Das «Spirituality Valley» der Schweiz
Wer von Aarau aus mit der Eisenbahn Richtung Olten fährt, sieht bald rechterhand ein exotisch anmutendes Golddach. Es gehört zum buddhistischen Kloster «Wat Srinagaindravararam» in Gretzenbach. Künftig wird kurz darauf auf der Höhe Däniken ein «Gurdwara» der Sikhs zu sehen sein – leider nicht so typisch und formvollendet wie schon jetzt jener in Langenthal. Und unsichtbar für die Zugreisenden: Ein kambodschanisch-buddhistisches Zentrum hoch über dem Tal an der Engelberg-Südflanke.Analog zum «Silicon Valley» als Sinnbild für die Digital-Industrie könnten wir das solothurnische Niederamt «Spirituality Valley» nennen… mit altehrwürdigen Pilgerorten wie der barockisierten Stiftskirche Schönenwerd mit dem romanischen Kreuzgang (fast schon ein Geheimtipp) sowie eben einer wachsenden Zahl ausserchristlicher Kultorte. Darunter auch in Trimbach der für die Schweiz erste neuerbaute Hindutempel.
Grau und farbig
Mit den tamilischen Flüchtlingen kam auch der Hinduismus (eigentlich nur ein ungefährer Sammelbegriff) in unser Land, und es entstanden provisorische Kultorte. Anfänglich Privatzimmer, später meist eingemietete Gewerbehallen. Im Jahre 2006 endlich konnte in Trimbach, idyllisch am Bach, aber abgelegen oberhalb des Dorfes, für einen richtigen Tempel der Grundstein gelegt werden, gebaut nach südindischer Tempeltradition und ‑vorschrift. Es waren die Frauen, die sich für die hauptsächlich zu verehrende Gottheit entschieden: Sri Manonmani, eine Göttin, die Glück, Wunscherfüllung und Gesundheit gewährt. Ihr Schrein stösst an die Decke und wächst sozusagen darüber hinaus. Von aussen erhebt sich an dieser Stelle ein kleinerer Turm, schon fertig gestellt und bunt-gelb bemalt — im Gegensatz zum höheren Eingangsturm, der aus Kostengründen noch nackig betongrau daherkommt.
Errechneter Bau
Wer den Bau verfolgte, lernte auch eine uns eher ungewohnte religiöse Dimension kennen: Bestimmte Bautermine hingen ab von der Sternenkonstellation und mussten vom Astrologen errechnet werden. Indische Spezialisten kontrollierten die richtige Darstellung der Gottheiten samt ihren Attributen. Mehr als einmal musste rück- und umgebaut werden. In aufwändigen Zeremonien konnte der Tempel schliesslich 2013 eingeweiht werden. Alle zwölf Jahre werden diese Rituale erneuert, die Kraft der Gottheiten neu herbeigebetet.
Ein Alphorn beispielsweise
Eigentlich erstaunlich, mit wie wenig kritischen Tönen es gelang, diesen Tempel zu bauen. Die Trimbacher Gemeindebehörden liessen sich beraten von jenen in Gretzenbach mit ihren Erfahrungen mit dem thai-buddhistischen Kloster. Dort zeigt die Tempelmalerei einen wesentlichen Mentalitätsunterschied zwischen Hinduismus und Buddhismus. Die Darstellungen sind bei weitem weniger reguliert und können, wie eine Wandmalerei zeigt, gar Elemente des Gastlandes aufnehmen. Ein Alphorn beispielsweise.
Spiritueller Export
Das «Silicon Valley» beliefert die halbe Welt mit neuster Technik. Vielleicht liessen sich vergleichbar interreligiöse und geistliche Impulse aus dem Niederamt über die Kantonsgrenzen hinaus vermitteln. Übrigens gab es schon mal eine Art spirituellen Export aus dem Niederamt Richtung Aarau: Die Steine der Ruine Göskon aus Obergösgen wurden seinerzeit zum Bau der Stadtkirche Aarau aareabwärts verflösst.Thomas Markus Meier