Aus der FerÂne studieren
Seit dem Herbst 2013 bieÂtet die KathoÂliÂsche FakulÂtät der UniÂverÂsiÂtät Luzern einen vollÂwerÂtiÂgen BacheÂlor-StuÂdiÂenÂgang TheoÂloÂgie an, für den man nicht im HörÂsaal sitzt. Das AngeÂbot ist bisÂlang einÂzigÂarÂtig im deutschÂspraÂchiÂgen Raum und spricht die MenÂschen an, deren LebensÂumÂstänÂde einen klasÂsiÂschen HochÂschulÂbeÂsuch nur schwer- oder gar unmögÂlich machen.Astrid Fischer lebt in JakarÂta und stuÂdiert TheoÂloÂgie in Luzern. Herr SegesÂser stuÂdiert dort dasÂselÂbe, mit WohnÂsitz in SinÂgaÂpur. WeiÂteÂre StuÂdieÂrenÂde gibt es in NordÂameÂriÂka, DeutschÂland und der Schweiz. Der geoÂgraÂphisch nächÂste Fern-StuÂdieÂrenÂde wohnt in Luzern selÂber. «Das stärkÂste ArguÂment für den BacheÂlor-FernÂstuÂdiÂenÂgang ist die FleÂxiÂbiÂliÂtät», erklärt Karin NordÂström, zustänÂdiÂge StuÂdiÂenÂleiÂteÂrin an der UniÂverÂsiÂtät Luzern, «die StuÂdieÂrenÂden sind mittÂlerÂweiÂle meist über 30 JahÂre alt, haben oft FamiÂlie oder arbeiÂten in einem Beruf. Sie könÂnen also nicht zu den norÂmaÂlen ZeiÂten an der Uni anweÂsend sein. Da ist unser AngeÂbot perÂfekt. Es ermögÂlicht ihnen, den LehrÂstoff in EigenÂreÂgie durchÂzuÂarÂbeiÂten. Zum andeÂren könÂnen wir mit unseÂrem AngeÂbot LeuÂten das StuÂdiÂum ermögÂliÂchen, die als DeutschÂspraÂchiÂge in einem Land leben, wo es kein mutÂterÂsprachÂliÂches AngeÂbot gibt.» Karin NordÂström ist selÂber TheoÂloÂgin und hat in SchweÂden stuÂdiert. Seit Anfang des JahÂres arbeiÂtet sie in Luzern an der UniÂverÂsiÂtät.Astrid Fischer und Herr SegesÂser bestäÂtiÂgen im SkyÂpe-Gespräch die genannÂten VorÂteiÂle. LetzÂteÂrer geniesst, dass er selÂber entÂscheiÂden kann, wann er den Stoff erarÂbeiÂtet und die VorÂleÂsunÂgen «besucht», die als PodÂcast online steÂhen. Astrid Fischer ist dankÂbar, dass sie in JakarÂta Zugriff auf ein deutschÂspraÂchiÂges AngeÂbot hat: «Der GlauÂbe und was damit zusamÂmenÂhängt, lasÂsen sich am besten in der MutÂterÂspraÂche ausÂdrücken.»
