Bit­te lächeln

Rund fünf­zehn Fahr­mi­nu­ten vom Aar­au­er Bahn­hof ent­fernt, liegt, prak­tisch im Nir­gend­wo, die Hal­te­stel­le Küt­ti­gen, Ben­ken-Klus. Es gibt viel Natur, eine schma­le Stras­se und ein gros­ses Gebäu­de aus den 1820er-Jah­ren; die alte Papier­müh­le. Hier hat der neue Hori­zon­te-Jah­res­künst­ler Wer­ner Rol­li sein Atelier.«Es darf am Gebäu­de aus­sen nichts ver­än­dert wer­den. Auch die Stras­se muss blei­ben, wie sie ist», erklärt Wer­ner Rol­li, als er die Tür öff­net. Im Inne­ren des Gebäu­des: ver­win­kel­te Trep­pen, das Ate­lier einer Flo­ri­stin, pracht­voll geweb­te Tep­pi­che einer ver­stor­be­nen Künst­le­rin, in den Ecken ste­hen Schach­teln und Palet­ten. Die Luft riecht nach Kunst. Im Stu­dio­raum von Wer­ner Rol­li ver­ra­ten Sta­ti­ve, Bild­schir­me und zahl­rei­che Beleuch­tungs­schir­me, dass hier ein Foto­graf sei­nem Beruf nach­geht. Spä­ter wird der Foto­graf sel­ber foto­gra­fiert wer­den; mit einem sei­ner Lieb­lings­bil­der, dem Por­trät eines india­nisch­stäm­mi­gen Musi­kers.Jugend­traum Sie haben viel gemein­sam, die schei­den­de Jah­res­künst­le­rin Eri­ka Stei­ner und der Neue, Wer­ner Rol­li. Sie sit­zen neben­ein­an­der auf einem Sofa im Stu­dio, spre­chen über­legt, ruhig und lei­se und lachen ande­rer­seits laut und herz­lich, wenn sie eine wei­te­re über­ra­schen­de Gemein­sam­keit ent­decken. Zum Bei­spiel, als Wer­ner Rol­li erzählt, dass er sei­nen ersten Füh­rer­schein in Texas gemacht hat.«Mei­nen ersten Füh­rer­schein habe ich in Austra­li­en gemacht», erklärt Eri­ka Stei­ner. Wäh­rend Eri­ka Stei­ner Anfang 20 für drei Jah­re in Ben­di­go leb­te, war Wer­ner Rol­li dienst­lich und pri­vat immer wie­der in den USA. «Sowohl für Zei­tun­gen als auch für eine Foto­mes­se oder, weil ich pri­vat neu­gie­rig auf das Land war. Ame­ri­ka ist ein Traum seit Jugend­jah­ren», sagt Wer­ner Rol­li, der 1959 in Basel gebo­ren wur­de. Er sagt von sich, er sei ein Stadt­mensch. «Für die Arbeit ist das Ate­lier hier in der Ruhe wun­der­bar, doch ich bin froh, dass ich in Aar­au woh­ne und lebe», sagt er mit ver­schmitz­tem Lächeln. Seit 23 Jah­ren ist er im Aar­gau, hat mit sei­ner Frau zwei Töch­ter.Auch wenn die Foto­gra­fie immer sein Wunsch­be­ruf war, hat Wer­ner Rol­li zunächst etwas ande­res gelernt. «Bei der Berufs­be­ra­tung haben sie mir gesagt, dass mit der Foto­gra­fie sol­le ich ver­ges­sen. Also habe ich die Stif­ti beim Hug als Musik­in­stru­men­ten­fach­ver­käu­fer gemacht. In der Rück­schau ist es ein Glücks­fall gewe­sen, denn ich lern­te dort einen Musi­ker ken­nen, der mir viel bei­brach­te. Eng­lisch, Ver­ständ­nis für Coun­try und Blues und mehr», erzählt Wer­ner Rol­li, der sel­ber Mit­glied einer Band ist.Ver­än­de­run­gen Wenn Wer­ner Rol­li erzählt, bekommt man den Ein­druck, das Leben habe sich für ihn gefügt: über sei­ne Lie­be zur Musik und zu den USA fängt er an für Musik­ma­ga­zi­ne zu schrei­ben. Er macht Radio, geht an Kon­zer­te, berich­tet dar­über und foto­gra­fiert. Die Anfra­gen für Fotos meh­ren sich. Bei der Tages­zei­tung, für die er mitt­ler­wei­le arbei­tet, kann er eben­falls Fotos unter­brin­gen. Als die Zei­tung mit einem ande­ren Blatt zusam­men­geht, setzt Wer­ner Rol­li alles auf eine Kar­te und sagt: «Die­se Zei­tung braucht einen Foto­gra­fen.» Es funk­tio­niert.