«Das Gewöhnliche ungewöhnlich gut tun»

«Das Gewöhnliche ungewöhnlich gut tun»

Psalm 34,2–3.5–6.8 «Ich will den Her­rn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. Meine Seele rühme sich des Her­rn; die Armen sollen es hören und sich freuen … Ich suchte den Her­rn und er gab mir Antwort, er hat mich all meinen Äng­sten entris­sen. Die auf ihn blick­ten, wer­den strahlen, nie soll ihr Angesicht vor Scham erröten. Der Engel des Her­rn umschirmt, die ihn fürcht­en, und er befre­it sie.»Ein­heit­süber­set­zung 2016 

«Das Gewöhnliche ungewöhnlich gut tun»

Ich erin­nere mich an einen beson­deren Ruck­sack, mit dem ich in den 70-er und 80-er Jahren unter­wegs war. Aus ein­fachem grünem Segel­tuch war er und oben schnürte man ihn mit ein­er Kordel zu. Darin immer ein Taschen­buch, gelb, zerknit­tert von den Reisen, vom Durch­blät­tern, Lesen, Nach­denken. Darin auch die Worte: «Lebe das, was du vom Evan­geli­um ver­standen hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.» Es sind Worte aus der Regel von Taizé. Dieses und viele andere Worte hat­te ich gele­sen wie eine fort­dauernde Med­i­ta­tion. Die Worte waren wie ein beleben­des Vit­a­min für mich. Es waren Worte, die Leichtigkeit und Ein­fach­heit ver­sprüht­en. Sie «hüpften» gle­ich­sam in mir.Und wenn unsere per­sön­liche oder momen­tane Sit­u­a­tion der Natur und Gesellschaft keinen Anlass zur Freude geben? In der ver­gan­genen Woche nahm ich an ein­er Kon­ferenz der evan­ge­lis­chen Gefäng­nis­seel­sorg­erin­nen und ‑seel­sorg­er in Deutsch­land teil. Ich ent­deck­te in mir eine gewisse Scham, katholisch zu sein. Warum nur stand auf meinem Namenss­child «Kath. Gefäng­nis­seel­sorg­erin»! Die Miss­brauchsskan­dale stellen alle wie an eine Wand. Ich bemühte mich doch immer, sorgfältig und kom­pe­tent zu sein, wie meine Kol­legin­nen, Kol­le­gen und hinge­bungsvollen Frei­willi­gen auch. Fremd­schä­men nen­nt man das. Ich weiss noch nicht, wie ich damit umge­hen soll. Ich bräuchte ihre Gemein­schaft mehr denn je.Wie kom­men diese Ein­fach­heit und Leichtheit in das Leben? Da las ich, dass der hl. Philipp Neri 1515 in Flo­renz zur Welt kam und eine Frohnatur war.«Wir sollen das Gewöhn­liche ungewöhn­lich gut tun», sagt er. Oder zum Gebet heisst es bei ihm: «Wir dür­fen nicht von unserem Gebet lassen wegen Zer­streu­ung und Unruhe des Geistes, auch wenn es unnütz erscheint, damit fortz­u­fahren. Wer seine gewohnte Zeit aushar­rt und dabei seinen Geist ruhig zum Gegen­stand seines Gebetes hin­lenkt, erwirbt sich dadurch gross­es Ver­di­enst.»Im sel­ben Jahr 1515, nur wenige Monate früher als der hl. Philipp, ist die hl. Tere­sa von Avi­la in Spanien geboren. Sie schrieb in «Das Buch meines Lebens»: «Denn mein­er Mei­n­ung nach ist inneres Beten nichts anderes als Ver­weilen bei einem Fre­und, mit dem wir oft allein zusam­menkom­men, ein­fach um bei ihm zu sein, weil wir sich­er wis­sen, dass er uns liebt» (Kap 8,5).Was für ein Jahr muss es gewe­sen sein, als diese bei­den Heili­gen zur Welt kamen und Ver­trauen, Kraft und in allem Ein­fach­heit ver­mit­tel­ten! Es war eine schwierige Zeit. Die Ver­fol­gung durch Inqui­si­tion und Gefäng­nis dro­hte. Doch war es auch eine Zeit voller Auf­brüche, mit Inner­lichkeit und Mut im Leben.Der Ruck­sack des Lebens ist nicht nur schw­er, son­dern auch voller neuer Impulse für das innere Wach­s­tum und die Kraft für das gewöhn­liche Tun im Jet­zt.Anna-Marie Fürst, The­olo­gin, arbeit­et in der Gefäng­nis­seel­sorge und in der Seel­sorge für Men­schen mit Behin­derung in den Kan­to­nen Basel-Stadt und Zug
Redaktion Lichtblick
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