Der Mann des Jahres

2013 war das Jahr des Pap­stes – das Jahr der Päp­ste. Zuerst ver­set­zte am Rosen­mon­tag der sen­sa­tionelle Amtsverzicht des Deutschen Benedikt XVI. die Welt in Aufre­gung und die Medi­en in Hek­tik. Und seit der Wahl des Argen­tiniers Franziskus gehört «Papst» zu den meist­gek­lick­ten und meist­getwit­terten Begrif­f­en.

Mitte Dezem­ber wurde Franziskus vom renom­mierten «Time Mag­a­zine» zur «Per­son des Jahres» 2013 gekürt. Eine Ehrung, die genau­so schnell kam wie der Frieden­sno­bel­preis für Barack Oba­ma: Neun Monate; solange ist Franziskus im Amt. Hoff­nungsträger muss man schmieden, solange sie heiss sind – oder, wie ein Pap­stver­trauter dem Pon­tif­ex riet: «Refor­men muss man machen, solange der Peter­splatz voll ist.»

Gesten, die verän­dern
Am Abend des 13. März 2013 sprach der neue Mann an der Spitze von rund 1,2 Mil­liar­den Katho­liken von der Mit­tel­log­gia des Peters­doms sein kirch­lich­es «Yes, we can» im ein­fachen weis­sen Gewand. Bevor er die Menge seg­nen könne, sollte sie für ihn beten – schon das eine ungewöhn­liche Geste, der in den 24 Stun­den danach unzäh­lige weit­ere fol­gen soll­ten: Franziskus liess die schwarze Lim­ou­sine ste­hen, um mit den anderen Kardinälen gemein­sam den Klein­bus zum vatikanis­chen Gäste­haus zu nehmen. Am näch­sten Mor­gen, dem ersten als Papst, zahlte er per­sön­lich seine Hotel­rech­nung. Besuche in Kranken­häusern, bei Waisen, die spek­takuläre Reise auf die Flüchtlingsin­sel Lampe­dusa, Bäder in der Menge, unter Jugendlichen, Küsse und Umar­mungen für einen furcht­bar entstell­ten Kranken. Dazwis­chen: Refor­mankündi­gun­gen, Tele­fonate mit Frem­den, die ihm verzweifelte Postkarten geschrieben hat­ten. Öffentliche Reden und Worte der Ermu­ti­gung, die, anders als bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. keines­falls hohe The­olo­gie, son­dern eher prak­tis­che Seel­sorge darstellen – und direkt ins Herz tre­f­fen. Zugle­ich hal­ten seine Ansprachen denen einen Spiegel vor, die sie am lautesten loben. Denn die Appelle des Franziskus, sich den Armen zuzuwen­den und an die Rän­der der Gesellschaft zu gehen, müssen unbe­quem klin­gen in den reichen Län­dern – auch dann, wenn diese ein hoch organ­isiertes kirch­lich­es Wohlfahrtssys­tem unter­hal­ten. Mehr als ein­mal hat der Mann aus Argen­tinien bere­its gepredigt: Car­i­tas, Näch­sten­liebe, zu delegieren, reicht nicht aus. Der Einzelne und sein Tun sind gefragt.

Heiligsprechung von Gle­ich­gesin­nten
Franziskus hat Ende Sep­tem­ber die Heiligsprechung sein­er Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. angekündigt; aus­gerech­net jen­er Päp­ste des 20. Jahrhun­derts, denen er mit seinen Eigen­schaften vielle­icht am meis­ten ähnelt – und die als bis­lang einzige Päp­ste den seit 1927 vergebe­nen Titel ein­er «Per­son des Jahres» erhiel­ten. Johannes XXIII. (1958–1963) war der «Papa buono», der Gefan­gene besuchte, Witze über seine unat­trak­tive Erschei­n­ung machte und sich sel­ber riet, sich nicht so wichtig zu nehmen. Johannes Paul II. (1978–2005) war ein Star. Ein Mann der gut geset­zten Gesten, gel­ern­ter Schaus­piel­er, Meis­ter der Insze­nierung. Und ein­er, der mit slaw­is­ch­er Sturheit durch­set­zte, was er sich in seinen Kopf geset­zt hat­te. Das freilich ist noch der ungelöste Wech­sel, der in dem Hype um Franziskus und auch in Ehrun­gen wie der zur «Per­son des Jahres» steckt. Mit enormem Tem­po ist der neue Papst an die Umset­zung sein­er Pläne gegan­gen. Ein Rat von acht Kardinälen der Weltkirche arbeit­et an Vorschlä­gen für eine Reform der Römis­chen Kurie. Doch zugle­ich: Franziskus ist 77 Jahre alt. Kein Alter für einen Mann mit dieser Energie, mag man ein­wen­den – und als Beleg erneut Johannes XXIII. anführen. Der verkün­dete in genau diesem Alter die Ein­beru­fung des Zweit­en Vatikanis­chen Konzils (1962–1965), das die katholis­che Weltkirche verän­derte wie kein anderes Ereig­nis des 20. Jahrhun­derts. 

Alexan­der Brügge­mann, kipa

 

 

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Redaktion Lichtblick
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