Arti­kel

„Mein Mann mein­te, als wir mal wie­der unse­re Run­de in Suhr dreh­ten und an dem gros­sen weis­sen Hoch­haus vor­bei­ka­men: „Nein, da muss ich spä­ter wirk­lich nicht hin!“. Dann ist es still. Ich sage: „Und jetzt ist ihr Mann längst ver­stor­ben und Sie sind hier (im Lin­den­feld) für Ihre letz­te Lebens­zeit.“ „Ja, so ist das, so ist das“ mur­melt die Bewoh­ne­rin, so als wür­de sie sich dies selbst vor Augen füh­ren, um es zu begrei­fen. Ich den­ke, soll ich jetzt etwas sagen wie: „Ich hof­fe, dass Sie sich hier aber eini­ger­mas­sen wohl füh­len kön­nen.“ oder: „Viel­leicht ist es doch nicht so schlimm, wie befürch­tet?“, denn ich weiss ja wie­viel Gutes und Hilf­rei­ches es hier im Haus gibt. Nein, den­ke ich, sie hat ja ange­deu­tet, sie will hier nicht sein, das kann ich ja nicht schö­ner bie­gen als es ist. Ist Trö­sten manch­mal ein Weg­trö­sten? Wäh­rend ich noch nach­den­ke, sagt sie mit trau­ri­ger lei­ser Stim­me: „Ich wäre so ger­ne daheim. Aber das geht ja nicht mehr.“ Ich spü­re ihre Trau­rig­keit und sage eben­falls lei­se „Ja, das kann ich gut ver­ste­hen.“ Ihre Augen wer­den feucht. Es ist still, ich blei­be neben ihr sit­zen. So schwei­gen wir eine Zeit, die Trau­rig­keit füllt den Raum. Dann geht die Tür auf, ein Pfle­ger kommt: „Frau M., Sie wis­sen ja, gleich ist Mit­tag­essen vor­ne.“ Und schon ist er wie­der weg. Sie schaut mich an und sagt: „Und jetzt geht das Leben wei­ter.“ Ich sage wie­der: „Ja, so ist das.“

Wäh­rend sie zum Mit­tag­essen geht und ich mich zu dem mei­ni­gen auf­ma­che, den­ke ich nach: Ein Sturz, eine Dia­gno­se, eine OP. Schon ist man im Spi­tal und von dort bei uns im Heim, viel­leicht ohne ein Zurück. Alles ist gut orga­ni­siert. Aber was ist mit den unge­be­te­nen Gästen: der Trau­er, dem Schmerz, dem Schrecken, der Ohn­macht, der Wut, der Angst und den Zukunfts­sor­gen? Dür­fen die auch mitreisen?

Seel­sor­ge Lindenfeld

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