Das Gesicht der «Alli­anz Gleich­wür­dig Katholisch»

Das Gesicht der «Alli­anz Gleich­wür­dig Katholisch»

«Die Kir­che ist nicht Poli­tik, son­dern Teil unse­res Lebens»

Men­ta­ri Bau­mann ist das Gesicht der «Alli­anz Gleich­wür­dig Katholisch»

Sie ist jung, weib­lich und homo­se­xu­ell. Und sie will die katho­li­sche Kir­che zu mehr Gleich­be­rech­ti­gung füh­ren: Die Ber­ne­rin Men­ta­ri Bau­mann (28) ist ab Dezem­ber Geschäfts­lei­te­rin der «Alli­anz Gleich­wür­dig Katholisch». Die katho­li­sche Kir­che ist geprägt von älte­ren Män­nern, die Frau­en kei­ne Gleich­be­rech­ti­gung zuge­ste­hen und homo­se­xu­el­le Paa­re nicht ein­mal seg­nen. Was ist Ihre Moti­va­ti­on für die­se Stelle?Men­ta­ri Bau­mann: (lacht) Genau das! Wenn ich die katho­li­sche Kir­che von aus­sen betrach­ten wür­de, hät­te ich auch Mühe mit ihr. Sie stimmt nicht über­ein mit der Art und Wei­se, wie die Gesell­schaft Gleich­stel­lung ver­steht. Aber ich bin in die­ser Kir­che auf­ge­wach­sen. Ich bin zwar ein wenig anders, als es den offi­zi­el­len Kirchenvertretern/innen gefällt, aber das bedeu­tet nicht, dass ich die Kir­che ihnen über­las­se.Haben Sie Hoff­nung, dass Sie etwas ver­än­dern kön­nen in Rich­tung Gleichstellung?Wir wer­den die­se Kir­che nicht innert Jah­res­frist auf den Kopf stel­len, das ist weder rea­li­stisch noch gewünscht. Aber ich glau­be, dass wir einen Schritt wei­ter­kom­men.Eine Ihrer Haupt­auf­ga­ben ist die Ver­net­zung. Sie sind sel­ber bis­lang im Kir­chen­kon­text wenig bekannt. Wie kön­nen Sie da vernetzen?Ich kom­me von aus­sen in die­se pro­fes­sio­na­li­sier­te Kir­chen­ar­beit. Aber ich bin ein sehr kom­mu­ni­ka­ti­ver Mensch, ich wer­de am Anfang viel Kaf­fee trin­ken gehen (lacht).Sie wer­den Kam­pa­gnen und Pro­jek­te durch­füh­ren. Was wird das erste Pro­jekt sein?Ich wer­de als Erstes eine Web­sei­te auf­bau­en. Wel­che Tools wir hier ein­set­zen, ist der­zeit noch offen. Aus­ser­dem ist ein Label geplant. Die­ses soll Pfar­rei­en und Orga­ni­sa­tio­nen ver­lie­hen wer­den, die unse­re Visi­on umset­zen: Glei­che Wür­de und glei­che Rech­te in der katho­li­schen Kir­che. Dazu wer­de ich Kon­takt auf­neh­men mit Orga­ni­sa­tio­nen wie Oeku, die das Label «Grü­ner Güg­gel» ver­lei­hen, um zu erfah­ren, wie man dabei vor­geht.Was bedeu­tet Ihnen die katho­li­sche Kir­che persönlich?Sie ist mei­ne Hei­mat. Sie ist nicht nur die Insti­tu­ti­on im Vati­kan, sie ist eine Glau­bens­ge­mein­schaft. Eine Gemein­schaft von Men­schen, die sich Gott nahe füh­len, die das Evan­ge­li­um leben wol­len. Die Kir­che ist nicht ein­fach nur Poli­tik. Aber sie wird als Poli­tik aus­ge­legt: Als Welt­kon­zern, in dem Geld fliesst, mit Macht­ver­hält­nis­sen. Aber eigent­lich ist sie das nicht, son­dern sie ist Teil von unse­rem Leben.Was ist Ihnen wich­tig an die­sem Glauben? Gott ist mir wich­tig, mei­ne Bezie­hung zu ihm und zu ande­ren Men­schen, die Teil die­ser Bezie­hung sind. Es ist mir ein Anlie­gen, dass nie­mand das Gefühl bekommt, dass er oder sie nicht Teil die­ser Bezie­hung sein darf. Das erfor­dert einen Kul­tur­wan­del, der Zeit braucht. Aber Pro­jek­te wie die­se Alli­anz kön­nen einen sol­chen Kul­tur­wan­del anstos­sen.Gab es auch Kri­sen in Ihrem Glaubensleben?Als Jugend­li­che habe ich mich von der Kir­che distan­ziert. Als ich Jah­re spä­ter ande­re Jugend­li­che nach Tai­zé beglei­tet habe, hat­te ich gute Gesprä­che mit den Mön­chen, mit einem indo­ne­si­schen Bru­der. Dadurch bin ich zurück­ge­kom­men. Im Stu­di­um habe ich gelernt, wie­der