Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft

Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft

  • Die 6. Aar­gauer Kapel­len­wan­derung führte am Sam­stag, 11. Sep­tem­ber, von der Anto­niuskapelle in Ueken zur Dor­fkirche von Hor­nussen.
  • Bern­hard Lind­ner von der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei kon­nte 50 Kapel­len­wan­der­er begrüssen.
  • Linus Hüss­er und Char­ly Her­zog begleit­eten die Pil­ger mit his­torischen Fak­ten und unter­halt­samen Anek­doten durch den Tag.

Kurz nach der Staffe­legg wich der Nebel der Mor­gen­sonne. Die wär­menden Strahlen begrüssten die Kapel­len­wan­der­er in der Anto­niuskapelle in Ueken. Ein­ge­laden hat­te die Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei der Römisch-Katholis­chen Kirche im Aar­gau. Bern­hard Lind­ner begrüsste die Pil­ger­schar mit dem Reis­esegen und stimmte ein auf diesen Tag.

Sich gegenseitig begleiten

Die Anto­niuskapelle hat eine bewegte Geschichte. 1705 neben ein­er Müh­le erbaut, wur­den pro Jahr vier heilige Messen gele­sen. Gemäss der Über­liefer­ung wurde der Zel­e­brant jew­eils nach den Gottes­di­en­sten in der Wohn­stube der Müh­le grosszügig bewirtet. Linus Hüss­er und Char­ly Her­zog führten durch die Kapellen und wussten aller­lei Fak­ten und Anek­doten zu erzählen. Gemein­sam unter­wegs sein bedeutet auch sich gegen­seit­ig zu begleit­en, in Gesprächen, im Teilen von Gedanken, im Lachen, im Sin­gen, meint Bern­hard Lind­ner. So ging es denn vor­bei am Wegkreuz zwis­chen Ueken und Herz­nach zur Ver­e­nakapelle, die so erbaut wurde, dass die Sonne bei ihrem Auf­gang genau durch das östliche Fen­ster scheint. Lange Zeit glaubte man – auf­grund des Fun­des eines stein­er­nen Kreuzi­gungsre­liefs – dass diese Kapelle das älteste Gotte­shaus im Frick­tal sei. Eine These, die längst wider­legt ist, wie Linus Hüss­er weiss. Gesichert hinge­gen ist, dass anno 1668 die elf let­zten Pestopfer des Frick­tals hier bestat­tet wur­den.

Einziger «Sparsarg» in der Schweiz

Gas­trecht genossen die Reisenden anschliessend in der Kirche Herz­nach. Die St. Niko­lauskirche mit Pfar­rhaus und Bein­haus wurde in drei Epochen erbaut. Der Käs­bis­senturm ist spät­go­tisch, das Lang­haus mit den Stuck­a­turen von Gio­van­ni Gia­co­mo Neu­rone ist von 1691 bis 1692 datiert, und der kup­pelbe­deck­te Oval­chor wurde von Johann Pfeif­fer in den Jahren 1718 bis 1719 hinzuge­fügt. Die Malereien in der Kup­pel sind das Werk von J. A. Wieland und F. A. Gior­gi­oli. Das Bein­haus beherbergt eine Beson­der­heit: einen Josefinis­chen «Sparsarg», ein wiederver­wend­bar­er Sarg, der kon­stru­iert wurde, um Holz zu sparen. Es han­delt sich um das einzige Exem­plar in der Schweiz und wurde wohl nie benutzt. [esf_wordpressimage id=34251 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Aussen Holzschopf, innen Kapelle

Nach kurz­er Mit­tagsrast ging die Reise weit­er zur Eichkreuzkapelle in Oberzei­hen. Wer nicht um die Bedeu­tung des Ortes weiss, kön­nte glatt daran vor­beige­hen. Aussen ein eher unschein­bar­er Holzschup­pen, offen­baren sich im Innern ein stein­ernes Kreuz mit gold­en­er Jesus­fig­ur. Dieses wurde vom Mau­r­er Johann Wen­delin 1874 erbaut, aus Dankbarkeit, dass er nach einem Unfall wieder gesund wurde. Der vordere Teil der Kapelle mit dem Kreuz ist über­dacht, jedoch nach drei Seit­en hin offen. Neben dem Kreuz ste­hen zwei Bild­stöcke, die den Gekreuzigten sowie Jesus am Ölberg zeigen.

