Das Para­dies tra­gen wir in uns selbst

Das Para­dies tra­gen wir in uns selbst

Mat­thä­us 13,44–46Mit dem Him­mel­reich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker ver­gra­ben war. Ein Mann ent­deck­te ihn und grub ihn wie­der ein. Und in sei­ner Freu­de ging er hin, ver­kauf­te alles, was er besass, und kauf­te den Acker. Auch ist es mit dem Him­mel­reich wie mit einem Kauf­mann, der schö­ne Per­len such­te. Als er eine beson­ders wert­vol­le Per­le fand, ging er hin, ver­kauf­te alles, was er ­besass, und kauf­te sie.  Neue Einheitsübersetzung 

Das Para­dies tra­gen wir in uns selbst

Eneb ist eine hüb­sche, jun­ge Frau aus dem Kon­go und lebt seit ein paar Jah­ren in der Schweiz. Obwohl nicht ver­mö­gend, war sie immer schön geklei­det und kam in auf­rech­tem Gang zu mir in die Sozi­al­be­ra­tung. Stets trug sie ein freund­li­ches Lächeln auf dem Gesicht. Nein, ein­ge­bil­det war sie nicht, aber stolz auf ihre Her­kunft. Ger­ne erzähl­te sie von ihrem Leben in einem klei­nen Dorf in Süd­kon­go, nahe an der Gren­ze zu Ango­la. Obwohl sie nur wenig Mate­ri­el­les besass, mit dem sie hät­te auf­trump­fen kön­nen, war sie stets eine impo­san­te Erschei­nung, die einem klar mach­te, dass sie etwas auf sich hielt. Selbst­be­wusst trat sie mit mir in Kon­takt!So oder ähn­lich stel­le ich mir die Hei­li­ge Agnes vor: eine selbst­be­wuss­te jun­ge Frau! Vie­les, was von ihr über­lie­fert ist, kann sich kei­ner siche­ren Quel­le behaup­ten. Sicher ist, dass sie im 3. Jahr­hun­dert gelebt hat, und von die­ser Epo­che wis­sen wir, dass die Chri­sten auf­grund ihres Glau­bens ver­folgt und getö­tet wur­den. Agnes habe sich als Frau dem Sohn des römi­schen Stadt­prä­fek­ten ver­wei­gert und sei des­we­gen in Ungna­de gefal­len. Ihre Ableh­nung begrün­de­te sie damit, dass sie schon ver­lobt sei und zwar mit Jesus Chri­stus, was sie am Ende mit dem eige­nen Tod bezahl­te.Das dürf­te der inne­re Kern der Über­lie­fe­rung sein. In der Rezep­ti­ons­ge­schich­te wur­de die­ser noch mit wei­te­ren Erzäh­lun­gen «ange­rei­chert». Lei­der – wie so oft bei ande­ren Frau­en auch – wur­de die erwähn­te Jung­fräu­lich­keit bei Agnes ein­sei­tig sexua­li­siert. Damit wird in mei­nen Augen das Wesent­li­che mehr ver­deckt als her­vor­ge­ho­ben. All­zu leicht wird über­se­hen, um was es wirk­lich geht: Dass die Mensch­wer­dung Jesu die jedem Men­schen inne­woh­nen­de Wür­de her­vor­hebt. Als Frau ihrer Zeit unter­wirft sie sich nicht der Män­ner­welt, son­dern begeg­net ihr auf Augen­hö­he. Chri­stin­nen und Chri­sten han­deln «auf­recht» und selbst­be­wusst. Das ist der Schatz, den uns die hl. Agnes über­lie­fert.Agnes ist unter ande­rem Patro­nin der Gärt­ner. «War­um?», habe ich mich gefragt und wage mei­ne eige­ne Deu­tung. Ein Bekann­ter von mir erzähl­te kürz­lich vom wun­der­schö­nen Gar­ten sei­nes Vaters in Kabul und wie der Gärt­ner eines Mini­sters ihn bei sei­nem Vater, der Arzt war, aus Dank­bar­keit für eine gelun­gen Herz­ope­ra­ti­on über meh­re­re Jah­re hin­weg ange­legt hat­te. Der Besu­cher sei von meh­re­ren hun­dert Rosen­ar­ten, von Was­ser­spie­len und schat­ten­spen­den­den Bäu­men emp­fan­gen wor­den. Viel­leicht haben auch Sie Erin­ne­run­gen an einen schö­nen Gar­ten oder Park? Ein talen­tier­ter Gärt­ner ist in der Lage, uns in Ein­klang zu brin­gen, mit uns selbst und der uns umge­ben­den Natur. Ein Stück Para­dies auf Erden?Glück­lich ist der Mensch, der im eige­nen Leben die­sen Ein­klang erfährt und der, sich des­sen «selbst bewusst», «auf­ge­rich­tet» durchs Leben geht. Der, wie Eneb oder Agnes, ent­deckt, dass er fern­ab von allen äus­se­ren Attri­bu­ten wie Besitz, Macht und Pre­sti­ge, das eigent­li­che Para­dies in sich trägt. Er wird alles tun, die­sen Acker sein Eigen zu nen­nen und ihn nicht leicht­fer­tig aus Spiel set­zen. Er wird alles tun, die­se Per­le zu besit­zen und sie nie aus den Augen zu ver­lie­ren, denn wir tra­gen sie in uns selbst. Das Him­mel­reich ist uns näher, als wir den­ken!Mathi­as Jäg­gi, Theo­lo­ge und Sozi­al­ar­bei­ter, arbei­tet als Berufs­schul­leh­rer und Fachhochschuldozent 
Redaktion Lichtblick
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