Das Herz wird nicht dement
- Menschen mit einer Demenz ziehen sich oft still und leise aus der Gesellschaft zurück.
- Die Demenzberaterinnen Annemarie Rothenbühler und Irène Taimako organisieren das Alzheimer-Café, wo Menschen mit Alzheimer und ihre Angehörigen gesellige Stunden erleben.
- Im Interview mit Susanne Siebenhaar geben Sie Einblick in ihre Arbeit.
Annemarie Rothenbühler, Irene Taimako, was ist Ihnen wichtig im Alzheimer-Café? Worauf achten Sie?
Annemarie Rothenbühler: Das Alzheimer-Café ist für mich eine Herzensangelegenheit. Hier sind Begegnungen für an Demenz erkrankte Menschen möglich. Kommunikation, wie wir sie gewohnt sind, läuft über die Sprache. Bei einem Menschen mit einer Demenzerkrankung nimmt die Sprachfähigkeit ab. Die Begegnung über die Emotionen auf der Herzensebene ist hingegen immer möglich. Die Gefühlsebene und die seelische Ebene bleiben präsent, das Herz wird nicht dement. Ich habe an diesen Nachmittagen schon viele sehr schöne und berührende Momente erlebt, die ich nicht missen möchte.
Alzheimer-Café
Annemarie Rothenbühler und Irène Taimako organisieren für Alzheimer Aargau acht Mal im Jahr den Café-Nachmittag für Menschen mit Demenz und ihnen nahestehende Personen. Das Alzheimer-Café findet im Gasthof zum Schützen in Aarau an der Schachenallee 39 statt.
Es gibt grosse Berührungsängste im Umgang mit dementen Personen. Worauf kann ich achten?
Irène Taimako: Für Menschen mit einer Demenz sind das öffentliche Leben, das Umfeld und die Gesellschaft eine grosse Herausforderung. Die Gefahr besteht, dass sich Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein zentrales Thema ist jedoch der Umgang mit der Schnelligkeit und dem «Hopphopp» in der Gesellschaft. Für Menschen mit einer Demenz sind Gespräche und Fragen häufig zu schnell, dann fühlen sich die Betroffenen unverstanden oder übergangen. Darum ist uns bei den Treffen hier wichtig, dass wir das Tempo in Gesprächen anpassen. Der Rahmen des Alzheimer-Cafés bleibt immer gleich, das schafft Orientierung. Wenn Sie einem Menschen mit einer Demenzerkrankung begegnen, freuen Sie sich und sprechen Sie nicht zu schnell. Die Kommunikation mit dem Gegenüber soll einfach sein, in kurzen Sätzen und mit einem freundlichen Blickkontakt. Während des Alzheimer-Cafés umrahmt ein Akkordeonist die Veranstaltung. Wer mag und kann, schwingt das Tanzbein.
Serie Diakonie: Alzheimer-Café in Aarau
Die Fachstelle Diakonie der Katholischen Landeskirche Aargau setzt sich dafür ein, dass Solidarität in der Kirche gelebt und praktiziert wird. Mit einer Artikelserie zur Diakonie macht sie das diakonische Schaffen in der Kirche, in Vereinen und sozialen Institutionen sichtbar. | www.kathaargau.ch/diakonie
Für die Alzheimer-Betroffenen und ihre Begleitpersonen sind hier unbeschwerte Stunden möglich. Warum ist das so wichtig?
Annemarie Rothenbühler: Von Erzählungen aus den Angehörigengruppen weiss ich, dass es zu Hause bei den Menschen mit diesem Krankheitsbild oft still ist. So bietet das Café einen Ort für einen musikalischen Impuls, für Gespräche und Begegnung, Humor und Wissensinputs. Die Atmosphäre ist angereichert und bewegt. Menschen mit einer Demenz und ihre Partnerinnen und Partner sollen hier etwas anderes erleben können – einen unbeschwerten Moment.
Irène Taimako: Menschen mit einer Demenz entwickeln einen eigenen Kosmos. Diesen Kosmos versuchen wir zu erschliessen – mit viel Sorgfalt und Empathie. Wir werden immer wieder von der Präsenz der Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung überrascht. Dann, wenn sie eine emotionale Situation mit einer Geste oder einem einzigen Wort auf den Punkt bringen können.