Süssmost vor der Josefskapelle

«Ankom­men heisst erwartet wer­den!» So sagt eine alte Pil­ger­weisheit. Und so bleibt Bern­hard Lind­ner auch dieser Moment in beson­der­er Erin­nerung: «Auf dem mit Son­nen­blu­men geschmück­ten Brun­nen vor der Josef­skapelle in Oberzei­hen stand ein gross­er Glas­bal­lon voll frisch gepresstem Süss­most.» Emp­fan­gen wur­den die Pil­ger­reisenden von Priska Hauser, der Sakris­tanin, während ihre Enke­lin dursti­gen Pil­gerin­nen und Pil­gern ein Glas Most ein­schenk­te.

Der Wallfahrtsleiter erzählt

Die sech­ste Kapel­len­wan­derung endete in Hor­nussen, wo die Lour­des-Grotte und die Kirche St. Mau­ri­tius auf dem Pro­gramm standen. Die Kirche wird 1302/1304 im Pfar­reiverze­ich­nis des Bis­tums Basel erst­mals genan­nt und ist heute noch Aus­gangspunkt der jährlichen Wall­fahrt ins Todt­moos. Char­ly Her­zog organ­isiert diese Pil­ger­reise seit 20 Jahren. Es war span­nend, seinem Vor­trag, aber auch seinen Anek­doten, zuzuhören. Der Tag endete mit einem Apéro, gespendet von der Kirchge­meinde Hornussen.[esf_wordpressimage id=34254 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Freude über viele Teilnehmer

Alles in allem endete so ein run­dum gelun­gener Anlass. Linus Hüss­er freute sich beson­ders über die 50 Teil­nehmer, viele von ihnen aus der Region Baden: «Es zeigte sich, dass trotz der herrschen­den Coro­na-Mass­nah­men eine solche Ver­anstal­tung mit Erfolg durchge­führt wer­den kann.» Viele Kapel­len­wan­der­er zeigten sich dankbar, Kapellen besuchen zu dür­fen, die nor­maler­weise ver­schlossen sind oder auf ihnen bis­lang unbekan­nte Orte der Besin­nung aufmerk­sam gemacht zu wer­den.

Alleine hätte man diese Wan­derung kaum in Angriff genom­men, war zu hören. Während der Marsch für manche etwas anstren­gen­der war als erwartet, meinte ein erfahren­er Wan­der­er, er wäre gerne schneller marschiert. Doch waren alle voll des Lobes. Geschätzt wur­den die Lieder, die stillen Momente und die Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen. Am meis­ten beein­druck­te offen­bar die Eich­holzkapelle, die in ihrer Schlichtheit doch ein beson­der­er Ort ist.

Auf alten Glaubenswegen

Auch Bern­hard Lind­ner ist zufrieden und resümiert: «Ich schaue auf einen wun­der­schö­nen Pil­gertag zurück, an dem für mich sehr vieles ges­timmt hat. Dankbar blicke ich auf eine Wan­derung durch die Sakral-Land­schaft des Oberen Frick­tals. Auf alten Glaubenswe­gen sind wir gegan­gen und haben Orte besucht, an denen Men­schen über Jahrhun­derte Halt, Trost und Hoff­nung gefun­den haben. Orte, die auch für uns heutige Men­schen immer noch ihre kraftvolle, befreiende Botschaft ent­fal­ten.»

Marie-Christine Andres Schürch
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