Das Ster­be­bett

«Lebens­en­de – Ster­ben und Tod heu­te. Aktu­el­le Her­aus­for­de­run­gen» lau­tet der Titel ganz exakt. Wäh­rend die Wei­ter­bil­dung im Aar­gau im Sep­tem­ber 2016 ansteht, ist sie für Basel-Stadt und Basel­land schon die­sen Früh­ling über die Büh­ne gegangen.Mit­ten in Lies­tal stand im Mai ein Zelt. Dar­in ein Bett. Weiss bezo­gen. Die Bett­wä­sche mit Fra­gen rot bestickt. «War­um gera­de ich?» — «Wie wer­de ich ster­ben?» — «Wer­de ich Schmer­zen haben?» — «Was las­se ich zurück?» Das Bett in dem Zelt war Teil der Wan­der­aus­stel­lung «Pal­lia­ti­ve Care», die für sie­ben Tage Sta­ti­on im Kul­tur­ho­tel Gug­gen­heim Sta­ti­on mach­te. Vor Ort auch immer Seel­sor­gen­de aus Basel­land oder Basel­stadt. Bereit zum Gespräch mit den Besu­che­rin­nen und Besu­chern.

Fach­li­ches Update

Eini­ge Tage spä­ter führ­ten das Deka­nat Basel­stadt und die Pasto­ral­kon­fe­renz Basel­land die diö­ze­sa­ne Wei­ter­bil­dung durch. Deren Zie­le sind, knapp zusam­men­ge­fasst, die Theo­lo­gin­nen und Theo­lo­gen für das The­ma Lebens­en­de zu sen­si­bi­li­sie­ren, den aktu­el­len Stand der sozi­al­ethi­schen Dis­kus­si­on zu ver­mit­teln und neue Zugän­ge in der per­sön­li­chen und fach­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung zu ermög­li­chen. Es geht um das seel­sorg­li­che «Sehen», «Urtei­len» und «Han­deln». In der Pra­xis kom­men Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger auf unter­schied­lich­ste Art und Wei­se mit dem The­ma in Kon­takt. Peter Mes­sing­schla­ger, Theo­lo­ge und Gemein­de­lei­ter ad inte­rim der Pfar­rei Bru­der Klaus in Lies­tal, sagt: «Es war eine der besten Wei­ter­bil­dun­gen. Das The­ma ist span­nend und die gewähl­ten Metho­den waren pri­ma, weil jeder bei dem The­ma an einem ande­ren Ort steht».

Ein The­ma – vie­le Wege

Weil die Deka­na­te unter­schied­li­che pasto­ra­le Bedürf­nis­se und Gege­ben­hei­ten auf­wei­sen, unter­schei­den sich die kon­kre­ten Inhal­te und Metho­den in den ver­schie­de­nen Deka­na­ten. Aar­au und das Frei­amt wer­den neben Grup­pen­ar­beit auch Exkur­sio­nen ins Kre­ma­to­ri­um oder ins Hos­piz Aar­gau in Brugg unter­neh­men. Die Deka­na­te Frick­tal, Baden-Wet­tin­gen, Brugg und Zurz­ach set­zen auf Ate­lier­ar­beit. Dass das The­ma auch für die Seel­sor­ge-Pro­fis kein ein­fa­ches ist, wird deut­lich, wenn Simo­ne Rudi­ger, Theo­lo­gin und Seel­sor­ge­rin in der Pfar­rei Bru­der Klaus Lies­tal, sagt, «dass es bei dem The­ma schnell auf die per­sön­li­che Ebe­ne geht. Die teilt man nicht sofort mit jedem.»