InnoÂvaÂtiÂver Weg wider die Personalknappheit
Wie es zu dieÂsem FernÂstuÂdiÂenÂanÂgeÂbot kam, erklärt SteÂphan MülÂler, der FakulÂtätsÂmaÂnaÂger der KathoÂlisch-TheoÂloÂgiÂschen FakulÂtät. Bereits seit Juni 2010 habe man mit dem GedanÂken gespielt, einen FernÂstuÂdiÂenÂgang aufÂzuÂbauÂen. «Ich kann zwei konÂkreÂte GrünÂde nenÂnen. Zunächst gab es GespräÂche mit VerÂtreÂtern des BisÂtums Basel und der entÂspreÂchenÂden LanÂdesÂkirÂchen. Sie fragÂten sich, was man unterÂnehÂmen könÂne, um mehr MenÂschen für das TheoÂloÂgieÂstuÂdiÂum und den kirchÂliÂchen Dienst zu gewinÂnen. Das Ziel: Der droÂhenÂden PerÂsoÂnalÂknappÂheit entÂgeÂgenÂzuÂwirÂken. GleichÂzeiÂtig bestand von SeiÂten der UniÂverÂsiÂtätsÂleiÂtung der Wunsch, das TheoÂloÂgieÂstuÂdiÂum auf innoÂvaÂtiÂven Wegen attrakÂtiÂver zu gestalÂten», sagt SteÂphan MülÂler. Herr SegesÂser ist ein gutes BeiÂspiel dafür, dass dieÂse ÃœberÂleÂgunÂgen nicht aus der Luft gegrifÂfen sind: «Als ich meiÂnen Sohn tauÂfen lasÂsen wollÂte, war ich ehrÂlich gesagt erschreckt darÂüber, wie lanÂge wir nach einem PrieÂster suchen mussÂten. DieÂse perÂsönÂliÂche ErfahÂrung mit dem akuÂten PerÂsoÂnalÂmanÂgel war einer der GrünÂde, warÂum ich mich für das StuÂdiÂum entÂschlosÂsen habe.»WisÂsensÂdurst und der Wunsch, sich mit ReliÂgioÂnen ausÂeinÂanÂderÂzuÂsetÂzen, sind weiÂteÂre MotiÂvaÂtiÂon. Er sei zwar kathoÂlisch erzoÂgen worÂden, doch wolÂle er das nur en pasÂsant «ErlernÂte» für sich verÂtieÂfen. «Jeder hat eine MeiÂnung zur ReliÂgiÂon, doch kaum einer nimmt sich Zeit für eine intenÂsiÂve AusÂeinÂanÂderÂsetÂzung. Das gilt für das eigeÂne GlauÂbensÂfunÂdaÂment und noch mehr für andeÂre ReliÂgioÂnen», sagt Herr SegesÂser. Was er mit dem StuÂdiÂum späÂter anfanÂgen wird, lässt er offen; aufÂgrund seiÂner TätigÂkeit für einen interÂnaÂtioÂnaÂlen KonÂzern kann der FernÂstuÂdent momenÂtan «einÂfach stuÂdieÂren».
KirÂchenÂpraÂxis
Was Herrn SegesÂser aufÂgeÂfalÂlen ist: In der engÂlischÂspraÂchiÂgen KirchÂgeÂmeinÂde, deren GotÂtesÂdienÂste er besucht, zeiÂgen die LaiÂen stolz ihre FunkÂtiÂon als KirchÂpfleÂger oder EhrenÂamtÂler. «Sie präÂsenÂtieÂren ihre PosiÂtiÂon mit einem AbzeiÂchen am Revers oder einer SchärÂpe. Ich habe den EinÂdruck, in AsiÂen sieht man dieÂses Amt als Ehre, wähÂrend wir es in der Schweiz aus der TraÂdiÂtiÂon des MilizÂsyÂstems herÂaus als AufÂtrag verÂsteÂhen», erklärt Herr SegesÂser. Von der SpraÂche abgeÂseÂhen, ist das «kathoÂlisch-sein» in SinÂgaÂpur wenig aufÂseÂhenÂerÂreÂgend. Der StadtÂstaat mit seiÂnen rund fünf MilÂlioÂnen EinÂwohÂnern gewährÂleiÂstet ReliÂgiÂonsÂfreiÂheit. Es gibt vieÂle chiÂneÂsiÂsche ChriÂsten, christÂliÂche GastÂarÂbeiÂter von den PhilÂipÂpiÂnen und zahlÂreiÂche Expats: US-AmeÂriÂkaÂner, BriÂten, AustraÂliÂer und EuroÂpäÂer.Das ist in JakarÂta bei Astrid Fischer anders. «Ich lebe als ChriÂstin in einem nicht-christÂliÂchen Land. ChristÂliÂche TraÂdiÂtioÂnen bekomÂmen einen neuÂen StelÂlenÂwert, einÂfach weil ich sie nicht mehr selbstÂverÂständÂlich leben