Der gute Wille reicht nicht
- In der «Aargauer Zeitung» vom 1. Dezember 2023 erschien ein viertelseitiges Inserat mit dem Titel «Kirche muss anders werden».
- Das Inserat ist das ernüchternde Ergebnis einer überaus löblichen und lange erwarteten Aktion von über 200 kirchlich angestellten oder kirchlich engagierten Personen.
- Ein Kommentar dazu, warum eine gute Idee erst die halbe Miete ist.
Die Unterzeichnenden haben das Inserat in der Aargauer Zeitung mit ihrem Namen gezeichnet und mit eigenem Geld finanziert. Sie stehen öffentlich für diese wichtigen Forderungen ein:
Die Macht in der Kirche müsse geteilt und kontrolliert werden. Menschen, gleichgültig welchen Geschlechts, sollen auf allen Ebenen der Kirche die gleichen Rechte bekommen und mitentscheiden. Priestersein müsse für Mann oder Frau Augenhöhe bedeuten und sie sollen gemeinsam mit den Menschen unterwegs sein. Die Verpflichtung zu einer bestimmten Lebensform, etwa dem Zölibat, müsse aufgehoben werden. In gegenseitigem Respekt gelebte Sexualität solle wertgeschätzt werden. Die Kirche solle sich von den Regeln verabschieden, die dieser Auffassung widersprächen. Die Personalpolitik solle transparent sein. Vor einer Anstellung seien psychologische Abklärungen vorzunehmen.
Das Inserat wird übersehen
«Die Kirche muss anders werden!» So lautet der Titel des Inserates, das eine öffentlichkeitswirksame Reaktion aus der Basis der Kirche im Kanton Aargau auf das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle sein will. Man findet das Inserat mit seinem dezent blau hinterlegten Titel auf Seite zwölf hinter dem Wetterbericht und den Aktienkursen. Ich behaupte, viele Menschen, die sich eigentlich für die Belange der Kirche interessieren würden, haben das Inserat übersehen.
Das ist schade, denn viele kirchlich engagierte Menschen haben das Bedürfnis, sich vom systemischen Missbrauch ihrer Kirche zu distanzieren, Mitleid mit den Missbrauchsbetroffenen zu bekunden und dies laut und öffentlich zu sagen. In diesem Sinne hat die Aktion für die Unterzeichnenden eine wichtige Aufgabe erfüllt. Aber dieses Inserat ist nicht laut. Es ist zu wenig markant, überladen mit Text in zu kleiner Schrift: Das Inserat erfüllt seinen Zweck nicht, weil es nicht gesehen wird.
«Die Kirche muss anders werden!» – eine so wichtige Forderung hat es verdient, gehört zu werden. Und es ist gut, dass man sie auch medial sichtbar machen will. Aber dafür reicht der gute Wille nicht aus. Es braucht eine professionelle Umsetzung.