Dank­bar­keit statt Drohung

  • An der Kir­chen­pfle­ge­ta­gung vom 23./24. Febru­ar stell­te Frank Worbs den katho­li­schen Kir­chen­pfle­gern des Kan­tons das Modell «Lebens­lang Mit­glied blei­ben» vor.
  • Der Refe­rent ist Lei­ter des Infor­ma­ti­ons­dien­stes der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aar­gau, das Modell wur­de von meh­re­ren refor­mier­ten Lan­des­kir­chen erar­bei­tet, um auch distan­zier­te und kon­takt­lo­se Mit­glie­der an Bord zu halten.
  • Zum zwei­ten Mal in Fol­ge hält ein Ver­tre­ter der Refor­mier­ten das Haupt­re­fe­rat an den Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen, die von der katho­li­schen Kir­che im Aar­gau orga­ni­siert wer­den. Für den katho­li­schen Kir­chen­rats­prä­si­den­ten Luc Hum­bel ist das Aus­druck der selbst­ver­ständ­li­chen Öku­me­ne und zeigt, dass man von­ein­an­der nur pro­fi­tie­ren kann.
  • Die Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen fin­den noch­mals am 9./10. März sowie am 23./24. März 2018 statt. Sie sind aus­ge­bucht, ins­ge­samt neh­men 220 Kir­chen­pfle­ge­rin­nen und Kir­chen­pfle­ger dar­an teil.
 Frank Worbs holt Luft: «Sie kön­nen mich eso­te­risch nen­nen. Aber ich behaup­te, dass der Adres­sat spürt, wenn ich einen Brief mit lust­lo­ser Ver­ach­tung ver­fasst habe. Ganz unab­hän­gig vom Inhalt.» Der Refe­rent stellt an den Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen 2018 in Wis­li­kofen das Modell «Lebens­lang Mit­glied blei­ben» der Refor­mier­ten Lan­des­kir­chen vor. Die­ses wur­de ent­wickelt, um die Bezie­hung zu distan­zier­ten Mit­glie­dern zu pfle­gen und Aus­trit­ten vor­zu­beu­gen. Der Lei­ter des Infor­ma­ti­ons­dien­stes der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aar­gau mach­te deut­lich, dass es eine Hal­tungs­än­de­rung braucht, um kon­takt­lo­se Kir­chen­mit­glie­der neu wert­zu­schät­zen.

70 Pro­zent ohne Kontakt

Frank Worbs zeig­te, dass die distan­zier­ten Kir­chen­mit­glie­der, die zwar Steu­ern zah­len, jedoch nicht aktiv in Erschei­nung tre­ten, in der Mehr­zahl sind. Bis zu 70 Pro­zent der Mit­glie­der haben in den letz­ten fünf Jah­ren weder einen Got­tes­dienst noch eine Tau­fe, Beer­di­gung oder Hoch­zeit besucht und auch sonst kei­nen Kon­takt zur Kir­che gehabt. Im Ver­hält­nis zu ihrer Anzahl wen­den die Kirch­ge­mein­den einen sehr klei­nen Betrag für die­se «kon­takt­lo­sen» Mit­glie­der auf.

«Sagen Sie doch mal Danke»

Frank Worbs erklär­te, dass es eine Ände­rung der Tona­li­tät brau­che, um sol­che distan­zier­ten Mit­glie­der lebens­lang zu hal­ten. Weg vom dro­hen­den oder mis­sio­na­ri­schen Unter­ton, hin zu Inter­es­se und Dank­bar­keit. «Sagen Sie den Leu­ten doch ein­fach mal Dan­ke. Denn ohne die finan­zi­el­len Bei­trä­ge der Distan­zier­ten könn­te die Kir­che ihr Ange­bot nicht auf­recht erhal­ten.» Was ein Dan­ke bewir­ken kann, illu­strier­te Frank Worbs anhand eines Bei­spiels: Als Ant­wort auf ihren Aus­tritt erhielt eine Frau einen Brief, in dem ihr die Kir­chen­pfle­ge für die vie­len Jah­re Mit­glied­schaft dank­te und ihr alles Gute wünsch­te. Für die frisch Aus­ge­tre­te­ne eine so posi­ti­ve Über­ra­schung, dass sie der Kir­che sogleich wie­der bei­trat.

Prak­ti­sche Tipps vom Referenten

Bei ihren Mit­glie­dern bedan­ken könn­ten sich Kir­chen­pfle­ge und Gemein­de­lei­tung bei­spiels­wei­se in der Ein­la­dung zur Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lung. Neben den Trak­tan­den könn­te die Beschrei­bung von ein, zwei aktu­el­len Pro­jek­ten den Leu­ten zei­gen, wofür ihre Kir­chen­steu­ern gut sind. Gedruck­te Medi­en spie­len erwie­se­ner­mas­sen die Haupt­rol­le, wenn es dar­um geht, den Kon­takt zu distan­zier­ten Mit­glie­dern zu suchen. Zum Ver­fas­sen von Brie­fen oder Kar­ten gab Frank Worbs prak­ti­sche Tipps: «Schrei­ben Sie mög­lichst per­sön­lich! Behan­deln Sie nur ein ein­zi­ges The­ma. Und: spre­chen Sie kei­ne Ein­la­dung aus!» Denn eine Ein­la­dung kön­ne eine Abwehr­hal­tung aus­lö­sen und die­ses Nega­tiv­ge­fühl blei­be bei den Leu­ten dann hän­gen.