Ster­be­be­glei­tung ver­sus Sterbehilfe

Die Pro­gram­me der ver­schie­de­nen Deka­na­te zei­gen, dass den aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen Rech­nung getra­gen wird. Und die kon­zen­trie­ren sich in der Fra­ge nach dem men­schen­wür­di­gen Ster­ben. Dies wird fast immer in Bezie­hung gesetzt mit dem Begriff «Pal­lia­ti­ve Care». Das ist die umfas­sen­de medi­zi­ni­sche, pfle­ge­ri­sche, sozia­le, psy­cho­lo­gi­sche und spi­ri­tu­el­le Beglei­tung des kran­ken Men­schen, der nicht mehr geheilt wer­den kann.Den Gegen­pol mar­kiert das Ange­bot von Orga­ni­sa­tio­nen wie Exit oder Digni­tas, die schwer­kran­ken Men­schen die Ein­nah­me eines Medi­ka­men­tes ermög­li­chen, dass sie umbringt. Ster­be­hil­fe nen­nen die Orga­ni­sa­tio­nen das – als Bei­hil­fe zum Selbst­mord bezeich­nen die Kir­chen die­ses Ange­bot. Begrün­det wird die Ableh­nung die­ses Weges so: Das Leben des Men­schen ist ein Geschenk Got­tes und des­we­gen unver­füg­bar. Der Mensch soll sei­nem Leben des­halb kein Ende set­zen, auch nicht in schwe­ren Zei­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund set­zen sich die Seel­sor­gen­den an der Wei­ter­bil­dung mit den sozi­al­ethi­schen Aspek­ten des Ster­bens aus­ein­an­der.

Grat­wan­de­rung

Die sozi­al­ethi­schen Aspek­te sind das eine. Die seel­sorg­li­che Beglei­tung der Men­schen das ande­re. «Wenn ein Gesprächs­part­ner über Wochen und Mona­te immer wie­der nur sagt «Ich will nicht mehr», wird es zuneh­mend schwer, eine Per­spek­ti­ve zu bie­ten», erzählt Andre­as Zim­mer­mann, Seel­sor­ger in der Pfle­gi Muri. Es ist im Ver­hält­nis noch nicht lan­ge her, da galt Selbst­mord kir­chen­recht­lich als Aus­schluss­grund für eine kirch­li­che Beer­di­gung. Das sind Tem­pi pas­sa­ti. Doch muss ein Seel­sor­ger ein katho­li­sches Exit-Mit­glied beglei­ten, wenn es hart auf hart kommt? Darf er die Seel­sor­ge ver­wei­gern?Von Sei­ten des Bis­tums Basel heisst es, «die Aus­ein­an­der­set­zung mit Ster­be­hil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen wur­de im Rah­men der Ein­füh­rung der Kurs­the­ma­tik durch­aus emp­foh­len, ins­be­son­de­re die Fra­gen nach dem seel­sorg­li­chen Umgang in die­ser ver­än­der­ten Rea­li­tät». Es sei eine Grat­wan­de­rung und eine Her­aus­for­de­rung für die Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger, kran­ke und ster­ben­de Men­schen zu beglei­ten. Für das Leben ein­zu­ste­hen und jeman­den trotz eines Sui­zid­wun­sches nicht zu ver­ur­tei­len.

Emp­feh­lun­gen an die Kirchen

Kirch­li­cher­seits wächst zudem die Sor­ge, dass die Lei­stungs-Gesell­schaft zuneh­mend Druck auf alte, kran­ke und schwa­che Men­schen aus­übt, ihrem Leben ein Ende zu berei­ten. Wer will schon jeman­dem zur Last fal­len? Doch Kosten – so der Tenor – dür­fen nicht über Leben und Tod ent­schei­den. Die Schwei­ze­ri­sche Natio­nal­kom­mis­si­on Justi­tia et Pax ver­öf­fent­lich­te im Juni in Bern eine Stu­die zum The­ma «Alters­sui­zid als Her­aus­for­de­rung – ethi­sche Erwä­gun­gen im Kon­text der Lebens­en­de-Dis­kur­se und von Pal­lia­ti­ve Care». Die Kom­mis­si­on ver­steht dies als Dis­kus­si­ons­bei­trag aus christ­lich-sozi­al­ethi­scher Per­spek­ti­ve. Eine ihrer Emp­feh­lun­gen an die Kir­chen lau­tet: «Die Kir­chen müs­sen mehr Gesprächs­an­ge­bo­te zu Leben und Ster­ben anbie­ten!» Das Ster­be­bett muss in die Öffent­lich­keit gestellt wer­den, damit Fra­gen beant­wor­tet und Äng­ste genom­men wer­den kön­nen. Ein Anfang sind gut aus­ge­bil­de­te Seel­sor­gen­de. Die erwähn­te Wan­der­aus­stel­lung wird vom 17. Okto­ber bis zum 1. Dezem­ber 2016 an acht Stand­or­ten im Kan­ton Bern zu sehen sein.Wan­der­aus­stel­lung «Pal­lia­ti­ve Care»
Anne Burgmer
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