Die Einsiedlerklause vor dem Altar
Das 600. Geburtsjahr von Niklaus von Flüe durchwirkt seit Anfang Jahr das Leben in der Pfarrei Bruder Klaus in Killwangen. Meditationen, Vorträge, Theater und Friedensweg zogen mehr als 500 Besucherinnen und Besucher an. Doch auch gegen Ende des Jubiläumsjahrs gehen den Verantwortlichen die überraschenden Ideen nicht aus.Am letzten Freitagmorgen parkierte das Lieferwägeli einer Appenzeller Schreinerei direkt vor der Kirchentür. Aus dem Laderaum hoben zwei Männer zuerst einige Werkzeuge und danach eine Ladung Holztafeln. Etwa einen halben Tag bräuchten sie, um alles in der Kirche aufzubauen, schätzten Hansueli und Peter Blattner von der Schreinerei Blattner in Hundwil. In den vergangenen vier Jahren haben die beiden Schreiner die Ausstellung schon etliche Male in Schweizer Kirchen aufgebaut.
Bruder Klaus, die Schweiz und das Evangelium
Die Wanderausstellung ist im Jahr 2013 auf Initiative von Paul Bernhard Rothen entstanden. Der reformierte Theologe ist Pfarrer im appenzellischen Hundwil, Buchautor und Referent. Ausserdem ist er Gründungsmitglied und Stiftungsrat der Stiftung Bruder Klaus. Anlass für die Entstehung der Ausstellung war die 500-jährige Mitgliedschaft des Kantons Appenzell in der Eidgenossenschaft. Bruder Klaus, das Evangelium und die Schweizer Geschichte sind die drei Themen, die in der Ausstellung wie selbstverständlich ineinanderfliessen. Denn mit seinem Vermitteln bei der Tagsatzung zu Stans im Jahr 1481 und dem daraus resultierenden «Stanser Verkommnis» legte Bruder Klaus den Grundstein für das Bündnis der Stadt- und Landorte, das sowohl der Reformation als auch der Französischen Revolution standhielt und bis heute nachwirkt.
Der Raum reichert sich an
Die Holztafeln, die Banner auf dem Boden und die schlichte Klause aus Fichtenholz fügen sich ein in den Kirchenraum mit seinen Bänken aus Weisstanne. «Die Ausstellung verändert das Erleben eines Raums, sie reichert ihn an», sagt Paul Bernhard Rothen. Der Respekt vor den historischen Personen und Ereignissen wachse bei der Beschäftigung mit Geschichte. Zuschauer und Zuhörer sollen diesen Respekt beim Lesen und Betrachten wahren, jedoch durchaus kritisch an die Dinge herangehen, findet Paul Bernhard Rothen.
Von Mauritius zu Mani Matter
Die Tafeln entlang des Mittelgangs zeigen den Weg der Schweiz hin zum Evangelium – und auch wieder davon weg. Der Weg beginnt im 3. Jahrhundert mit der Legende vom Heiligen Mauritius, der sich weigerte, den römischen Göttern zu opfern und als Märtyrer starb. Und der Weg endet vorläufig mit dem Zitat eines Liedtextes von Mani Matter aus dem Jahr 1972, der fragt: «Nei säget, sölle mir vo nüt meh andrem tröime, mir wo müesse läben i de gottvergässne Stedt…». Quer zum Mittelgang, vor der ersten Bankreihe sind Niklaus von Flües Leben und Wirken sowie sein geistiger Weg beschrieben. Zuvorderst, im Altarraum, befindet sich das Sakrale. Dort steht die Nachbildung der Klause aus der Ranftschlucht.
Die Fenster haben Symbolkraft
Den Grundriss haben Hansueli und Peter Blattner so verkleinert, so dass die Holzklause in der Killwangener Kirche exakt zwischen Taufbrunnen und Altar passt. Die Höhe, die Lage und die Grösse der Fenster und Türen sind jedoch masstabgetreu nach der Einsiedlerklause im Ranft nachgebaut. Peter Zürn, Pastoralassistent in der Seelsorgeeinheit Neuenhof-Killwangen-Spreitenbach, freut sich über das spezielle Ausstellungstück: «Die Klause steht genau richtig. Eines der Fenster geht zum Altar, während das zweite zum Kirchenraum, zum Volk gerichtet ist. Genau wie bei Bruder Klaus.» Die beiden Fenster symbolisieren Gottesliebe und Menschenliebe. Eine Klanginstallation ergänzt die Klause: durch die Holzwände ertönen Bibelworte.
«Diese Bücher gibt es nur hier»
Verteilt in den Sitzreihen klemmen Holzbretter, auf denen einfach gebundene Bücher liegen. Fotos und sorgfältig von Hand geschriebene Sätze finden sich darin. Mit diesen Büchern bringt Paul Bernhard Rothen die Perspektive Dorotheas, der Ehefrau von Bruder Klaus, in die Ausstellung ein. Alles, was wir von Dorothea von Flüe wissen, stammt vom Chronisten Hans von Waldheim. Der Zeitgenosse schildert in wenigen Zeilen eine Begegnung mit Dorothea und beschreibt sie dabei vor allem äusserlich. Deshalb liess der Ausstellungsmacher heutige Frauen Fragen beantworten, die wir Dorothea nicht mehr stellen können. In Handschrift und illustriert mit privaten Fotos, haben zwölf Frauen Antwort gegeben auf die Fragen: «Wo bin ich daheim?», «Was hat mein Leben aufgerissen und mich heimatlos gemacht?» und «Wie habe ich Frieden gefunden?». Paul Bernhard Rothen bezeichnet die berührenden Aufzeichnungen als wertvollstes Stück der Ausstellung: «Alles andere ist Sachwissen. Aber diese Bücher kann man nur vor Ort, in dieser Ausstellung anschauen.»
Die Ausstellung in der katholischen Kirche Killwangen ist bis zum ersten Advent am 3. Dezember 2017 zu sehen. Sie ist tagsüber geöffnet und der Eintritt ist kostenlos. Wer etwas spenden möchte, kann das über die Kerzenkasse tun.Weitere Anlässe zum Bruder-Klaus-Jahr in Killwangen finden Sie
hier