Dem Unmög­li­chen trauen

Dem Unmög­li­chen trauen

Apo­stel­ge­schich­te 9,1–22Sau­lus wüte­te noch immer mit Dro­hung und Mord gegen die Jün­ger des Herrn … Unter­wegs aber, als er sich bereits Damas­kus näher­te, geschah es, dass ihn plötz­lich ein Licht vom Him­mel umstrahl­te. Er stürz­te zu Boden und hör­te, wie eine Stim­me zu ihm sag­te: «Saul, Saul, war­um ver­folgst du mich?» Er ant­wor­te­te: «Wer bist du, Herr?» Die­ser sag­te: «Ich bin Jesus, den du ver­folgst. Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt wer­den, was du tun sollst!»Ein­heits­über­set­zung 2016 

Dem Unmög­li­chen trauen

Es war eine über­wäl­ti­gen­de Erfah­rung, Ende der Sieb­zi­ger­jah­re, zu Beginn mei­ner Stu­di­en­jah­re in Rom. Als ahnungs­lo­ser Tou­rist betrat ich die Kir­che S. Maria del Popo­lo, muss­te mich ans Halb­dun­kel gewöh­nen, begab mich neu­gie­rig in eine Sei­ten­ka­pel­le, steck­te eine 100-Lire-Mün­ze in den Auto­ma­ten. Es wur­de Licht! Ich sah ein gros­ses Gemäl­de, dar­stel­lend die Bekeh­rung des Apo­stels Pau­lus, das Werk eines gewis­sen Cara­vag­gio. Der Name sag­te mir nichts, noch nicht, denn spä­ter begeg­ne­te ich ihm öfters in den Kir­chen Roms.Noch immer zieht er mich in sei­nen Bann. Cara­vag­gio (1573–1610) wag­te es, mit dem Schön­heits­ide­al der Renais­sance zu bre­chen und eine neue, als skan­da­lös emp­fun­de­ne rea­li­sti­sche Dra­ma­tik zum Aus­druck zu brin­gen. Der Betrach­ter war jetzt nicht mehr Zuschau­er einer stil­vol­len Sze­ne­rie, son­dern wur­de hin­ein­ge­zo­gen in tumul­tuö­se Sze­nen, muss­te sich in unge­wohn­ten Per­spek­ti­ven zurecht­fin­den, kon­fron­tiert mit kras­sen Licht- und Schat­ten­ef­fek­ten, stand mit­ten drin im Gesche­hen, wie der sprich­wört­li­che «Blick»-Reporter, der noch vor der Ambu­lanz am Unfall­ort ein­trifft. Ein neu­es Zeit­al­ter brach an, in den wach­sten Köp­fen (Cara­vag­gio war einer von ihnen!) waber­te bereits der Geist der Moder­ne.Dem genia­len Maler gelang es, einen zutiefst inner­li­chen, ja mysti­schen Vor­gang, die Bekeh­rung vom Sau­lus zum Pau­lus, mit dem Pin­sel auf die zwei­di­men­sio­na­le Lein­wand zu über­tra­gen. Damit hat er die Seh­ge­wohn­hei­ten umge­krem­pelt, neue Dimen­sio­nen der Wahr­neh­mung erschlos­sen. Intui­tiv spü­ren wir: Hier pas­siert Gewal­ti­ges, als Zeu­gen erle­ben wir einen jener sel­te­nen Momen­te, wo Welt­ge­schich­te geschrie­ben wird.Gleich­zei­tig wird ewig Gül­ti­ges fest­ge­hal­ten, das heu­te genau­so stimmt wie vor 2000 Jah­ren vor den Toren von Damas­kus, wie zur Zeit des Cara­vag­gio: Hoch­mut kommt vor dem Fall, Ika­rus liegt zer­schmet­tert am Boden, der Heiss­sporn Saul ist vom hohen Ross her­un­ter­ge­stürzt. Wie ein Mai­kä­fer liegt er auf dem Rücken, hilf­los stram­pelnd, geblen­det von einem über­grel­len Licht, des­sen Ursprung irgend­wo aus­ser­halb liegt. Die Begeg­nung mit dem gekreu­zigt-auf­er­stan­de­nen-leben­di­gen Herrn Jesus hob das Leben des reli­giö­sen Fana­ti­kers aus den Angeln, ver­än­der­te den Lauf des Chri­sten­tums grund­le­gend, präg­te die inne­re und äus­se­re Gestalt der jun­gen Kir­che und ihre Ver­kün­di­gung bis zum heu­ti­gen Tag, sie durch­zit­tert die Brie­fe des Völ­ker­apo­stels bis in den letz­ten Buch­sta­ben: «Saul, Saul, war­um ver­folgst du mich? … Ich bin Jesus, den du ver­folgst.»Dar­in steckt eine fro­he Bot­schaft: Wir Men­schen, die «so viel Böses» tun (heisst es aus­drück­lich ein paar Ver­se spä­ter), sind zur Umkehr bestimmt, sind zur Bekeh­rung fähig! Trau­en wir uns das Beste zu! Trau­en wir Gott alles zu, vor allem das Unmög­li­che!Abt Peter von Sury, Mariastein[esf_gallery columns=“1”]     
Christian von Arx
mehr zum Autor
nach
soben