Bewusst machen, was im Leben geglückt ist

Bewusst machen, was im Leben geglückt ist

  • Unter­su­chun­gen haben erge­ben: Schau­en Men­schen am Lebens­en­de zurück, kön­nen sie dar­aus Kraft schöp­fen. Spe­zi­ell aus­ge­bil­de­te Fach­leu­te, dar­un­ter auch Seel­sor­gen­de, erstel­len für Men­schen soge­nann­te «Lebens­spie­gel»
  • Hori­zon­te traf Danie­la Mus­tone, die sich zusam­men mit 11 ande­ren Fach­per­so­nen aus dem Aar­gau für die­se Auf­ga­be hat aus­bil­den las­sen und das Ange­bot im Aar­gau bekannt machen möchte.
 Frau Mus­tone, was ver­steht man unter dem «Lebens­spie­gel», dem neu­en Ange­bot für Men­schen am Lebens­en­de? Danie­la Mus­tone: Der Ansatz kommt aus Kana­da und geht auf Har­vey Max Cho­ch­i­now zurück. Die­ser hat her­aus­ge­fun­den, dass Men­schen am Lebens­en­de oft mit dem Gefühl kämp­fen, die eige­ne Wür­de zu emp­fin­den. Zudem glau­ben sie, ande­ren zur Last zu fal­len. Es kann der Wunsch ent­ste­hen, dass es bes­ser wäre, sie wären nicht mehr da.Aber das beschreibt ja noch nicht den The­ra­pie-Ansatz. Rich­tig. Har­vey Max Cho­ch­i­now hat her­aus­ge­fun­den, dass sich die Wert­schät­zung des eige­nen Lebens stei­gert, wenn es gelingt, bewusst zu machen, was einem Men­schen in sei­nem Leben geglückt ist.Und wie funk­tio­niert nun der «Lebens­spie­gel»? «Lebens­pie­gel» ist ein Syn­onym für die  von Har­vey Max Cho­ch­i­now ver­wen­de­te «Wür­de­zen­trier­te The­ra­pie». Ver­wen­det wird der Begriff «Lebens­spie­gel» von der Andre­as Weber-Stif­tung in Zürich. Mei­nes Erach­tens ver­an­schau­licht die Bezeich­nung «Lebens­spie­gel» auch kla­rer, wor­um es geht: Man macht mit einer Per­son ein Inter­view und fragt nach Din­gen, die rück­blickend wich­tig waren. Dabei geht es auch um sozia­le Rol­len, um Wer­te und beson­de­re Erleb­nis­se, die wei­ter­ge­ge­ben wer­den sol­len. Das Ergeb­nis aus einem sol­chen Gespräch wird her­nach der inter­view­ten Per­son vor­ge­le­sen und in schrift­li­cher Form aus­ge­hän­digt.Und das hat den erwähn­ten Effekt? Für zwölf Per­so­nen aus dem Aar­gau hat die Zür­cher Andre­as Weber-Stif­tung im Kan­ton einen Aus­bil­dungs­kurs «Lebens­spie­gel» durch­ge­führt. Übungs­hal­ber haben wir dann auch gegen­sei­ti­ge «Lebens­spie­gel» erstellt und erfah­ren: Das ist schon eine spe­zi­el­le, berüh­ren­de Situa­ti­on, wenn dir jemand aus dei­nem Leben vor­liest. Auch Ange­hö­ri­gen kann ein sol­cher «Lebens­spie­gel« hel­fen.Wie denn? Der «Lebens­spie­gel» wur­de auch schon an einer Abdan­kung vor­ge­le­sen. Oder wenn Sie sich vor­stel­len, dass bei­spiels­wei­se ein Fami­li­en­va­ter ster­ben muss, des­sen Kin­der noch sehr klein sind: Mit Hil­fe des «Lebens­spie­gels» kann er etwas ganz Per­sön­li­ches hin­ter­las­sen  — Emo­tio­na­les; was er bei­spiels­wei­se gefühlt hat, wenn er sei­ne Kin­der im Arm gehal­ten hat. So etwas kann für die­se spä­ter ein Trost sein, gera­de wenn sie aus die­ser Zeit nur schwa­che Erin­ne­run­gen haben.Kann es bei solch einer Arbeit nicht auch heik­le Situa­tio­nen geben – gera­de wenn Ver­let­zun­gen hoch­kom­men? Durch­aus. Mög­li­cher­wei­se sind da noch «offe­ne Rech­nun­gen», oder es äus­sert sich Ver­bit­te­rung.Wie geht der «Lebens­spie­gel» damit um? Wir neh­men sol­che Sachen auf, fra­gen aber durch­aus: «Wol­len Sie das so las­sen?» Der «Lebens­spie­gel» soll auch hel­fen kön­nen, schmerz­li­che Din­ge los­zu­las­sen und zu ver­ge­ben.Zwölf Per­so­nen aus dem Aar­gau haben sich zum The­ma «Lebens­spie­gel» aus­bil­den las­sen. Waren dar­un­ter auch Seel­sor­gen­de? Ja, ins­ge­samt vier Per­so­nen aus der Spi­tal­seel­sor­ge – zusam­men mit Fach­per­so­nen aus den Berei­chen Psy­cho­lo­gie, Psy­cho-Onko­lo­gie und Pfle­ge.Der «Lebens­spie­gel» als Ange­bot ist ja noch kaum bekannt: Wie wol­len Sie das ändern? Indem wir ihn brei­ter bekannt machen und wei­te­re Fach­per­so­nen aus­bil­den. Unser Ziel ist es, im Jahr 2021 hier im Aar­gau einen eige­nen Kurs zum The­ma «Lebens­spie­gel» anzu­bie­ten. Bis dahin hof­fen wir auch, dass das Ange­bot einer brei­te­ren Fach­öf­fent­lich­keit bekannt ist – nament­lich den­ken wir an Ärz­te, Sozi­al­be­ra­ter, Seel­sor­gen­de, Psy­cho­lo­gen, Pfle­ge­fach­per­so­nen, aber auch an Stif­tun­gen und Ver­ei­ne wie die Lun­gen- und Krebs­li­ga sowie wie Alters- und Pflegeheime.
Andreas C. Müller
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