«Den Freiämtern was nachmachen»
Das Duale System der Römisch-Katholischen Kirche Schweiz ist einzigartig. Es erlaubt demokratische Mitbestimmung in einer Institution, die streng hierarchisch aufgebaut ist. Nach Kirchenpflege und Kirchenrat stellt Horizonte nun die Synode, das Kirchenparlament, vor.Bevor sich die Synode im Grossratssaal in Aarau zusammenfindet, fliesst viel Wasser durch die Aargauer Flüsse. Und es geschieht Vorarbeit: damit an der Synode nicht jedes Geschäft ausführlich und en Detail diskutiert werden muss gibt es die Vorsynoden. Je eine für die Region Aarau, Baden, Freiamt und Fricktal. Die Freiämter Synodalen trafen sich im Vorfeld der diesjährigen Frühjahrssynode in Boswil.
Untypische Vorsynode
Vor dem Geschäftlichen gibt es Kulturelles: ein Steinmuseum und ein Bonsaigarten werden im Vorprogramm erkundet. «Wenn man in fast jedem Ort im Freiamt schon zu einer Vorsynode war, dann kennt man die Kirchen. Schön, dass es mal etwas anderes zum angucken gibt», freut sich ein Anwesender. Später im Pfarrsaal ist Blätterrascheln lange Zeit das einzige Geräusch. Rund vierzig Synodale aus dem Dekanat Freiamt haben sich versammelt, um die Geschäfte durchzugehen, die an der Frühjahrssynode in Aarau auf der Traktandenliste stehen. Die Synodalen sind sich dabei ihrer Verantwortung für die Geschäfte der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau bewusst, geht es doch um Verwendung von Finanzmitteln im zweistelligen Millionenbereich. Diese Mittelverwendungen werden sehr genau analysiert. «An den Vorsynoden kann es hoch zu und her gehen», meint Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau, und präzisiert später am Ende des Treffens erstaunt: «Das war jetzt keine typische Vorsynode.» Nur eine Stunde hat der Durchgang der Traktanden gedauert, vereinzelt gab es Rückfragen, grosse Diskussionen blieben aus. Das geht auch anders: «Das neue Personalreglement hat mehr zu reden gegeben. Auch an der eigentlichen Synode», erzählt Madeleine Sennrich Köpfli, Kirchpflegerin in Muri. Sie ist im fünften Jahr Mitglied der Synode und mittlerweile in der Geschäftsprüfungskommission.
Geschäft und Seelsorge
Zweimal im Jahr trifft sich das Kirchenparlament, das abschliessend alle notwendigen Beschlüsse fasst. Es ist lebendiger Ausdruck der demokratischen Struktur der Landeskirche Aargau, denn jede Aargauer Kirchgemeinde ist durch mindestens einen demokratisch gewählten Vertreter in der Synode präsent. Vier Jahre dauert eine Amtszeit und es sind sowohl engagierte Katholiken, die beispielsweise in ihren Kirchpflegen tätig sind, als auch Seelsorger, die durch ihre Teilnahme «eine gute Verbindung von Geschäft und Seelsorge ermöglichen können», wie Michael Jablonowski, Pastoralassistent in Bergdietikon und Synodaler, es formuliert. Dass der Grossratssaal am Nachmittag des 10. Juni fest in katholischer Hand ist, wurde direkt zu Beginn der Sitzung deutlich: Synodenpräsident Marcel Baumgartner sprach das Gebet der Mutter Theresa. Auch der pastorale erste Teil stellte den Anlass in den kirchlichen Kontext: die rund 140 Anwesenden lauschen dem Kapuziner und Dozenten Niklaus Kuster, der einen Überblick über das bisherige Pontifikat des Bischof von Rom, Franziskus, gab. Gewürzt mit zahlreichen Karikaturen, die die menschenfreundliche und manchmal handfeste Art von Franziskus auf den Punkt bringen.