kann. OsterÂeiÂerÂfarÂbe oder SchoÂko-NikoÂläuÂse suche ich hier verÂgebÂlich», sagt Astrid Fischer und nennt die PalmÂzweiÂge zum PalmÂsonnÂtag oder das MarÂtinsÂfest als weiÂteÂre BeiÂspieÂle. Es brauÂche vor dieÂsem HinÂterÂgrund mehr EnerÂgie, den GlauÂben zu leben oder die kathoÂliÂschen RituaÂle an ihre drei KinÂder weiÂterÂzuÂgeÂben. Astrid Fischer ist desÂweÂgen froh, dass es eine deutschÂspraÂchiÂge GemeinÂde gibt, die im WohnÂhaus des PrieÂsters regelÂmäsÂsig GotÂtesÂdienst feiÂert. InterÂesÂse, so sagt sie, sei der hauptÂsächÂliÂche Grund für die AufÂnahÂme des TheoÂloÂgieÂstuÂdiÂums geweÂsen. An einem ihrer früÂheÂren WohnÂorÂte, in BrüsÂsel, war sie im PfarrÂgeÂmeinÂdeÂrat, schrieb auch für die KirchÂgeÂmeinÂdeÂzeiÂtung; ihr ErstÂstuÂdiÂum war MaschiÂnenÂbau. Das TheoÂloÂgieÂstuÂdiÂum begann sie in der ÃœberÂzeuÂgung, dass das schon geht – stuÂdieÂren mehr oder weniÂger für sich alleiÂne. «Doch lebe und lerÂne: Bei den GeiÂstesÂwisÂsenÂschaftÂlern ist das anders. Da geht es viel um AusÂtausch und DisÂkusÂsiÂon. Dank der OnlineÂplattÂform und der KonÂfeÂrenzÂschalÂtunÂgen weiss ich aber, mit wem ich gemeinÂsam stuÂdieÂre. Man kennt sich, auch wenn man sich nur zu den PrüÂfunÂgen in Luzern real begegÂnet», erzählt Astrid Fischer.
StuÂdiÂenÂpraÂxis
«PrakÂtisch ist das FernÂstuÂdiÂum folÂgenÂderÂmasÂsen gereÂgelt», erklärt Karin NordÂström, «die VorÂleÂsunÂgen werÂden aufÂgeÂzeichÂnet, nachÂbeÂarÂbeiÂtet und dann auf einer eigens einÂgeÂrichÂteÂten PlattÂform für die angeÂmelÂdeÂten StuÂdieÂrenÂden freiÂgeÂschalÂtet. Ãœber dieÂse PlattÂform werÂden auch die SemiÂnaÂre in KonÂfeÂrenzÂschalÂtunÂgen durchÂgeÂführt. MüsÂsen die StuÂdieÂrenÂden BeiÂträÂge lieÂfern, nehÂmen sie ihre RefeÂraÂte auf und stelÂlen sie ihrerÂseits auf die PlattÂform.» AnfängÂlich waren sowohl DozenÂten als auch die PräÂsenzÂstuÂdieÂrenÂden in Luzern skepÂtisch. ErsteÂre wegen der neuÂen und ungeÂwohnÂten ArbeitsÂweiÂse, letzÂteÂre, weil sie VorÂteiÂle für die FernÂstuÂdieÂrenÂden sahen. «Ja, die FernÂstuÂdieÂrenÂden haben die MögÂlichÂkeit, eine VorÂleÂsung zu stopÂpen oder ein zweiÂtes Mal anzuÂseÂhen», sagt Karin NordÂström. AndeÂrerÂseits, und das könÂnen die FernÂstuÂdieÂrenÂden nicht, haben die PräÂsenzÂstuÂdieÂrenÂden im HörÂsaal die MögÂlichÂkeit, direkt bei den ProÂfesÂsoÂren nachÂzuÂfraÂgen, wenn sie etwas nicht verÂstanÂden haben. Und Herr SegesÂser führt eine weiÂteÂre SchwieÂrigÂkeit an: «Am Anfang habe ich für eine einÂstünÂdiÂge VorÂleÂsung oft drei StunÂden gebraucht, weil ich angeÂführÂte BibelÂstelÂlen direkt nachÂgeÂschaut und auch andeÂres direkt recherÂchiert habe. Man finÂdet oft kein Ende.» Auch stuÂdiÂenÂbeÂgleiÂtenÂde AngeÂboÂte sind für die FernÂstuÂdieÂrenÂden, die wirkÂlich weit entÂfernt leben, keiÂne OptiÂon. Ein tatÂsächÂliÂcher «SchwachÂpunkt», das bestäÂtiÂgen alle BeteiÂligÂten, ist darÂüber hinÂaus die ZeitÂverÂschieÂbung. Es ist eine HerÂausÂforÂdeÂrung, eine KonÂfeÂrenzÂschalÂtung auf eine UhrÂzeit zu legen, die für alle sinnÂvoll ist.
