
Allerheiligen — »Wo gehn wir denn hin?« »Immer nach Hause.«
Liebe Mitchristen im Pastoralraum
Jetzt, wenn in den Herbsttagen die Blätter fallen, spüren wir, dass der Zenit des Jahres überschritten ist. Alles wandelt sich, nicht nur die Landschaft um uns, auch wir selbst. Wir werden uns bewusst, dass auch wir nicht ewig die gleiche Gestalt haben, dass auch wir Federn lassen, so wie die Blätter, die der Wind vom Baum löst.
Gleicht unser Leben nicht auch diesem Gang durch die Jahreszeiten? Wir beginnen unseren Lauf wie die aufkeimenden Blätter im Frühling, reifen heran im Sommer, entwickeln Früchte und erleben so manche Ernte. Und mit dem älter werden gelangen wir auch in den Herbst unseres Lebens, wo auch in und um uns so manches loszulassen ist, ob gewollt oder nicht gewollt. Mehr und mehr geht uns auf, dass auch wir selbst in den Kreislauf des Stirb und werde eingebunden sind, dass auch unser Leben seinem Ende entgegengeht.
Der früh verstorbene Schriftsteller und Philosoph der Frühromantik, Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, mit dem Künstlernamen Novalis hat uns in seinem Werk “Heinrich von Ofterdingen” ein schönes Zitat hinterlassen:
»Wo gehn wir denn hin?« »Immer nach Hause.«
Meint der Dichter jenes Zuhause, in dem wir als Kinder aufwuchsen?
Meint er eine innere Heimat, aus der Seele und Geist entspringen?
Wo ist das Zuhause, das wir lebenslang auf unseren Wegen aufsuchen?
Liegt es in unserer Vergangenheit, in der Kindheit, im Mutterleib oder in früheren Leben, die uns nicht zugänglich sind?
Oder liegt es in der Zukunft, durchwandern wir ein Rund des Erlebens und der Entwicklung in Form einer gedachten Spirale, die uns höher und höher führt; zu immer mehr und tieferen Erkenntnissen und einem erweiterten Bewusstsein für die Dinge des Seins?
Vielleicht meint Novalis dies als eine Metapher, die für die Vergangenheit und die Zukunft zugleich steht. Ein ewiges Rund unserer Seelenheimat. Ein Zustand des Friedens und der Wunschlosigkeit, der nur allein in der Kraft der Gegenwart zu erreichen ist, wenn wir unser Leben nur in der richtigen Weise mit Sinn erfüllen.
Allerheiligen – das Kreuz inmitten der fallenden Blätter … ich glaube, dass dieses Fest uns wie kein anderes daran erinnert, dass wir ein Zuhause haben, das uns schon immer gegeben ist, seit es diese Welt gibt, und das uns offensteht und empfängt, wenn wir die Reise unseres Lebens beenden.
Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne ein frohes Ankommen an diesem Festtag im Kreis Ihrer Familie.
Ottmar Strüber, Diakon und Seelsorger St. Blasius Ehrendingen

