Chri­sten im Dilem­ma um das unge­bo­re­ne Kind

Die Schwei­zer Bischö­fe sagen weder ja noch nein, in den christ­li­chen Par­tei­en gibt es unter­schied­li­che Mei­nun­gen. Bei der Fra­ge nach einer Hal­tung zur Initia­ti­ve «Abtrei­bungs­fi­nan­zie­rung ist Pri­vat­sa­che», über die am 9. Febru­ar 2014 abge­stimmt wird, argu­men­tie­ren Befür­wor­ter wie Geg­ner mit der christ­li­chen Tradition.Die Initi­an­ten möch­ten die Finan­zie­rung von Abtrei­bun­gen aus der Grund­ver­si­che­rung der Kran­ken­kas­sen strei­chen, «aus­ser wenn die Mut­ter gesund­heit­lich stark oder lebens­be­droh­lich gefähr­det ist», sagt Elvi­ra Bader, Co-Prä­si­den­tin des Initia­tiv­ko­mi­tees und ehe­ma­li­ge CVP-Natio­nal­rä­tin. Die Initi­an­ten begrün­den die Strei­chung in erster Linie mit der Gewis­sens­frei­heit der Ein­zel­nen: «Nie­mand soll ver­pflich­tet wer­den, über Prä­mi­en die Abtrei­bun­gen ande­rer mit­fi­nan­zie­ren zu müs­sen», heisst es auf der Home­page des Initia­tiv­ko­mi­tees. Elvi­ra Bader beruft sich dabei auf die christ­li­che Tra­di­ti­on: «Der Zwang, Abtrei­bun­gen mit­zu­fi­nan­zie­ren, ver­stösst gegen die christ­li­che Tra­di­ti­on der Kul­tur des Lebens, gegen die Men­schen­wür­de des unge­bo­re­nen Kin­des und gegen die Gewis­sens­frei­heit jedes Ein­zel­nen», erklärt sie.Nein zur Initia­ti­ve ist kein Ja zur Abtreibung In eine ähn­li­che Rich­tung geht die Argu­men­ta­ti­on der Schwei­zer Bischö­fe, die in ihrem Com­mu­ni­qué vom 6. Dezem­ber 2012 den Ein­satz der Initi­an­ten für den Schutz des Lebens und gegen die Nor­ma­li­tät des Schwan­ger­schafts­ab­bruchs posi­tiv wer­ten. Abtrei­bung ist aus Sicht der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz (SBK) «eine alle Betei­lig­ten und die Gesell­schaft nach­hal­tig schä­di­gen­de schwe­re Sün­de.» Jedoch müs­se die­se grund­sätz­li­che Ebe­ne von jener der Finan­zie­rung unter­schie­den wer­den: «Die Dis­kus­si­on der Finan­zie­rungs­wei­se genügt nicht für die Ent­schei­dung pro oder con­tra Abtrei­bung», so die SBK wei­ter. Der Bas­ler Bischof Felix Gmür hält Finan­zie­rung und Befür­wor­tung der Abtrei­bung denn auch klar aus­ein­an­der: «Wer den Kata­log der Kran­ken­kas­sen­lei­stun­gen so, wie er ist, bei­be­hal­ten will, darf nicht zum Abtrei­bungs­be­für­wor­ter abge­stem­pelt wer­den.» Der Chu­rer Bischof Vitus Huon­der unter­stützt die Initia­ti­ve den­noch, weil nie­mand zu etwas gezwun­gen wer­den sol­le, was sei­nem Gewis­sen wider­spre­che. Die Tötung des unge­bo­re­nen Lebens wer­de im Moment «von uns allen ‘quer­fi­nan­ziert’. Aus dem katho­li­schen Glau­ben her­aus ist das ganz klar Tötung.»Christ­li­che Par­tei­en geteil­ter Meinung Auch in den Par­tei­en mit christ­li­cher Grund­hal­tung sind die Mei­nun­gen ver­schie­den: Die EVP hat mit 59 zu 31 Stim­men die Ja-Paro­le beschlos­sen. Sie begrün­det dies auf ihrer Home­page mit dem «umfas­sen­den Schutz des mensch­li­chen Lebens» und hofft auf eine sin­ken­de Zahl an Abtrei­bun­gen bei Annah­me der Initia­ti­ve. Die CVP emp­fiehlt die Abtrei­bungs­fi­nan­zie­rungs-Initia­ti­ve zur Ableh­nung. Es über­zeug­te das Argu­ment, wonach die Initia­ti­ve vor allem mit­tel­lo­se Frau­en in Not tref­fen wer­de. Für Abtrei­bun­gen auf den Abschluss einer Zusatz­ver­si­che­rung zu ver­wei­sen, sei dem­nach gera­de­zu zynisch. Bereits in der Abstim­mung vom 27. Sep­tem­ber 2013 hat die CVP im Natio­nal­rat die Initia­ti­ve mit 21 zu 3 Stim­men abge­lehnt, 5 Per­so­nen ent­hiel­ten sich der Stim­me. Klar gegen die Initia­ti­ve aus­ge­spro­chen haben sich die CVP-Frau­en Schweiz: «Es geht nicht an, den Lei­stungs­ka­ta­log der Kran­ken­kas­sen zu ver­än­dern», sagt die Prä­si­den­tin der CVP-Frau­en, Babet­te Sigg Frank. Das Stimm­volk habe sich 2002 dafür aus­ge­spro­chen, dass Abtrei­bun­gen über die