KonÂtiÂnuÂierÂliÂcher Anstieg der Zahlen
MittÂlerÂweiÂle sind Fern- und PräÂsenzÂstuÂdiÂum durchÂläsÂsig in die jeweils andeÂre RichÂtung. «Es gibt PräÂsenzÂstuÂdieÂrenÂde, die sich in AbspraÂche mit den DozieÂrenÂden für speÂziÂelÂle VerÂanÂstalÂtunÂgen bei der OnlineÂplattÂform anmelÂden. BeiÂspielsÂweiÂse, wenn PflichtÂverÂanÂstalÂtunÂgen parÂalÂlel lieÂgen. AndersÂherÂum gibt es auch FernÂstuÂdieÂrenÂde aus der Schweiz, die an einem Tag an der Uni sind, ansonÂsten aber wegen ihres Berufs nicht öfter komÂmen könÂnen», erklärt Karin NordÂström. 157 StuÂdieÂrenÂde absolÂvieÂren aktuÂell das VollÂstuÂdiÂum TheoÂloÂgie an der UniÂverÂsiÂtät am VierÂwaldÂstätÂter See. 82 davon im HörÂsaal; 75 aus der FerÂne. WähÂrend die ZahÂlen der PräÂsenzÂstuÂdieÂrenÂden staÂgnieÂren, steiÂgen die des FernÂstuÂdiÂenÂgangs konÂtiÂnuÂierÂlich an. Die FernÂstuÂdieÂrenÂden der ersten StunÂde werÂden in dieÂsem Jahr ihren BacheÂlor abschliesÂsen. Die anfängÂliÂche SkepÂsis auf allen SeiÂten ist naheÂzu abgeÂbaut. NorÂmaÂlerÂweiÂse schliesst an den BacheÂlor der MasterÂstuÂdiÂenÂgang an. «Über einen AusÂbau auf die MasterÂstuÂfe wird nachÂgeÂdacht. AllerÂdings müsÂsen dafür orgaÂniÂsaÂtoÂriÂsche und strukÂtuÂrelÂle HürÂden überÂwunÂden werÂden. Es lässt sich im Moment noch nichts GenaueÂres dazu sagen», bemerkt FakulÂtätsÂmaÂnaÂger SteÂphan MülÂler. Fest steht, die KathoÂlisch-TheoÂloÂgiÂsche FakulÂtät in Luzern hat PioÂnierÂarÂbeit geleiÂstet und ist – das beleÂgen die ZahÂlen – ein attrakÂtiÂves AngeÂbot für dieÂjeÂniÂgen TheoÂloÂgie-InterÂesÂsierÂten, die das VollÂstuÂdiÂum auf BacheÂloÂrÂebeÂne absolÂvieÂren wolÂlen und deren LebensÂumÂstänÂde die volÂle PräÂsenz an der UniÂverÂsiÂtät nicht zulasÂsen. Sei es in Luzern, JakarÂta, SinÂgaÂpur oder Frick.