Auf dem Weg
Der zweite Teil der Sitzung folgt jeweils der Traktandenliste: das Protokoll der letzten Synode, die Mitteilungen aus dem Kirchenrat und aus der Bistumsregionalleitung, eine Ersatzwahl ins Rekursgericht, der Jahresbericht und die Jahresrechnung sowie die verschiedenen Anträge werden in konzentrierter Atmosphäre behandelt. Damit Bewegung in die Sache kommt, wird immer wieder per Aufstehen abgestimmt, was zu Heiterkeit führt; die Stimmung ist gelöst. Für weitere Abwechslung sorgen Voten einzelner Synodaler, so beispielsweise die Anregung, im Jahresbericht mehr über Zielsetzung und Wirkungserreichung der Fachstellen zu schreiben. Kirchenratspräsident Luc Humbel nimmt das Anliegen auf: «Der Jahresbericht wurde Aargauer Regierungs- und Grossräten persönlich überreicht; die katholische Kirche erhielt aufgrund des Berichts viel Anerkennung für ihre Leistungen. Das Grundkonzept des Berichts steht deshalb nicht in Frage, doch wir werden es weiter bedenken. Wir sind auf dem Weg und nicht am Ziel.»
Handlungsfähig bleiben
Die Gründe, aus denen sich engagierte Freiwillige für die Synodenarbeit melden sind zahlreich. Er sei in seinem Chor angesprochen worden, ob er nicht Lust habe, erzählt einer. Doch wie mittlerweile überall in der Freiwillligenarbeit – die Menschen reissen sich nicht um das Engagement. «Es macht ja sonst keiner», sagt ein Befragter. Andreas Gubler aus Auw und im fünften Jahr dabei, formuliert es etwas sanfter: «Irgendjemand muss es ja machen.» «Ich habe Zeit», erklärt Thomas Steger aus Dottikon und fährt fort: «Ich bin Rentner und habe zwar ein Haus und Enkel und einen Garten, doch ich will in der Gemeinschaft aktiv sein. Und wenn ich das will, dann findet sich die Zeit». Zwölf Jahre war er in der Kirchenpflege aktiv, ist freiwilliger Rotkreuzfahrer; ein engagierter Mann. Einen anderen Aspekt bringt Tatjana Gfeller aus Sins ins Spiel: «Es ist wichtig, dass die demokratische Seite der Kirche aktiv und handlungsfähig bleibt. Auch wenn es manchmal Arbeit bedeutet. Das Duale System soll bestehen bleiben. Dafür braucht es Leute, die mitmachen.» Umso mehr, wenn Entscheide der Synode wegweisenden Charakter haben: Einstimmig wird der Antrag des Kirchenrates betreffend der ökumenischen Zusammenarbeit im Bereich Palliative Care angenommen.
Nach-Synode
Wer gemeinsam arbeitet, soll auch gemeinsam essen. In Boswil gibt es feinen Znacht, Salate, Brot, Getränke, Kaffee und Dessert. Die Kirchgemeinde ist gerne Gastgeber und sogar die Pfarrkatze lässt sich kurz blicken. «Dieser gesellige Teil ist fast noch wichtiger, als der geschäftliche», sagt Madeleine Sennrich Köpfli. «Es entsteht ein Netzwerk und das habe ich schon sehr schätzen gelernt. Zum Beispiel, wenn ich bei Fragen im Rahmen der Pastoralraumerrichtung einen anderen Synodalen ansprechen konnte, der den Prozess bereits erlebt hat.» Es wird viel gelacht und diskutiert; mal scherzhaft, mal ernsthaft. Es ist eine familiäre Atmosphäre, lebendige Kirche im Aargau. Und so erstaunt es nicht, dass im Grossratssaal beim Punkt «Verschiedenes» ein Freiämter aufsteht und der Frühjahrssynode wärmstens ans Herz legt, sich zur Nach-Synode zu treffen. In einer Beiz der Wahl, um die Geselligkeit zu pflegen nach der Geschäfterei. Das gibt Applaus und der Präsident der Synode, Marcel Baumgartner, kommentiert gut gelaunt: «Vielleicht kann man da den Freiämtern mal was nachmachen».Hier finden Sie nochmals die
aktuellen Beschlüsse und die Medienmitteilung zur Frühjahrssynode 2015.