Aus dem Ham­ster­rad ausbrechen

Aus dem Ham­ster­rad ausbrechen

Psalm 90 (89), 3–4.5–6.12–13.14 u. 17Zum Staub zurück­keh­ren lässt du den Men­schen, du sprichst: Ihr Men­schen­kin­der, kehrt zurück! Denn tau­send Jah­re sind in dei­nen Augen wie der Tag, der gestern ver­gan­gen ist, wie eine Wache in der Nacht.Du raffst sie dahin, sie wer­den wie Schla­fen­de. Sie glei­chen dem Gras, das am Mor­gen wächst: Am Mor­gen blüht es auf und wächst empor, am Abend wird es welk und verdorrt.Unse­re Tage zu zäh­len, leh­re uns! Dann gewin­nen wir ein wei­ses Herz. Keh­re doch um, Herr! – Wie lan­ge noch? Um dei­ner Knech­te wil­len lass es dich reuen!Sät­ti­ge uns am Mor­gen mit dei­ner Huld! Dann wol­len wir jubeln und uns freu­en all uns­re Tage.Güte und Schön­heit des Herrn, unse­res ­Got­tes, sei über uns! Lass gedei­hen das Werk unse­rer Hän­de, ja, das Werk unse­rer Hän­de lass gedeihn!           Ein­heits­über­set­zung 2016 

Aus dem Ham­ster­rad ausbrechen

Bis heu­te habe ich das Glück, dass ich in mei­nem Leben einer Arbeit nach­ge­hen kann, die mir Freu­de und Genug­tu­ung berei­tet. Und ich muss­te mich, abge­se­hen von eini­gen weni­gen Tätig­kei­ten, die mit der jewei­li­gen Arbeit zusam­men­hin­gen, nie zum Arbei­ten zwin­gen. Das hat dazu geführt, dass ich frei­wil­lig immer mehr gear­bei­tet habe, als von mir eigent­lich erwar­tet wor­den ist.Kürz­lich sah ich im Fern­se­hen eine Repor­ta­ge über das Leben eines Müs­sig­gän­gers, der nur so viel arbei­tet, wie er zum Leben braucht. Eine Aus­sa­ge von ihm liess mich auf­hor­chen. Arbeit emp­fin­de er als Zwang in der Hin­sicht, dass man «gezwun­gen ist zu arbei­ten, um das zu tun, was man eigent­lich tut, näm­lich leben».So hat­te ich das noch nie ange­schaut. Als Bau­ern­sohn habe ich mit mei­ner Fami­lie immer gear­bei­tet, nach Bedarf des Hofes, und es war klar, dass im Som­mer die Tage län­ger waren als im Win­ter. Als Mecha­ni­ker­lehr­ling hat mir mein Arbeit­ge­ber gesagt, wie­viel ich in der Woche zu arbei­ten hat­te und ob bei­spiels­wei­se am Sams­tag­mor­gen zusätz­lich zu arbei­ten war oder nicht. Auch im Mili­tär und der Schwei­zer­gar­de gab es Dienst­plä­ne, die mir avi­sier­ten, wann ich wo zu sein hat­te und für wie lan­ge. Und so ging das wei­ter in mei­nem Leben. Nie habe ich mir die Fra­ge gestellt, «Wie viel will ich arbei­ten?» oder «Wie viel Arbeit brau­che ich zum Leben?».Wie mag es dem hl. Josef in sei­nem Leben ergan­gen sein? Hat er Zeit gehabt, sich sol­chen Fra­gen zu stel­len? Ich ver­mu­te, dass auch er in eine Situa­ti­on «hin­ein­ge­bo­ren» wur­de, die ihm Tra­di­tio­nen vor­ge­ge­ben haben. Bestimmt war schon sein Vater Zim­mer­mann. Josef ist, ohne viel zu über­le­gen, in des­sen Fuss­stap­fen getre­ten. Das, was uns die Bibel von ihm über­lie­fert, sind ja nur ein paar weni­ge Frag­men­te, und ich kann nicht sagen, dass er mir hier­aus beson­ders als Vor­bild für mei­ne Fra­gen dient. Er erscheint mir als Mann und Arbei­ter zu wenig for­dernd und in dem Weni­gen, was über ihn erzählt wird, als zu ange­passt. Er tut ein­fach das, was man von ihm ver­langt.Das passt in mei­nen Augen sehr zu dem, was von uns gesell­schaft­lich erwar­tet wird. Ich sehe es bei mei­nen Kin­dern. Schul­zeit nimmt für sich in Anspruch, auf das Leben vor­zu­be­rei­ten. Oft geht es jedoch mehr dar­um, in ein System hin­ein­zu­wach­sen, sich anzu­pas­sen und zu tun, was von einem ver­langt wird. Bis zu einem gewis­sen Grad fin­de ich das noch in Ord­nung. Aber wir dür­fen bei aller Ange­passt­heit nicht ver­ges­sen, wor­um es im Leben wirk­lich geht.Der Psalm zum Gedenk­tag des hl. Josef schil­dert den Men­schen, wie er den Gezei­ten des Lebens unter­wor­fen ist. Wir sol­len über die Ver­gäng­lich­keit und über die Bedeu­tung des Lebens nach­den­ken. Es geht nicht dar­um, das Leben ange­passt im Ham­ster­rad zu ver­brin­gen. Viel­mehr sol­len wir dar­auf ver­trau­en, dass Gott mit uns ist, und dass er unse­re Arbeit zur Ent­fal­tung bringt. Das nimmt Lei­stungs­druck, soll uns ent­span­nen und erfreu­en! Dar­an wer­de ich den­ken, wenn ich das näch­ste Mal mit einer Tas­se Kaf­fee im Gar­ten sit­ze.Mathi­as Jäg­gi, Theo­lo­ge und Sozi­al­ar­bei­ter, arbei­tet als Berufs­schul­leh­rer und Fach­hoch­schul­do­zent
Redaktion Lichtblick
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