Räu­me gross­zü­gig zur Ver­fü­gung stellen

Tagungs­lei­ter Jür­gen Hein­ze von der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei erläu­ter­te im Anschluss den enor­men Wan­del der Mit­glie­der­ein­stel­lung. Von Mit­glie­dern, die sich in hohem Mass mit der Kir­che iden­ti­fi­zie­ren, über sol­che, die noch lose mit ihr ver­bun­den sind, bis hin zu den ganz Distan­zier­ten sind in unse­rer Kir­che alle Ein­stel­lun­gen neben­ein­an­der vor­han­den. Nie­der­schwel­li­ge Kon­takt­mög­lich­kei­ten sei­en des­halb wich­tig, erklär­te Jür­gen Hein­ze. Dazu gehö­re zum Bei­spiel, kirch­li­che Räu­me gross­zü­gig zur Ver­fü­gung zu stel­len. Oder die Prä­senz der Kir­che an uner­war­te­ten Orten. Als gutes Bei­spiel dafür nann­te er die Bahn­hof­ak­ti­on «Gute Rei­se – gute Heim­kehr» der Kirch­ge­mein­de Aar­au.

Loka­le Mit­glie­der­ver­wal­tung reicht nicht mehr

In der dar­auf fol­gen­den «Mur­mel­run­de» an den Tischen bespra­chen die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Kir­chen­pfle­ge­ta­gung, wel­che Ange­bo­te es in ihrer Kirch­ge­mein­de schon gibt, und wel­che mög­lich wären. Dabei stell­te sich die Mit­glie­der­ver­wal­tung als Knack­punkt her­aus. Jede Pfar­rei ver­wal­tet ihre eige­nen Mit­glie­der. Aber loka­le Lösun­gen rei­chen in der heu­ti­gen Zeit nicht mehr. Mit jedem Umzug geht «Histo­rie» ver­lo­ren. Eine Kir­chen­pfle­ge­rin bedau­er­te: «Einem Paar, das nicht kirch­lich getraut ist, kön­nen wir nicht zum Hoch­zeits­tag gra­tu­lie­ren, weil wir die­se Daten von der Gemein­de nicht bekom­men.» Genau­so wenig kann eine Kirch­ge­mein­de jeman­dem zu zwan­zig Jah­ren Fir­mung gra­tu­lie­ren, der erst seit fünf Jah­ren im Ort wohnt.

Turm­be­stei­gung am 1. August

Die Dis­kus­si­on im Ple­num, gelei­tet von der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­ant­wort­li­chen der Lan­des­kir­che, Esther Kuster, brach­te eini­ge gute Bei­spie­le für die Bezie­hungs­pfle­ge zu Distan­zier­ten zur Spra­che. Eine Pfar­rei bot anläss­lich der 1. August-Fei­er eine Kir­chen­füh­rung für die Bevöl­ke­rung an. Die zuge­hö­ri­ge Turm­be­stei­gung zeig­te den Ein­woh­nern ihre Gemein­de aus einer ande­ren Per­spek­ti­ve – und zog auch vie­le Fami­li­en mit Kin­dern an. Eine zwei­te Kirch­ge­mein­de betei­ligt sich am Feri­en­pass­an­ge­bot der Gemein­de, mit einer Orgel­füh­rung in der Kir­che. Jedoch orte­ten eini­ge Teil­neh­men­de Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al bei ihren Ange­bo­ten: «Unse­re Ein­la­dung zur Kirch­ge­mein­de­ver­samm­lung wer­den wir nach die­sem Vor­trag per­sön­li­cher gestal­ten.», sag­te ein Kir­chen­pfle­ger. Und Bischofs­vi­kar Chri­stoph Ster­k­man, der die Bis­tums­re­gio­nal­lei­tung St. Urs ver­trat, stell­te in Aus­sicht, den Brief für Aus­ge­tre­te­ne zu über­ar­bei­ten. Eine «Dan­ke» von Sei­ten der Kir­che kann näm­lich Wun­der wir­ken.

Fro­he Ostern für den gan­zen Aargau

Eine Idee aus dem Refe­rat von Frank Worbs nahm Kir­chen­rats­prä­si­dent Luc Hum­bel gleich auf. Eine kan­tons­wei­te, öku­me­ni­sche Oster­kar­te, die von den Lan­des­kir­chen gestal­tet und von den Kirch­ge­mein­den an alle Mit­glie­der ver­schickt wird. «Stim­men wir doch gleich ab – wenn Sie mehr­heit­lich dafür sind, bekom­men Esther Kuster und Frank Worbs einen Auf­trag von uns», ver­sprach er. Die Zustim­mung war gross, so dass man gespannt sein darf auf die Oster­post 2019. Letz­tes Jahr sprach der refor­mier­te Kir­chen­rats­prä­si­dent Chri­stoph Weber-Berg an den Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen. Dass auch die­ses Jahr wie­der ein Refor­mier­ter refe­rie­re, sei Aus­druck des öku­me­ni­schen Selbst­ver­ständ­nis­ses der Aar­gau­er Lan­des­kir­che und bestä­ti­ge, dass man von­ein­an­der nur pro­fi­tie­ren kön­ne, hielt Luc Hum­bel fest. 
Marie-Christine Andres Schürch
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