Aargauer am 40. Ranftreffen

Aargauer am 40. Ranftreffen

  • Das Ran­ft­tr­e­f­fen «jublalierte» mit 1000 Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmern in der Ran­ftschlucht. Am drit­ten Adventswoch­enende vom 16. und 17. Dezem­ber fand es zum 40. Mal statt.
  • Unter den Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer fan­den sich auch einige Aar­gauer Grup­pen. Hor­i­zonte stapfte mit ihnen durch die Nacht.
 «Halt, das ist nicht der richtige Weg», ruft Lena Hes­kamp durch die Dunkel­heit den Mit­gliedern ihrer Gruppe zu. Die Wegk­erze am Rand weist in Rich­tung des Bauern­hofs, aber das Leitung­steam weiss es bess­er. Rasch ist der richtige Weg gefun­den, man stösst auf gelöschte Lichter am Rand, welche die Gruppe aus dem Frick­tal wieder entzün­det, damit nach­fol­gende Abteilun­gen nicht auf Abwege ger­at­en. Auch wenn Jung­wacht Blau­r­ing Schweiz bei der Organ­i­sa­tion des alljährlichen Ran­ft­tr­e­f­fens jedes Mal eine Par­force-Leis­tung an den Tag legt, um die Routen von Sar­nen und Sach­seln nach Flüeli-Ran­ft auszuschildern und mit Lichtern zu markieren, bleibt ein Schuss Aben­teuer. Jeden­falls deutet alles darauf hin, als hät­ten sich andere Teil­nehmer einen Scherz erlaubt – sowie das unter Jugendlichen gern ein­mal gemacht wird.

Auftakt mit Gruppen-Selfie-Challenge

Die Wan­derung durch die Fin­ster­n­is und der dunkel­grau sich abhebende Schnee sor­gen im Ver­laufe des Abends eben­so für bleibende Ein­drücke wie die von zahlre­ichen Kerzen erleuchtete Ran­ftschlucht, wo mit der Mor­ge­nan­dacht um 3 Uhr früh das Ran­ft­tr­e­f­fen seinen Höhep­unkt erre­icht. Gegen tausend Men­schen find­en sich dieses Jahr dort ein, emp­fan­gen das Friedenslicht und nehmen es mit nach Hause. Unter den Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmern hat es dieses Jahr sog­ar Grup­pen aus Kat­alonien und Bel­gien.Für 12 Jugendliche aus dem Frick­tal begin­nt das Aben­teuer um 17 Uhr in Möh­lin. Die Jus­eso Frick­tal bietet jedes Jahr eine Grup­pen­reise ans Ran­ftr­e­f­fen an. Die Kosten von je 25 Franken für die Teil­nahme sowie Aus­la­gen für die Hin- und Rück­fahrt übernehmen zur Hälfte die Pfar­reien. «Das kommt gut an», weiss Leit­er Simon Hohler. Im Zug wird gespielt, erzählt und gelacht. Je näher die Inner­schweiz rückt, desto stärk­er füllt sich der Zug mit Jugendlichen. Schliesslich – gegen 20 Uhr – kommt die Frick­taler Gruppe in Sach­seln an und posiert für die «Grup­pen-Self­ie-Chal­lenge». Dami­an, 16, und Sev­erin, 17, aus Sis­seln sind bere­its das dritte Jahr mit dabei. Genau wie die 17-jährige Fiona aus Zuz­gen freuen sie sich auf die Andacht mit den Kerzen in der Ran­ftschlucht. Toll sei aber auch, dass so viele junge Leute aus der ganzen Schweiz kämen, ergänzt Muriel, 15, aus Möh­lin.

Mit Bruder Klaus den eigenen Lebensweg beleuchten

Nach einem aus­führlichen Brief­ing für die Grup­pen­lei­t­en­den Simon Hohler und Lena Hes­kamp sowie ein­er ersten Grup­pen­runde im War­men geht’s los: Eine knappe Stunde dauert die Wan­derung durch die Nacht nach Kerns, der Zwis­chen­sta­tion. Im Schul­haus Büchs­matt kön­nen sich die Jugendlichen aufwär­men sowie Tee und Suppe fassen. Dann fol­gt eine zweite Grup­pen­runde, die sich mit dem Schweiz­er Nation­al­heili­gen Niklaus von der Flüe befasst. Das Ran­ft­tr­e­f­fen find­et 2017 zum 40. Mal statt und bildet qua­si den Schlusspunkt der 600-Jahr-Feier­lichkeit­en rund um Brud­er Klaus. Es lag also nahe, dem bekan­nten Mys­tik­er und Eremiten einen beson­deren Platz einzuräu­men.In einem Grup­pen­raum verge­gen­wär­tigt sich die Frick­taler Gruppe anhand ein­er szenis­chen Lesung die Geschichte von Brud­er Klaus. Die anschliessende Diskus­sion, die darauf abzielt, sich in die Sit­u­a­tion der Pro­tag­o­nis­ten Niklaus und Dorothea hineinzu­ver­set­zen, harzt jedoch. 600 Jahre lassen sich eben nicht bin­nen ein­er vier­tel­stündi­gen Instantzeitreise über­winden.Genau aus diesem Grund habe sie diesen Teil auch anders gestal­tet, erk­lärt später in der Ran­ft Céline Cleis. Die 26-Jährige Jugen­dar­bei­t­erin der Wet­tinger Pfar­reien begleit­et eine Blau­r­ing-Gruppe ans Ran­ft­tr­e­f­fen. «Ich habe in der Diskus­sion den Schw­er­punkt auf das The­ma Verän­derun­gen gelegt und gefragt: Wie hast du dich im Laufe der Zeit verän­dert? Was hat dich geprägt? Und was würdest du aufgeben, um dir deine Wün­sche oder Visio­nen zu erfüllen?» Schliesslich gehe es den Organ­isatoren ja darum, dass sich die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer den eige­nen Wurzeln und dem eige­nen Lebensweg auseinan­der­set­zen.

