Das Unharmonische gehört dazu

Das Unharmonische gehört dazu

Markus 16,1.5–6a.8Als der Sab­bat vorüber war, kauften Maria aus Mag­dala, Maria, die Mut­ter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu sal­ben. (…) Sie gin­gen in das Grab hinein und sahen auf der recht­en Seite einen jun­gen Mann sitzen, der mit einem weis­sen Gewand bek­lei­det war; da erschrak­en sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist aufer­standen; er ist nicht hier. (…) Da ver­liessen sie das Grab und flo­hen; denn Schreck­en und Entset­zen hat­te sie gepackt. Und sie sagten nie­man­dem etwas davon; denn sie fürchteten sich.Ein­heit­süber­set­zung 2016 

Das Unharmonische gehört dazu

Unser Deutsch- und Musik­lehrer erzählte uns im Unter­richt ein­mal eine Anek­dote des Wun­derkn­aben Mozart, der jew­eils seinen Vater Leopold geärg­ert habe, indem er am Klavier ein Stück spielte und dabei den let­zten Ton aus­liess. Seinem Vater habe dies keine Ruhe gelassen, er musste nochmals aus dem Bett steigen und den let­zten Akko­rd spie­len, während der ver­schmitzte Junge hin­ter der Tür her­vor­lugte. Erst dann habe er ruhig ein­schlafen kön­nen.Es ist ver­mut­lich eine zutief­st men­schliche Regung, dass wir eine Sache gerne abgerun­det und har­monisch haben. Wir mögen es, wenn wir im Ein­klang sind mit uns selb­st und mit dem, was uns umgibt. So zumin­d­est erge­ht es mir, obwohl es in meinem Leben auch einige Erleb­nisse gibt, die nicht rund sind, son­dern die quer ste­hen und sich nicht har­monisch ein­fü­gen lassen. Und so erge­ht es ver­mut­lich den meis­ten Men­schen. Es gibt Ereignisse im Leben, die nicht so recht zum Ganzen passen wollen und mit denen wir uns schw­er tun.So ver­mag es wohl auch den frühchristlichen Hörerin­nen und Hör­ern des Markus­evangeliums ergan­gen sein. Der erste Schluss (Mk 16,1–8) bot ein recht düsteres und hoff­nungslos­es Bild und wurde zu ein­er späteren Zeit von ander­er Hand ergänzt (Mk 16,9–20). Dabei lag es ver­mut­lich sehr wohl in der Inten­tion des Markus, die Auswirkung des tragis­chen Todes Jesu auf seine Jünger­schar so im Raum ste­hen zu lassen.War Markus ein Real­ist? Warum hat er seine Reise mit Paulus abge­brochen? Die Aus­gangslage war für Markus ja ger­adezu ide­al: Seine Mut­ter war eine anerkan­nte Grösse in der Jerusale­mer Urge­meinde und stellte dieser gar ihr Haus für die Ver­samm­lun­gen zur Ver­fü­gung. Vielle­icht ergab sich hier­aus für Markus die Gele­gen­heit, mit Paulus auf seine Mis­sion­sreise aufzubrechen. Con­nec­tions waren schon damals wichtig! Doch vielle­icht war ihm Paulus zu eifrig oder die Reise wurde Markus zu gefährlich? Wir wis­sen es nicht, nur dass Paulus offen­sichtlich von ihm ent­täuscht war und ihn auf eine weit­ere Reise nicht mit­nehmen wollte.Dass Markus sich danach bei Petrus wiederfind­et, erstaunt mich nicht. Petrus scheint, vielle­icht auch durch seine eige­nen quer­ste­hen­den Erfahrun­gen, bess­er zu Markus zu passen. Ger­ade Petrus hat den Mund ja ziem­lich voll genom­men und von sich selb­st erfahren müssen, dass er dann doch nicht so stand­haft war und seine Bekan­ntschaft mit Jesus leugnete. Es ist nahe­liegend, dass ihn diese Erfahrung für den Rest des Lebens geprägt hat.Für mich stelle ich fest, dass mich die unhar­monis­chen, quer­ste­hen­den Lebensereignisse im Grossen und Ganzen tol­er­an­ter, nachgiebiger und auch nach­sichtiger wer­den liessen, mir selb­st und anderen Men­schen gegenüber. Dies deckt sich auch mit ein­er Erfahrung, die ich als Sozialar­beit­er und Seel­sorg­er machen durfte: Das Leben ist bunter und vielfältiger, als wir es oft wahrhaben wollen. Nicht nur Höhen und Tiefen gehören dazu, son­dern auch Aus­ge­fal­l­enes und Quer­ste­hen­des, auch solch­es, was sich nicht von selb­st har­monisch ein­fü­gen lässt.Math­ias Jäg­gi, The­ologe und Sozialar­beit­er, arbeit­et als Beruf­ss­chullehrer
Redaktion Lichtblick
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