Das duale System frisst seine Kinder – auf beiden Seiten
- Pastoralraumpfarrer Andreas Stüdli geht. Nicht freiwillig.
- Nach drei Jahren Kampf, wie er sagt, streckt der beliebte Seelsorger im Pastoralraum Zurzach-Studenland die Waffen.
- Schuld an der verzwickten Lage in den fünf betroffenen Pfarreien scheint das duale System zu sein.
Journalisten wittern in der Regel eine Geschichte, wenn man sie nicht erzählen will. So passiert im Pastoralraum Zurzach-Studenland, wo ein als «Pressemitteilung» tituliertes Schreiben nur gerade das ortsansässige Regionalblatt erreichte und auch nur in der gedruckten Horizonteausgabe im entsprechenden Pastoralraumteil erschien. Onlinepublikation oder Information der Pfarrblattredaktion durch Pressemitteilung: Fehlanzeige. Inhalt der Mitteilung: Demission des Pastoralraumpfarrers Andreas Stüdli, per 31. März 2022.
Es geht nicht mehr
Ein Anruf genügte, um bestätigt zu bekommen, was sich aus der Pressemitteilung schon herauslesen liess: Hier hat nicht einer gekündigt, der seine Aufgabe erfüllt hat und nun eine neue Herausforderung sucht, sondern hier geht einer, weil es nicht mehr geht. Andreas Stüdli kam 2018 als junger Priester, ein Jahr nach seiner Priesterweihe, nach Bad Zurzach, um den geplanten Pastoralraum aufzubauen. Eröffnet wurde dieser im Oktober 2020, und Stüdli wurde als Pastoralraumpfarrer und Pfarradministrator der Pfarreien Baldingen, Kaiserstuhl, Schneisingen, Wislikofen und Zurzach eingesetzt.
Eine grosse Aufgabe für einen Priester, der vorher noch keine eigene Gemeinde geleitet hatte. In der offiziellen Mitteilung schreibt Stüdli: «Unterschiedliche Vorstellungen von Leitungskompetenzen innerhalb des dualen Systems erschwerten zunehmend die Zusammenarbeit.» Am Telephon wird Stüdli noch deutlicher: «Die Dualität wird von Teilen unserer Kirchenpflegen nicht eingehalten. Die Behördenseite redet bei pastoralen Dingen darein und sieht mich nicht als gleichwertigen Partner.»
Zuviel Verantwortung
Als Frontmann dieser «Behörde», dem Zweckverband Pastoralraum Zurzach-Studenland, amtet Verbandspräsident Felix Vögele. Er sieht das Scheitern des Pastoralraumpfarrers primär in dessen Überlastung begründet: «Er trägt seit dem Abgang von Marcus Hüttner die pastorale Verantwortung für alle fünf Pfarreien.» Das sei ihm zuviel geworden, meint Vögele und fügt an: «Das duale System funktioniert einfach nicht mehr. Die Seelsorger haben keine Führungsausbildung. Und das Bistum scheint sich nicht darum zu kümmern.» Dass seit Stüdlis Amtsantritt das Seelsorgepersonal im Pastoralraum um mehr als 200 Prozent reduziert wurde, findet keine Erwähnung.
Führungsschwäche wurde vom Verbandspräsidenten schon dem vorherigen Gemeindeleiter, Marcus Hüttner, vorgeworfen (Horizonte berichtete). Aber auch der Vorgänger von Andreas Stüdli, Raimund Obrist, warf nach zwei Jahren im Kampf um den Aufbau des Pastoralraums Zurzach-Studenland das Handtuch. Der Gegenwind von Seiten der Kirchgemeinden war zu heftig. Der Pastoralraum rund um das Verenenmünster scheint nicht zur Ruhe zu kommen.
«Gegenseitige Verletzungen»
Der zuständige Regionalverantwortliche des Bistums, Tobias Fontein, bestätigt das oben Erwähnte in einer schriftlichen Stellungnahme: «Die Schwierigkeiten traten in der Zusammenarbeit im dualen System auf. Es führt immer zu Konflikten, wenn in diesem System Grenzüberschreitungen passieren und Zuständigkeiten nicht eingehalten werden. Aus Zurzach gelangten von der pastoralen und der staatskirchlichen Seite Klagen zu mir, dass es solche Grenzüberschreitungen gäbe. Wir haben versucht, mit Abmachungen, Supervision und Verbesserung der Kommunikation gegenzusteuern, aber es kam trotzdem auf beiden Seiten zu Verletzungen, die gegenseitig zu einem Verlust von Loyalität und Vertrauen führten.»
Stüdli sagt, man habe ihm von Behördenseite nahegelegt, zu kündigen, andernfalls man ihm kündigen werde. Auf Nachfrage von Horizonte sagt eine Kirchenpflegepräsidentin, das stimme nicht. Der Bistumsregionalverantwortliche habe Stüdli geraten, zu kündigen. Tobias Fontein schreibt: «Ich habe Andreas keine Kündigung empfohlen. Ich habe ihm nur empfohlen, sich zu schützen, damit er nicht krank wird.»
Werden Pfarrer verschlissen?
Auf die Frage, ob die Aufgabe als Pastoralraumpfarrer nicht einfach nur ein Verschleissjob sei, antwortet Fontein: «Die Leitung eines Pastoralraums ist kein ‹Verschleissjob›, sondern eine anspruchsvolle Aufgabe, für die es eine entsprechende Schulung und Ausbildung braucht. Probleme treten da auf, wo Leitungspersonen unzureichend vorbereitet sind und nicht die nötigen Kompetenzen mitbringen. Das haben wir im Bistum Basel erkannt und werden künftig mehr in die Ausbildung von Leitungspersonen und die Förderung von Führungskompetenzen investieren. Schon in der Berufseinführung soll es dazu entsprechende Module geben.»
Die Redaktion Horizonte behält in dieser Angelegenheit die journalistische Nase im Wind und geht den diversen Problemquellen des dualen Systems in weiteren Artikeln auf den Grund.