«Als Mensch ist der Mensch besser»

  • Die Digi­ta­li­sie­rung lässt sich nicht auf­hal­ten. Doch was macht die Digi­ta­li­sie­rung mit uns Men­schen? An einem Vor­trag im Rah­men der Ver­an­stal­tungs­rei­he Kir­che und Wirt­schaft in Aar­au erläu­ter­te Lud­wig Has­ler, Phi­lo­soph, Phy­si­ker und Publi­zist, sei­ne Sicht der Dinge.
  • Mode­riert wur­de der Abend durch Chri­stoph Weber-Berg, Kir­chen­rats­prä­si­dent der refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aargau.
 Die Mensch­heit – so Lud­wig Has­ler vor­ge­stern Diens­tag in Aar­au – steht an einem ent­schei­den­den Punkt. Erst­mals scheint es mög­lich, dass smar­te Maschi­nen und künst­li­che Intel­li­genz uns von allen repe­ti­ti­ven, maschi­nel­len Tätig­kei­ten befrei­en. Dadurch gewän­nen wir mehr Zeit für spe­zi­fisch mensch­li­ches Tun, die Gefahr der Digi­ta­li­sie­rung sieht der Publi­zist aber gera­de dar­in, dass der Mensch bequem wird und sich qua­si ent­mün­di­gen lässt.

Arbeit­neh­men­de machen sich Sorgen

Selbst­fah­ren­de Autos und Smart­phones, die für uns die Tür ver­rie­geln, selbst­tä­tig Milch bestel­len und uns an unse­re Ter­mi­ne erin­nern, klin­gen ver­lockend. Wie jedoch der Angriff auf Whats­app die­se Woche zeigt, birgt das «Out­sour­cen» von Daten, Auf­ga­ben und Kom­pe­ten­zen auch gros­se Gefah­ren. «Die Macht der digi­ta­len Indu­strie ist enorm», warnt Has­ler. Ver­ständ­li­cher­wei­se machen sich vie­le Arbeit­neh­men­de Sor­gen um ihre beruf­li­che Zukunft. Drän­gen uns Algo­rith­men und Maschi­nen aus unse­ren Beru­fen? Wird der Mensch qua­si über­flüs­sig?Lud­wig Has­ler ver­tritt die Ansicht, dass Com­pu­ter gewis­se ana­ly­ti­sche Auf­ga­ben von Juri­sten, Bank­an­ge­stell­ten oder gar Ärz­ten bes­ser beherr­schen als Men­schen. Was den Com­pu­tern jedoch abgeht, ist emo­tio­na­le Intel­li­genz, Empa­thie und Mit­ge­fühl.

«Wür­de ich mich von einem Robo­ter pfle­gen lassen?»

«Wür­de ich mir von einem Robo­ter die Haa­re schnei­den oder mich pfle­gen las­sen?», fragt Lud­wig Has­ler in die Run­de. Und beant­wor­tet die rhe­to­ri­sche Fra­ge gleich selbst: «Nein». Hät­te Chri­stoph Kolum­bus ein Navi gehabt, wäre er zwar schnur­stracks nach Indi­en gereist. Aber dann hät­te er Ame­ri­ka nie ent­deckt.Lud­wig Has­ler skiz­ziert sei­ne Visi­on einer digi­ta­len Zukunft mit viel Witz und Elo­quenz. Die Digi­ta­li­sie­rung als Mit­tel zur Kosten­re­duk­ti­on zu ver­ste­hen, greift für ihn zu kurz. Viel­mehr – so rät er – müss­ten wir unse­re Krea­ti­vi­tät, Inno­va­ti­ons­kraft, unse­re Fähig­keit, stra­te­gisch zu den­ken, ver­mehrt för­dern, denn: «Nur Men­schen kön­nen Men­schen moti­vie­ren».

Wo bleibt die Reli­gi­on ange­sichts der Digitalisierung?

In der anschlies­sen­den Dis­kus­si­on äus­ser­ten Zuhö­ren­de die Befürch­tung, dass künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen hand­werk­li­che Fähig­kei­ten ver­ler­nen könn­ten und auch, dass Wis­sen ver­lo­ren geht. Ande­re machen sich Sor­gen, den Anschluss zu ver­pas­sen. Und wo blei­ben Glau­be und Reli­gi­on? «Ohne Jen­seits­per­spek­ti­ve wächst der Druck, im Dies­seits mög­lichst alles erlebt zu haben», so der Refe­rent.Mode­ra­tor Chri­stoph Weber Berg fragt sich, wie man «Digi­tal Nati­ves» noch für die Kir­che begei­stern kann: «Es muss uns gelin­gen, Lei­den­schaft und Neu­gier­de zu wecken. Dazu müs­sen wir das Heft selbst in die Hand neh­men». Anstatt neue Tech­no­lo­gien abzu­leh­nen, ist ein krea­ti­ver Umgang mit ihnen von­nö­ten. Der Prä­si­dent der Refor­mier­ten Kir­che im Aar­gau sieht  auch posi­ti­ve Ansät­ze. Gera­de Migran­tin­nen und Migran­ten wür­den die neu­en Mög­lich­kei­ten nut­zen, um bei­spiels­wei­se einem Got­tes­dienst in ihrer Hei­mat per Live­stream zu fol­gen. Oder viel­leicht erklärt der Dorf­pfar­rer in einem kur­zen You­Tube-Video die Bedeu­tung von Auf­fahrt?

Angst als schlech­ter Ratgeber

Einig waren sich sowohl Chri­stoph Weber-Berg als auch Lud­wig Has­ler: Angst ist ein schlech­ter Rat­ge­ber. Mut, Ent­schlos­sen­heit und Krea­ti­vi­tät sind im Umgang mit dem The­ma Digi­ta­li­sie­rung gefragt. 
Andreas C. Müller
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