Bein­wil im Frei­amt: Mit einer Mau­er gegen Corona

  • Seit dem Weis­sen Sonn­tag steht hin­ter der Kir­che in Bein­wil im Frei­amt eine klei­ne Kla­ge­mau­er, an der Men­schen alles, was sie beschäf­tigt, auf­schrei­ben und depo­nie­ren können.
  • Errich­tet hat die Kla­ge­mau­er Mir­jam Koch aus Hitz­kirch. Hori­zon­te hat mit der Reli­gi­ons­päd­ago­gin gesprochen.
 Frau Koch, Sie haben in Bein­wil im Frei­amt eine klei­ne Kla­ge­mau­er errich­tet. Wel­chem Zweck soll die Mau­er die­nen? Mir­jam Koch: Aktu­ell haben wir ja schon eine schwie­ri­ge Zeit, die es zu über­ste­hen gilt. Ich hat­te eigent­lich vor, die­ses Pro­jekt zur Fasten­zeit zu lan­cie­ren, damit die Men­schen wäh­rend die­ser Zeit der Ein­kehr ihre Sor­gen, aber auch Freud­vol­les, wofür sie dank­bar sind, depo­nie­ren kön­nen. Aber dann kam die Coro­na-Pan­de­mie und ich muss­te mich zuerst mit ande­ren Her­aus­for­de­run­gen beschäf­ti­gen.Wie kamen Sie auf die Idee mit der Kla­ge­mau­er? Das ent­stammt ja der jüdi­schen Tra­di­ti­on. Ich war frü­her im Raum Luzern tätig. Dort habe ich das mit der Kla­ge­mau­er ken­nen­ge­lernt – aus der Arbeit mit Pri­mar­schü­lern. Das war sehr schön – sowohl für die Pro­jekt­lei­ten­den, als auch für die Men­schen aus der Pfar­rei. Und ja: die Kla­ge­mau­er ent­stammt der jüdi­schen Tra­di­ti­on. Aber es geht nicht dar­um, unse­ren jüdi­schen Mit­men­schen «Kon­kur­renz» zu machen oder ihre Tra­di­ti­on zu kopie­ren. Viel­mehr geht es um das Bild der Mau­er. Eine Mau­er kann Schutz bie­ten, Gren­ze sein. Viel­leicht ist der Name «Kla­ge­mau­er» etwas unglück­lich gewählt, aber die Men­schen kön­nen sich etwas dar­un­ter vor­stel­len.Schliess­lich haben Sie die Mau­er doch noch rea­li­siert – und nicht nur für Pri­mar­schü­ler. Ja, ich habe mich im Ver­lauf der letz­ten Wochen auf das Pro­jekt beson­nen – auch weil es bei uns in der Pfar­rei noch kei­ne spe­zi­el­len Pro­jek­te als Ant­wort auf die mit der Coro­na­kri­se ver­bun­de­nen Ein­schrän­kun­gen gab. Ich habe mei­ne Idee der Kir­chen­pfle­ge vor­ge­stellt; die fan­den das gross­ar­tig und haben mich ermun­tert, das umzu­set­zen.Wie gross ist denn die Mau­er? Nicht sehr gross. Unge­fähr zwei Meter auf einen Meter.Wer hat die Mau­er gebaut? Ich woll­te sie zunächst mit mei­nen Schü­lern und Schü­le­rin­nen aus dem Reli­gi­ons­un­ter­richt bau­en, aber der Reli­gi­ons­un­ter­richt fiel ja aus, und die Schü­le­rin­nen und Schü­ler haben mit der momen­ta­nen Situa­ti­on genug zu tun. So habe ich die Mau­er allein gebaut – mit Stei­nen aus dem Gar­ten mei­ner Mut­ter. Ver­wen­det habe ich Back­stei­ne, Sand­stei­ne und run­de Stei­ne – um zu zei­gen, dass auch unse­re Freu­den, Äng­ste und Zwei­fel ganz ver­schie­den sind.Wenn da jetzt jemand etwas hin­ter­le­gen möch­te, muss er sei­nen Zet­tel selbst mit­brin­gen? Nein, ich habe eine Box mit einem Stift und Zet­teln hin­ter­legt. Wenn man aber kei­ne Wor­te fin­det, dann darf man auch einen Stein, ob gross oder klein, hin­le­gen.Wie rege wird das Ange­bot genutzt? Ich gehe jede Woche kurz vor­bei. Hier­bei durf­te ich fest­stel­len, dass immer eini­ge neue zusam­men­ge­knüll­te Zet­tel hin­zu­ka­men. Auch einen bemal­ten Stein habe ich dort schon gefun­den.Haben Sie Rück­mel­dun­gen von Men­schen? Ja, kur­ze SMS von ver­schie­de­nen Per­so­nen, die mich ken­nen – von Schü­le­rin­nen und Eltern und ande­ren… Es wird geschätzt, dass es so etwas gibt.Wie lan­ge soll die Mau­er ste­hen? Sicher bis Pfing­sten – oder bis wir wie­der gemein­sam Got­tes­dienst fei­ern dür­fen.Ist ein gemein­sa­mer Abschluss geplant? Ja. Sobald wir wie­der gemein­sam fei­ern dür­fen, wer­den die Zet­tel ein­ge­sam­melt und in einem Feu­er mit Weih­rauch ver­brannt und in Licht und Wär­me ver­wan­delt. Schön wäre, wenn das an Pfing­sten statt­fin­den könn­te, weil das gut zum Fest des Hei­li­gen Gei­stes passt. Und je nach Situa­ti­on wäre es schön, die Mau­er mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern gemein­sam abzubauen.
Andreas C. Müller
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