«Die Frau­en­fra­ge hat eine star­ke Dyna­mik entwickelt»
Helena Jeppesen-Spuhler war vom 1. bis 27. Oktober zusammen mit Bischof Felix Gmür als Schweizer Synodale mit Stimmrecht an der Weltsynode in Rom. Auf dem Bild ist sie zu sehen an der Synode der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau, wo sie im Juni über ihre Erfahrungen als Synodale berichtet hatte.
Bild: © Marie-Chri­sti­ne Andres

«Die Frau­en­fra­ge hat eine star­ke Dyna­mik entwickelt»

«Die Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche hat an der Synode eine Dringlichkeit bekommen», sagt Helena Jeppesen-Spuhler

Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler spricht im Interview über die Audienz der Frauen beim Papst und den Moment, der möglicherweise den Durchbruch in der Frauenfrage bedeutete.

Mit wel­chem Gefühl gehen Sie nach Hau­se?
Es waren vier inten­si­ve, histo­ri­sche Wochen für mich. Begeg­nun­gen und Dis­kus­sio­nen mit Men­schen aus der gan­zen Welt habe ich ger­ne, ich fin­de sie span­nend und lehr­reich. Das Inter­na­tio­na­le gefällt mir und ist auch ein wich­ti­ger Teil mei­ner täg­li­chen Arbeit bei Fasten­ak­ti­on. So gese­hen, war ich bei der Syn­ode in mei­nem Ele­ment. Auch mit «Ver­hand­lungs­ma­ra­thons», wenn ich es pro­fan for­mu­lie­re, habe ich kei­ne Mühe. Aber vier Wochen sind viel und die Bela­stung hoch. Weil die Fra­ge der Rol­len und Ämter der Frau­en in der zwei­ten Hälf­te der Syn­ode so ins Zen­trum rück­te und ich mich in die­ser Fra­ge von Anfang an klar geäus­sert hat­te, bekam ich vie­le Inter­view­an­fra­gen und nahm zahl­rei­che Pres­se­ter­mi­ne wahr.

Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler, wie war der letz­te Tag der Welt­syn­ode?
Nach der Schwei­zer Pres­se­kon­fe­renz und eini­gen Inter­views am frü­hen Sonn­tag­mor­gen fei­er­ten wir um 10 Uhr den Abschluss­got­tes­dienst. Vie­le Syn­oda­le sind danach abge­reist, ich sel­ber rei­se heu­te Diens­tag nach Hause.

Dann stimmt also die Aus­sen­wahr­neh­mung, dass die Frau­en­fra­ge – also die Fra­ge nach dem gleich­be­rech­tig­ten Zugang der Frau­en zu den kirch­li­chen Ämtern – die zwei­te Hälf­te der Syn­ode domi­niert hat?
Ja. Wir Syn­oda­len haben gemerkt, dass die Stu­di­en­grup­pe 5, die für die Fra­ge nach der Gleich­be­rech­ti­gung der Frau­en zustän­dig war, gar nicht auf das The­ma ein­ge­hen woll­te. Die Begrün­dung dafür: Der Papst habe gesagt, die Zeit sei noch nicht reif.
Das sorg­te für viel Unmut unter den Syn­oda­len. Auch ich habe reagiert und zur Ver­samm­lung gespro­chen. Der Papst war im Raum, bekam die­se Reak­tio­nen mit und sorg­te wohl auch dafür, dass Kar­di­nal Fer­nan­dez, Prä­fekt des Glau­bens­dik­aste­ri­ums und Lei­ter der Stu­di­en­grup­pe 5, Stel­lung neh­men muss­te. Die­ser war offen­sicht­lich über­rascht, wie stark wir Syn­oda­len uns wehr­ten. Die Syn­ode hat dafür gesorgt, dass die Frau­en­fra­ge nicht ver­san­de­te, was eine gros­se Respekt­lo­sig­keit der Welt­kir­che gegen­über gewe­sen wäre, die das The­ma aus den Befra­gun­gen klar in die Syn­ode ein­ge­bracht hat.