Nach der Freinacht wartet die Arbeit

Ges­tartet ist die Wet­tinger Gruppe um 17.30 Uhr in Baden. Den Weg nach Flüeli-Ran­ft nimmt sie ab Sach­seln unter die Füsse. Die unter dem Schlag­wort «Cre­ative Line» via Rütim­mat­tli aus­geschilderte Route bietet unter­wegs Ate­liers zum The­ma Volk­stanz und Trom­meln. Das habe grossen Spass gemacht, bestäti­gen die Wet­tinger. Die Kosten für die Ran­ft-Erleb­nis­nacht übern­immt die Pfar­rei. Mit etwas Unbe­ha­gen blick­en jedoch die Lei­t­erin­nen Rahel Wern­li und Dina Lisa Schlag dem näch­sten Tag ent­ge­gen. Nach der Feier in der Schlucht und anschliessen­dem Mor­gen­brot kehrt die Gruppe erst um 7 Uhr mor­gens heim. Das geht an die Sub­stanz. Für Dina Lisa Schlag reicht es kurz zum Frischmachen, bevor sie am Son­ntag um 11 Uhr in Zürich an ein­er Hotel­rezep­tion ihre Schicht antritt.Eben­falls via Sach­seln ins Flüeli Ran­ft gefun­den hat Christoph Schi­b­li, Leit­er Firmweg in Würen­los. Die Zeit bis zum Beginn der Mor­gen­feier um 3 Uhr mor­gens über­brück­en «seine» 12 Jugendlichen in der Turn­halle Flüe­mat­te beim KUBB-Spiel, Klet­tern oder Men­schen­töggeli. Es geht leb­haft zu und her. Der Ein­gangs­bere­ich müf­felt. Über­all stapeln sich Schuhe und Jack­en. Bril­len­trägern beschlägt es beim Betreten des Gebäudes sofort die Gläs­er.

Ghettoblaster dröhnen und es wird gekifft

Als eine der let­zten Grup­pen erre­ichen nach 1 Uhr früh auch die Frick­taler das Flüeli-Ran­ft. Nach der zweit­en Grup­pen­runde samt Verpfle­gungspause im Schul­haus Büchs­matt erhal­ten sie keinen Ein­lass mehr in die Dossen­halle, wo auf die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer der soge­nan­nten «Action Line» unter anderem ein «Schwing­train­ing« gewartet hätte. Noch eine weit­ere Gruppe hat das Nach­se­hen und vertröstet sich mit Musik aus dem «Ghet­to­blaster». Der süsslich-her­ber Geruch von Mar­i­hua­na liegt in der Luft.Kleine Angriffe auf den Besinnlichkeitscharak­ter des mit­tler­weile 40-jähri­gen Ran­ft­tr­e­f­fens bleiben allerd­ings die Aus­nahme. Seit Jung­wacht Blau­r­ing Schweiz 1997 die Organ­i­sa­tion des Ran­ft­tr­e­f­fens über­nom­men hat, kon­nten ein strik­tes Alko­holver­bot durchge­set­zt und entsprechende Exzesse ver­hin­dert wer­den, die das Ran­ftr­e­f­fen exis­ten­ziell gefährdet hat­ten. Mit­tler­weile geht es lebendig, aber friedlich zu und her. Und spätestens, wenn der Zeiger auf drei Uhr mor­gens vor­rückt, die Fack­eln entzün­det sind und sich alle schweigend in die Schlucht zur Andacht hin­abbegeben, stellt sich jene magis­che Atmo­sphäre ein, die vie­len Jugendlichen nach­haltig in Erin­nerung bleibt und dafür sorgt, dass manche über Jahre hin­weg wiederkom­men. 
Andreas C. Müller
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