
Bild: © Marie-Christine Andres
«Die Frauenfrage hat eine starke Dynamik entwickelt»
«Die Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche hat an der Synode eine Dringlichkeit bekommen», sagt Helena Jeppesen-Spuhler
Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler spricht im Interview über die Audienz der Frauen beim Papst und den Moment, der möglicherweise den Durchbruch in der Frauenfrage bedeutete.
Mit welchem Gefühl gehen Sie nach Hause?
Es waren vier intensive, historische Wochen für mich. Begegnungen und Diskussionen mit Menschen aus der ganzen Welt habe ich gerne, ich finde sie spannend und lehrreich. Das Internationale gefällt mir und ist auch ein wichtiger Teil meiner täglichen Arbeit bei Fastenaktion. So gesehen, war ich bei der Synode in meinem Element. Auch mit «Verhandlungsmarathons», wenn ich es profan formuliere, habe ich keine Mühe. Aber vier Wochen sind viel und die Belastung hoch. Weil die Frage der Rollen und Ämter der Frauen in der zweiten Hälfte der Synode so ins Zentrum rückte und ich mich in dieser Frage von Anfang an klar geäussert hatte, bekam ich viele Interviewanfragen und nahm zahlreiche Pressetermine wahr.
Helena Jeppesen-Spuhler, wie war der letzte Tag der Weltsynode?
Nach der Schweizer Pressekonferenz und einigen Interviews am frühen Sonntagmorgen feierten wir um 10 Uhr den Abschlussgottesdienst. Viele Synodale sind danach abgereist, ich selber reise heute Dienstag nach Hause.
Dann stimmt also die Aussenwahrnehmung, dass die Frauenfrage – also die Frage nach dem gleichberechtigten Zugang der Frauen zu den kirchlichen Ämtern – die zweite Hälfte der Synode dominiert hat?
Ja. Wir Synodalen haben gemerkt, dass die Studiengruppe 5, die für die Frage nach der Gleichberechtigung der Frauen zuständig war, gar nicht auf das Thema eingehen wollte. Die Begründung dafür: Der Papst habe gesagt, die Zeit sei noch nicht reif.
Das sorgte für viel Unmut unter den Synodalen. Auch ich habe reagiert und zur Versammlung gesprochen. Der Papst war im Raum, bekam diese Reaktionen mit und sorgte wohl auch dafür, dass Kardinal Fernandez, Präfekt des Glaubensdikasteriums und Leiter der Studiengruppe 5, Stellung nehmen musste. Dieser war offensichtlich überrascht, wie stark wir Synodalen uns wehrten. Die Synode hat dafür gesorgt, dass die Frauenfrage nicht versandete, was eine grosse Respektlosigkeit der Weltkirche gegenüber gewesen wäre, die das Thema aus den Befragungen klar in die Synode eingebracht hat.
Nach dem irritierenden Verhalten der Studiengruppe 5 trafen sich die an der Synode beteiligten Frauen in einer Privataudienz mit Papst Franziskus. Was haben Sie dort besprochen?
Die Audienz war schon zu Beginn der Synode abgemacht, und es war ein guter Zufall, dass sie gerade kurz nach dem Eklat in der Frauenfrage angesetzt war. Wir haben explizit alle Frauen dazu eingeladen, die in irgendeiner Form an der Synode beteiligt waren, auch die Mitarbeiterinnen des Synodenbüros und die Moderatorinnen. Wir haben uns vorbereitet und sieben Frauen aus sieben Weltregionen haben offen über ihre Erfahrungen in der Synode, ihre Ängste und Hoffnungen gesprochen. Das war stark. Es war beeindruckend, die Entwicklung zu sehen vom noch zögerlichen Reden einiger Frauen im letzten Herbst hin zu grosser Offenheit in diesem Jahr.
Und was hat das Treffen bewirkt?
Papst Franziskus hat den Frauen zugehört. Er hat gut zugehört und ich meine, dass er von ihnen gelernt hat. Dass auch Ordensfrauen in der Synode von Berufungen von Frauen als Diakonin oder Priesterin sprechen, wäre vor einem Jahr noch nicht denkbar gewesen. Das schien mir wie ein Durchbruch.
Es ist gut, dass die Synode jetzt fertig ist. Denn das Erarbeitete und Erlebte muss bei den Bischöfen und anderen Delegierten erst einmal wirken.
Die Synode hat also das Momentum genutzt, dass die Frauenfrage plötzlich so virulent war?
Absolut. Es hat sich eine starke Dynamik entwickelt, an der Frauen, aber auch Bischöfe und Kardinäle mitgewirkt haben. Die Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche hat eine Dringlichkeit bekommen und es hat sich ein Druck entwickelt. Ich habe noch immer die Hoffnung, dass es plötzlich ganz rasch geht. Frauen zum Diakonenamt zuzulassen, wäre weder abwegig noch schwierig. Dies sagt unterdesssen auch Kardinal Walter Kasper, der die Synode als Beobachter in der Aula mitverfolgt hat.
Was bleibt jetzt, nach Abschluss der Synode, zu tun?
Punkto der Frage des Zugangs der Frauen zum Diakonat haben Bischof Felix Gmür und auch andere Delegierte Kardinal Fernandez Unterlagen eingereicht. Es gibt ausreichend Argumente für das Diakonat der Frau.
Was die anderen Themen angeht, werden wir Synodalen in unseren Ländern über das Abschlussdokument informieren und die dort genannten Punkte anpacken. In der Schweiz sind wir bereit dafür. Zum Glück ist die Synodenkommission parat, wir können an der Umsetzung des Schlussdokuments zu arbeiten beginnen.
Das Dokument hat der Papst ja gleich nach den Abstimmungen anerkannt.
Das war ein überraschender und sehr positiver Schritt von Franziskus. Er hat das Dokument nach der Abstimmung mitverfolgt und die Resultate im Anschluss gleich approbiert. Der Papst hält sich an die Synode. Er geht hier mit gutem Beispiel in einer synodalen Kirche voran. In der Abschlusspredigt sagte er, wir sollen nicht sitzenbleiben in der Kirche, wir müssten rausgehen und an den Wegrändern Christus suchen und ihm begegnen.