Nach dem irri­tie­ren­den Ver­hal­ten der Stu­di­en­grup­pe 5 tra­fen sich die an der Syn­ode betei­lig­ten Frau­en in einer Pri­vat­au­di­enz mit Papst Fran­zis­kus. Was haben Sie dort bespro­chen?
Die Audi­enz war schon zu Beginn der Syn­ode abge­macht, und es war ein guter Zufall, dass sie gera­de kurz nach dem Eklat in der Frau­en­fra­ge ange­setzt war. Wir haben expli­zit alle Frau­en dazu ein­ge­la­den, die in irgend­ei­ner Form an der Syn­ode betei­ligt waren, auch die Mit­ar­bei­te­rin­nen des Syn­oden­bü­ros und die Mode­ra­to­rin­nen. Wir haben uns vor­be­rei­tet und sie­ben Frau­en aus sie­ben Welt­re­gio­nen haben offen über ihre Erfah­run­gen in der Syn­ode, ihre Äng­ste und Hoff­nun­gen gespro­chen. Das war stark. Es war beein­druckend, die Ent­wick­lung zu sehen vom noch zöger­li­chen Reden eini­ger Frau­en im letz­ten Herbst hin zu gros­ser Offen­heit in die­sem Jahr.

Und was hat das Tref­fen bewirkt?
Papst Fran­zis­kus hat den Frau­en zuge­hört. Er hat gut zuge­hört und ich mei­ne, dass er von ihnen gelernt hat. Dass auch Ordens­frau­en in der Syn­ode von Beru­fun­gen von Frau­en als Dia­ko­nin oder Prie­ste­rin  spre­chen, wäre vor einem Jahr noch nicht denk­bar gewe­sen. Das schien mir wie ein Durch­bruch.
Es ist gut, dass die Syn­ode jetzt fer­tig ist. Denn das Erar­bei­te­te und Erleb­te muss bei den Bischö­fen und ande­ren Dele­gier­ten erst ein­mal wirken.

Die Syn­ode hat also das Momen­tum genutzt, dass die Frau­en­fra­ge plötz­lich so viru­lent war?
Abso­lut. Es hat sich eine star­ke Dyna­mik ent­wickelt, an der Frau­en, aber auch Bischö­fe und Kar­di­nä­le mit­ge­wirkt haben. Die Gleich­be­rech­ti­gung der Frau­en in der katho­li­schen Kir­che hat eine Dring­lich­keit bekom­men und es hat sich ein Druck ent­wickelt. Ich habe noch immer die Hoff­nung, dass es plötz­lich ganz rasch geht. Frau­en zum Dia­ko­nen­amt zuzu­las­sen, wäre weder abwe­gig noch schwie­rig. Dies sagt unter­dess­sen auch Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, der die Syn­ode als Beob­ach­ter in der Aula mit­ver­folgt hat.

Was bleibt jetzt, nach Abschluss der Syn­ode, zu tun?
Punk­to der Fra­ge des Zugangs der Frau­en zum Dia­ko­nat haben Bischof Felix Gmür und auch ande­re Dele­gier­te Kar­di­nal Fer­nan­dez Unter­la­gen ein­ge­reicht. Es gibt aus­rei­chend Argu­men­te für das Dia­ko­nat der Frau.

Was die ande­ren The­men angeht, wer­den wir Syn­oda­len in unse­ren Län­dern über das Abschluss­do­ku­ment infor­mie­ren und die dort genann­ten Punk­te anpacken. In der Schweiz sind wir bereit dafür. Zum Glück ist die Syn­oden­kom­mis­si­on parat, wir kön­nen an der Umset­zung des Schluss­do­ku­ments zu arbei­ten beginnen.

Das Doku­ment hat der Papst ja gleich nach den Abstim­mun­gen aner­kannt.
Das war ein über­ra­schen­der und sehr posi­ti­ver Schritt von Fran­zis­kus. Er hat das Doku­ment nach der Abstim­mung mit­ver­folgt und die Resul­ta­te im Anschluss gleich appro­biert. Der Papst hält sich an die Syn­ode. Er geht hier mit gutem Bei­spiel in einer syn­oda­len Kir­che vor­an. In der Abschluss­pre­digt sag­te er, wir sol­len nicht sit­zen­blei­ben in der Kir­che, wir müss­ten raus­ge­hen und an den Weg­rän­dern Chri­stus suchen und ihm begegnen.

Marie-Christine Andres Schürch
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