Das Knat­tern ersetzt den Glockenschlag

  • Am Kar­frei­tag wer­den die Kir­chen­glocken nicht geläu­tet, sie schwei­gen vom Abend des Hohen Don­ners­tags bis zur Osternacht.
  • Des­halb rufen «Rät­schen» zum Got­tes­dienst. Das lau­te Rat­tern ersetzt die Glocken und erin­nert an das Beben der Erde beim Tod Jesu.
  • Im Aar­gau haben zahl­rei­che Pfar­rei­en ein sol­ches Holz­in­stru­ment, das «Raf­fel», «Rät­sche», «Klap­per» oder ähn­lich genannt wird.
 Mit dem Palm­sonn­tag hat die Kar­wo­che begon­nen. Vie­le Bräu­che beglei­ten uns durch die­se Woche und die anschlies­sen­den Oster­ta­ge. Einer die­ser Bräu­che ist das «Rät­schen» oder «Raf­feln» am Kar­frei­tag.

Die Glocken verstummen

Nach dem Abend­got­tes­dienst am Hohen Don­ners­tag wer­den die Glocken nicht mehr geläu­tet. Auch die Orgel schweigt, denn mit dem Lei­den und Ster­ben von Jesus wird die Lit­ur­gie zum Zei­chen des Ver­zichts und der Trau­er redu­ziert. Am Nach­mit­tag des Kar­frei­tags gegen 15 Uhr, zur Todes­stun­de Jesu, rufen vie­ler­orts höl­zer­ne Klap­per­in­stru­men­te zum Got­tes­dienst. «Sie sind Zei­chen der Trau­er und sol­len das Beben der Erde beim Tod Jesu sym­bo­li­sie­ren, von dem in der Bibel zum Todes­zeit­punkt am Kreuz gespro­chen wird», erklärt das katho­li­sche Medi­en­zen­trum kath.ch in einem Arti­kel.

Geklap­per auf Knopfdruck

Im Turm der Kir­che St. Seba­sti­an Wet­tin­gen steht eines die­ser beson­de­ren Instru­men­te, wel­che je nach Regi­on als Rät­schen, Raf­feln, Rären, Klap­pern, Rap­peln oder Schnar­ren bezeich­net wer­den. Ver­steckt hin­ter den Glocken und bedeckt von grau­em Staub war­tet der läng­li­che Holz­ka­sten auf sei­nen Ein­satz. Unter dem Staub ist dunk­les Holz erkenn­bar. Der Kasten ist bespannt mit schma­len Lat­ten. Am lin­ken obe­ren Ende ist ein oran­ges Strom­ka­bel ange­schlos­sen. Unten im Ein­gang des Turms deu­tet Haus­wart Tho­mas Knecht auf den Schal­ter der mit «Raf­fel» beschrif­tet ist. Auf Knopf­druck ertönt vom Kirch­turm ein Klap­pern, das weit über die Reb­ber­ge zu hören ist. Ein unan­ge­neh­mes Geräusch: es tschät­tert und rum­pelt ohren­be­täu­bend laut.

Nur mit Ohrschutz

Wenn die Mini­stran­ten der Pfar­rei St. Anton in Wet­tin­gen am Kar­frei­tag auf dem Kirch­platz ste­hen, tra­gen sie einen Ohr­schutz. Abwechs­lungs­wei­se dre­hen sie an der Metall­kur­bel des Instru­ments, das an einen Dreh­or­gel­ka­sten erin­nert. Eine Hand­rät­sche unbe­kann­ten Alters, die seit Jahr­zehn­ten in Gebrauch ist. Ein etwas grös­se­res Modell ist in der Kir­che St. Mar­tin in Ober­rohr­dorf zu bewun­dern. Dort steht die Rät­sche das Jahr über im Sei­ten­schiff der Kir­che. Pasto­ral­raum­lei­ter Chri­stoph Cohen ver­mu­tet, dass das Instru­ment unge­fähr um 1940 her­um von einem loka­len Schrei­ner gebaut wor­den ist. Auch hier wird die Rät­sche am Kar­frei­tag auf den Vor­platz der Kir­che gebracht und von den Mini­stran­tin­nen und Mini­stran­ten betrie­ben.

Brauch aus dem Mittelalter

In Deutsch­land wird der Brauch erst­mals 1482 erwähnt, in der Schweiz stammt der erste Hin­weis aus dem Jahr 1738 und fin­det sich in der­Ge­läut­ord­nung des Klo­sters Engel­berg. Der Brauch ist im gan­zen deutsch­spra­chi­gen Raum ver­brei­tet, wobei in Deutsch­land und Öster­reich neben dem eigent­li­chen Klap­pern noch wei­te­re Ele­men­te wie Umzü­ge oder das Umher­zie­hen von Haus zu Haus dazu­kom­men.

Revi­val der Rätschen

Wie alt die bei­den Wet­tin­ger Rät­schen sind, liess sich nicht genau eru­ie­ren. In der Pfar­rei St. Seba­sti­an wur­de bis in die 1950er-Jah­re noch von Hand geraf­felt, dann ging der Brauch in Ver­ges­sen­heit. Erst im Lauf der 1980er-Jah­re wur­de die Raf­fel wie­der ent­deckt und in Gebrauch genom­men. Spä­ter schloss man sie wie die Kir­chen­glocken an den Strom an. Ähn­lich hat es sich in wei­te­ren Aar­gau­er Pfar­rei­en zuge­tra­gen. Auch in Bad Zurz­ach wur­de die Rät­sche vor eini­gen Jah­ren restau­riert und klap­pert seit­her am Kar­frei­tag­nach­mit­tag auf dem Platz vor dem Veren­a­mün­ster. Zahl­rei­che Pfar­rei­en in der Schweiz und auch im Aar­gau pfle­gen den alten Brauch heu­te wieder. 
Marie-Christine Andres Schürch
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