Grund­ver­si­che­rung finan­ziert wer­den sol­len. «Wir sind kei­ne glü­hen­den Ver­fech­te­rin­nen des Schwan­ger­schafts­ab­bruchs, aber wenn eine Frau abtrei­ben muss, dann soll es nicht am Finan­zi­el­len schei­tern», so Babet­te Sigg Frank wei­ter. Die Gewis­sens­frei­heit der Ein­zel­nen hält sie für ein Schein­ar­gu­ment, dem sie die Soli­dar­haf­tung der Kran­ken­kas­sen ent­ge­gen­stellt.Wer ohne Sün­de sei, wer­fe den ersten Stein «Soli­da­ri­tät» ist denn auch ein wei­te­res Stich­wort, mit wel­chem bei­de Sei­ten argu­men­tie­ren. Die Fra­ge ist nur, wem die Soli­da­ri­tät gilt: «Es geht in erster Linie um das unge­bo­re­ne Leben», hält Bischof Huon­der fest. «Die Frau ver­dient jede Unter­stüt­zung, die sie benö­tigt, aber glei­cher­mas­sen muss das unge­bo­re­ne Leben geschützt wer­den.» Als Alter­na­ti­ve zur Abtrei­bung schlägt er die Frei­ga­be zur Adop­ti­on vor. Unge­bo­re­nes Leben zu schüt­zen hält auch Initia­tiv-Geg­ne­rin Bar­ba­ra Schmid-Fede­rer für «unser aller Pflicht.» Sie wehrt sich aber gegen die mora­li­sche Ver­ur­tei­lung von Frau­en, die in eine Situa­ti­on gera­ten, in der sie ihr Kind nicht aus­tra­gen kön­nen. «Die Initia­ti­ve will mit der Moral­keu­le auf die betrof­fe­nen Frau­en los­ge­hen. Dies erin­nert mich an die bibli­sche Situa­ti­on der Stei­ni­gung der Ehe­bre­che­rin: Wer ohne Sün­de sei, wer­fe den ersten Stein. Ich wer­fe ihn nicht.»Abtrei­bung im Lebensplan? Als mög­li­che Lösung aus dem Dilem­ma schla­gen die Initi­an­ten vor, dass die Abtrei­bung über eine Zusatz­ver­si­che­rung finan­ziert wer­den soll. «Wenn die Kosten für die Abtrei­bun­gen aus einer Zusatz­ver­si­che­rung berappt wer­den, dann haben jede Frau und jeder Mann die Mög­lich­keit zu ent­schei­den, ob sie Abtrei­bun­gen mit­fi­nan­zie­ren wol­len oder nicht», hielt Elvi­ra Bader in ihrem Refe­rat anläss­lich der Lan­cie­rung der Initia­ti­ve im Janu­ar 2010 fest. Das setzt laut ihrer Par­tei­kol­le­gin Bar­ba­ra Schmid-Fede­rer vor­aus, dass es Frau­en gebe, wel­che eine Abtrei­bung in ihren Lebens­plan ein­schlös­sen. «Wer sol­ches sagt, ver­kennt die schwie­ri­ge Situa­ti­on, in wel­cher sich die betrof­fe­nen Frau­en befin­den.» Sie hält die Eigen­ver­ant­wort­lich­keit der Ein­zel­nen zwar für sehr wert­voll, doch es könn­ten im Leben nun mal unge­plan­te Ereig­nis­se und Feh­ler pas­sie­ren. «Sol­len wir des­halb jun­ge Frau­en und Män­ner im Fall einer unge­plan­ten Schwan­ger­schaft allei­ne las­sen, statt ihnen zu hel­fen? Das hät­te mit christ­li­cher Ethik nichts zu tun.»Mit­ver­ant­wor­tung der Gesellschaft Auch der Schwei­ze­ri­sche Evan­ge­li­sche Kir­chen­bund (SEK), der sein Nein zur Pri­va­ti­sie­rung der Abtrei­bung in einer 10-sei­ti­gen Bro­schü­re dif­fe­ren­ziert begrün­det, sieht das oben geschil­der­te Dilem­ma für Chri­stin­nen und Chri­sten, zwi­schen Tötungs­ver­bot und der Not betrof­fe­ner Frau­en ent­schei­den zu müs­sen. Er sieht jedoch die Gesell­schaft als Gan­ze in der Ver­ant­wor­tung: «Genau­so wie der Mut­ter – weil es auch um ihr Leben geht – der Ent­scheid für oder gegen eine Abtrei­bung zuge­mu­tet wer­den muss, muss der Ent­scheid auch der Gesell­schaft – weil sie zur Gemein­schaft mit dazu­ge­hört – und damit auch Chri­stin­nen und Chri­sten zuge­mu­tet wer­den.» Mit­ver­ant­wor­tung der Gesell­schaft bedeu­tet für den SEK, struk­tu­rel­le Rah­men­be­din­gun­gen zu schaf­fen, «dass allein erzie­hen­de Müt­ter und Väter sowie auch Fami­li­en auf der beruf­li­chen und wirt­schaft­li­chen Ebe­ne begün­stigt sind.» Er for­dert Ein­rich­tun­gen und Räu­me zur För­de­rung der Kin­der. Nicht durch Sank­tio­nen, son­dern durch sol­che Lebens­per­spek­ti­ven könn­ten Abtrei­bun­gen ver­hin­dert wer­den.kipa/acm 
Redaktion Lichtblick
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