«Viel­leicht ist es gut, dass ich für mei­ne Foto­gra­fie immer kämp­fen muss­te und mir alles sel­ber erar­bei­tet habe», sagt Wer­ner Rol­li. Für ihn ist wich­tig, dass man sich auf das Leben ein­lässt, denn dann «erlebt und erfährt man die schön­sten Geschich­ten und es eröff­nen sich unge­ahn­te Mög­lich­kei­ten. Das Por­trät­fo­to des India­ners ist mir des­halb so wich­tig. Es hängt für mich eine unend­lich lan­ge und berei­chern­de Geschich­te dar­an.»Eri­ka Stei­ner teilt die Ein­stel­lung von Wer­ner Rol­li. Eben­so wie die Über­zeu­gung, dass «Offen-Sein» Ent­wick­lung ermög­licht. «Ich mer­ke an mei­nem kal­li­gra­phi­schen Schaf­fen, wie es sich ver­än­dert, wenn ich das zulas­se. So habe ich bemerkt, dass ich im letz­ten Jahr zuneh­mend ange­fan­gen habe, nicht nur Tex­te schön abzu­schrei­ben, son­dern sie sel­ber zu ver­fas­sen. Und ich habe begon­nen, mehr zu zeich­nen, auch Car­toon aus­zu­pro­bie­ren», sagt Eri­ka Stei­ner.Bei ihrem Jah­res­künst­ler­an­tritt 2014 sag­te sie, sie habe irgend­wann beschlos­sen, kei­ne Kur­se mehr zu besu­chen. Ein biss­chen «untreu» ist sie sich da gewor­den und bereut es nicht: «Ich habe einen Boes­ner-Zei­chen-Kurs besucht und kam mit so vie­len Ideen im Kopf heim, dass ich mich hin­ge­setzt habe und ein­fach gemacht habe. Ohne nach­zu­den­ken, ein­fach aus Freu­de an der Sache.» Eben­die­se Offen­heit und Neu­gier leg­te Wer­ner Rol­li an den Tag, als die Foto­gra­fie durch die Digi­ta­li­sie­rung ihren gros­sen Umbruch erleb­te: «Ich ken­ne Foto­gra­fen, die ihr Geschäft im Zuge die­ser Ver­än­de­rung geschlos­sen haben. Ich war vor allem neu­gie­rig und woll­te wis­sen, wie das alles geht und was ich damit Neu­es anfan­gen kann.»Neu­gier Und die neue Her­aus­for­de­rung, Jah­res­kunst zu den Hoch­fe­sten zu machen? Eri­ka Stei­ner lacht. «Es war span­nend. Beim Advent oder Weih­nach­ten war es noch recht ein­fach, doch zur Fasten­zeit und Ostern wur­de es anspruchs­vol­ler und Mariä Him­mel­fahrt hat­te es in sich. Doch ich habe mich auf die The­men ein­ge­las­sen, bin mit ihnen schwan­ger gegan­gen und habe geschaut, was für mich am The­ma wich­tig ist, sodass Inspi­ra­ti­on flies­sen konn­te.» Sie schaut Wer­ner Rol­li an und fügt hin­zu: «Was bei mir ein­fa­cher war, ich hat­te noch das Wort im Bild. Das hast du nicht.» Wer­ner Rol­li nickt und sagt: «Ja, ich erzäh­le die Geschich­te mit dem Bild. Doch die­se Erfah­rung habe ich. Neu wird für mich, mich inten­siv mit den katho­li­schen Fei­er­ta­gen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Doch ich bin neu­gie­rig und freue mich auf die Recher­chen. Und auch dar­auf, dass ich mei­ne Sicht und mein Ver­ständ­nis der Feste im Aar­gau zei­gen kann.»  Festkunst Die Jah­res­kunst hat bei Hori­zon­te eine lan­ge Tra­di­ti­on. Der Künst­ler oder die Künst­le­rin setzt sich in der eige­nen Aus­drucks­form ver­tieft mit den Hoch­fe­sten des Kir­chen­jah­res aus­ein­an­der und ver­mit­telt den Lesern sei­ne Sicht auf das Fest. Das kann – zum Bei­spiel im Fall von Mariä Him­mel­fahrt – eine Knack­nuss sein. Wo es sinn­voll und not­wen­dig ist, wird das Bild durch einen kur­zen Text ergänzt. Ein Märk­li weist die ent­spre­chen­den Bil­der als Teil der Rei­he aus. Die Aus­drucks­form reicht von Male­rei über Kari­ka­tur und kal­li­gra­phi­scher Kunst bis hin zur Foto­gra­fie. Ein­zel­ne Front­bil­der erzie­len brei­te Reso­nanz. Teils errei­chen die Hori­zon­te-Redak­ti­on auch Fra­gen nach der Mög­lich­keit, Kopien oder Ori­gi­na­le zu erwer­ben. Hori­zon­te ver­mit­telt in einem sol­chen Fall via den Kon­takt zum Künstler/zur Künstlerin.
Anne Burgmer
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