugs­per­son oder Quel­le in der Gei­sti­gen Welt, die um Unter­stüt­zung und Hil­fe ange­ru­fen wird. «Wir dür­fen dann das Ver­bin­dungs­glied sein — eine Art Kanal, damit Got­tes Kraft und Lie­be in Kör­per, Geist und See­le unse­rer Mit­men­schen flies­sen kann.»Ihre Bega­bung ent­deck­te Ber­na­dette Mei­er-Michel, als ihre Schwä­ge­rin im Kran­ken­haus auf der Inten­siv­sta­ti­on lag und das Pfle­ge­per­so­nal sie immer wie­der frag­te, ob sie irgend­et­was Spi­ri­tu­el­les mache. Die Über­wa­chungs­ge­rä­te wür­den stets ver­rückt spie­len, wenn sie sich im Raum befän­de, habe man ihr mit­ge­teilt. Sie habe lan­ge gebraucht, ihr Talent anzu­neh­men, erin­nert sich die bald Sieb­zig­jäh­ri­ge. Sie besuch­te Vor­trä­ge, traf Per­so­nen, die über ähn­li­che Gaben ver­fü­gen. Den Bezug zum christ­li­chen Glau­ben habe sie aber nie ver­lo­ren. In die­sem sei­en übri­gens alle Frau­en ver­wur­zelt, die in Baden Monat für Monat allen, die es wün­schen, die Hän­de auf­le­gen.

Ein nicht laut aus­ge­spro­che­ner Segen

Bevor sie mit ihrer Arbeit beginnt, stellt sich Ber­na­dette Mei­er-Michel jeweils hin­ter die bei ihr befind­li­che Per­son. «Ich rufe im Gebet Jesus und Maria an, bit­te um das gött­li­che Licht und dar­um, dass gesche­hen mag, was für die Per­son nötig ist, die sich von mir die Hän­de auf­le­gen lässt.» Dann berüh­re sie den vor sich sit­zen­den Men­schen, erklärt Ber­na­dette Mei­er Michel. «Zum Schluss hal­te ich die Hän­de über den Kopf der Per­son und bit­te um gött­li­chen Segen.» Das sage sie aber nie­mals laut, erklärt sie mit einem augen­zwin­kern­den Lächeln. «Ich mache nichts, was ich nach katho­li­scher Leh­re nicht darf.» 
Andreas C. Müller
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