Der rote Faden heisst Leuggern
- Im Rahmen der Serie Priester und Diakone im Aargau porträtiert Horizonte Stefan Essig, der neu zum nicht-residierenden Domherren des Standes Aargau ernannt wird (siehe auch Zusatztext).
- Geboren in Leuggern, aufgewachsenen im benachbarten Mettauertal ist er «eine vo do», was bei den Leuten sehr gut ankommt.
- Einmal im Jahr besinnt sich der Pfarrer von Leuggern allerdings auf seinen ersterlernten Beruf und produziert Pralinés.
Manchmal fängt ein Porträt schon auf dem Weg zum Termin an: Im Zug treffe ich eine Bekannte von Stefan Essig. Sie verrät, dass der Pfarrer von Leuggern Tomaten züchte, teils seltene Sorten. Später darauf angesprochen, lacht Stefan Essig und zeigt auf die Fensterbank des Besprechungszimmers. Da stehen zwei kleine Ziehhäuser für Setzlinge. «Ja, das stimmt. Als Ausgleich zu meiner Arbeit bin ich oft im Garten oder koche. Irgendwann hat das mit den Tomaten angefangen und es gibt Abnehmer für Setzlinge», sagt Stefan Essig.
Der Glaube gab Halt in Übersee
Seit Mitte April 2001 ist der 53-Jährige in Leuggern und hat, so sagt er schmunzelnd, sicher eine der spektakulärsten Aussichten des Kantons. Der Blick aus dem Fenster schweift unverbaubar über den Klingnauer Stausee und etwas weiter rechts durchs Tal Richtung Tegerfelden. Die Kirche und das Pfarrhaus thronen hoch über dem Tal. Doch Stefan Essig, der 1996 zum Diakon und im Jahr darauf zum Priester geweiht wurde, ist schon viel länger mit Leuggern verbunden.«Wenn mich Menschen fragen, woher ich komme, kann ich sagen, ‚ich bi vo do‘», erzählt der Mann, den man sich auch als Schwinger vorstellen kann. Zwar wuchs er im benachbarten Mettauertal auf, mit zwei jüngeren Schwestern und einem älteren Bruder, doch geboren ist er tatsächlich in Leuggern. Das Spital habe ein bisschen näher gelegen als das in Laufenburg. Auch seine Ausbildung zum Bäcker-Konditor hat er im Ort, nahe der Kirche, gemacht. «Man könnte schon überlegen, ob das Fügung ist», sagt Stefan Essig und richtet seinen Blick kurz ins Unbestimmte.So verbunden er mit Leuggern ist, so frei hat sich Stefan Essig nach seiner Lehre und fünf Jahren Bäcker- und Konditorenarbeit in der Welt bewegt. Dreiviertel Jahre war er gemeinsam mit einem Kollegen im Ausland. «Erst in Australien, und dann habe ich eine Sommersaison in Neuseeland in einem Hotel gearbeitet. Mein Bruder war dort tätig und die Chance habe ich mir nicht entgehen lassen. Es war eine super Zeit», erinnert sich Stefan Essig. Der Glaube habe ihm da in den Heimwehphasen Halt gegeben und geholfen.
Theologie-Studium ohne Matura in Einsiedeln
Der Entscheid, Theologie zu studieren und dann Priester zu werden, sei mit der Zeit gewachsen. «Es gibt nicht das eine spektakuläre Berufungserlebnis», sagt Stefan Essig gelassen. Daheim sei zu Tisch gebetet worden und der Gottesdienstbesuch am Sonntag habe nicht zur Debatte gestanden. Nach seiner Rückkehr aus Neuseeland sei der Stein irgendwie ins Rollen gekommen. «Ich fuhr nach einem Hinweis unserer Gemeindeschwester mit einer Jugendgruppe auf eine Pilgerfahrt nach Lourdes. Vor allem, um noch mehr zu sehen. Dass wir gebetet haben, habe ich einfach mitgenommen. Doch daheim war das dann wieder wie passé. Als ich zwei Jahre später allerdings nochmals auf eine solche Reise ging, war dort jemand dabei, der die KV gemacht hatte und dann in Heiligenkreuz bei Wien ohne Matura Theologie studierte», erzählt Stefan Essig.Vom damaligen Leiter der Informationsstelle Kirchliche Berufe, Ernst Heller, bekam er einen Hinweis: In Chur sei es möglich, ohne Matura Theologie zu studieren, ebenso in Einsiedeln. Stefan Essig müsse mit dem Regens sprechen. Für Einsiedeln gab der seine Zustimmung, nicht aber für Chur. «Also ging ich nach Einsiedeln und wagte es. Ich holte am Stiftsgymnasium Philosophie und Geschichte nach und dann wuchs nach und nach mein Berufswunsch», beschreibt Stefan Essig. 1994 ging er für die Fächer Homiletik und Katechetik nach Luzern, startete 1995 die Berufseinführung und blieb für diese und die erste Vikarzeit bis 2001 am Mutschellen; danach führte es ihn an seinen Geburtstort zurück.
«Die Kirche, wie es sie früher gab, das ist vorbei»
Dort ist er nun seit 18 Jahren Pfarrer und hat erlebt, wie zum Beispiel die Zahl der Gottesdienstbesucher geschrumpft ist. Es gebe schon eine gewisse Hilflosigkeit im Angesicht der Entwicklung. Andererseits hoffe er, dass im neu errichteten Pastoralraum Aare-Rhein, in dem er als Priester tätig ist, etwas von dem Schwung des Pastoralraum-Teams auch in die Pfarreien ausstrahle. Dennoch spricht er Klartext: «Ich bin nicht so pessimistisch, aber die Kirche, wie es sie früher gab, das ist vorbei».Mit seiner Berufung zum nicht-residierenden Domherrn (siehe ergänzenden Text) beginnt nun ein neues Kapitel für Stefan Essig: «Ich habe mich als erstes bei Josef Stübi in Baden erkundigt, was mich als Domherr erwartet», sagt er und erzählt auch, dass er sich über die Anfrage durch Bischof Felix Gmür gefreut habe. «Etwas Kopfzerbrechen bereiten mir die Firm-Termine, denn die Aufgaben des Domherrn mache ich ja neben meiner Pfarrertätigkeit. Aber jetzt freue mich, dass ich die Liturgie in Solothurn einfach geniessen kann», sagt Stefan Essig.
Pralinés-Produktion im Advent
Der Pfarrer von Leuggern bereut keinen Schritt auf seinem Weg. Er ist dankbar, dass er die Gelegenheit hatte für eine kurze Zeit weit über die Grenzen des Aargau zu schauen. Ob es ein Lieblingsrezept aus seiner Zeit als Bäcker-Konditor gebe? Stefan Essig lacht. «Nicht direkt ein Rezept, doch ich versuche mir in der Zeit vor Weihnachten ein Wochenende so zu organisieren, dass ich Pralinés machen kann. Letztes Jahr waren 12 Sorten und sicher gen 25 Kilogramm. Es macht mir einfach Spass und das geniesse ich.»