über Glau­bens­fra­gen zu spre­chen und mei­nen per­sön­li­chen Glau­ben in einen grös­se­ren Kon­text zu stel­len.Was für beruf­li­che Erfah­run­gen brin­gen Sie mit?Mein Hand­werk sind Mar­ke­ting und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Im Rah­men mei­ner KV-Aus­bil­dung habe ich beim Bund gear­bei­tet. Hier war ich ein Jahr im Kri­sen­zen­trum tätig, als der Tsu­na­mi aus­brach. Aus der Poli­tik weiss ich, was diplo­ma­ti­sches Lob­by­ing bedeu­tet. Danach war ich in der Pri­vat­wirt­schaft tätig, in der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Kun­den­be­treu­ung. Aktu­ell arbei­te ich in der Kom­mu­ni­ka­ti­on von «Blut­spen­de SRK» (Schwei­ze­ri­sches Rotes Kreuz, d. Red.).Sie sind auch noch Studentin. Ich mache einen inter­dis­zi­pli­nä­ren Master in Poli­tik, Reli­gi­on und Wirt­schaft an den Uni­ver­si­tä­ten Luzern, Basel und Zürich. Hier bele­ge ich vie­le theo­lo­gi­sche Inhal­te.Sie haben die Stel­le unter ande­rem bekom­men, weil sie in der Kir­chen­sze­ne ein unbe­schrie­be­nes Blatt sind. Wie­so wer­den Sie kir­chen­po­li­tisch erst jetzt aktiv?Aus Zeit­grün­den, und weil mir die Vor­bil­der gefehlt haben. In der Poli­tik habe ich Vor­bil­der, die mir inhalt­lich und vom Alter her nahe sind. Das hat­te ich in der Kir­che nicht.Wer­den Sie das ändern?Ich hof­fe es.Wie?Indem wir sicht­bar sind. Neh­men wir Insta­gram als Bei­spiel. Hier kann man dabei sein, ohne dass man ein Com­mit­ment able­gen muss: Man muss nicht mit­ma­chen, nicht kom­men­tie­ren, nicht liken. Für den ersten Schritt braucht es das. An klei­ne­ren Orten kann man kaum einen Fuss in eine Kir­che set­zen, ohne dass es heisst: «Oh, jemand Jun­ges. Wir brau­chen jeman­den für das Mini­fest» … Das ist zu viel am Anfang. Das macht Angst.Sie sind GL-Mit­glied der FDP-Frau­en und Co-Prä­si­den­tin der LGTB-Fach­grup­pe der FDP, aus­ser­dem Prä­si­den­tin der Pri­de in Zürich. Wie brin­gen Sie das alles zeit­lich unter einen Hut?Es kommt mir sehr ent­ge­gen, dass ich mono­the­ma­tisch unter­wegs bin: Ich bear­bei­te das The­ma Gleich­stel­lung. Ich habe kein poli­ti­sches Amt inne, sonst müss­te ich mich immer wie­der in neue The­men ein­ar­bei­ten. Ich habe somit deut­lich weni­ger Auf­wand und kann auch Syn­er­gien nut­zen.Sie haben einen refor­mier­ten Vater aus Bern, eine katho­li­sche Mut­ter aus Indo­ne­si­en. Was für eine Bezie­hung haben Sie heu­te zu Indonesien?Indo­ne­sisch ist mei­ne erste Spra­che. Bevor ich ein­ge­schult wur­de, habe ich einen gros­sen Teil mei­ner Lebens­zeit in Indo­ne­si­en ver­bracht. Die Schu­le habe ich aber in der Schweiz absol­viert. Dar­um ist mein Deutsch bes­ser als mein Indo­ne­sisch. Ich ver­su­che jedoch, die indo­ne­si­sche Spra­che zu behal­ten und auch poli­tisch im Bild zu blei­ben.Wie reagier­te Ihre indo­ne­si­sche Fami­lie dar­auf, dass Sie les­bisch sind und sich für LGBT-The­men einsetzen?In Indo­ne­si­en wird über Homo­se­xua­li­tät nicht gespro­chen, in eini­gen Pro­vin­zen ist es sogar ille­gal. Mei­ne Fami­lie hat­te vor mir kei­ner­lei Erfah­run­gen mit Homo­se­xua­li­tät, das hat es nicht ein­fa­cher gemacht. Aber ich den­ke, wir sind auf gutem Weg. Des­halb war ich in den letz­ten Jah­ren weni­ger in Indo­ne­si­en. Inzwi­schen weiss mei­ne gan­ze Fami­lie das und mei­ne Frau und ich wer­den, sobald Coro­na es erlaubt, nach Indo­ne­si­en fah­ren.Inter­view: Syl­via StamDas Inter­view ist zuerst im «pfarr­blatt» Bern erschie­nen.     
Regula Vogt-Kohler
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