Alexander Pasalidi: «Mein Büro ist das Auto»
- Alexander Pasalidi wechselte vor zwei Jahren von Wegenstetten-Hellikon nach Gstaad.
- Dort, wo viele Ferien machen, ist Alexander Pasalidi mitarbeitender Priester im Pastoralraum Bern Oberland. Zudem amtet er als Pfarrer in Gstaad, Zweisimmen und an der Lenk.
- Für seine Arbeit ist Alexander Pasalidi jeden Tag viel unterwegs – und erlebt zur Hochsaison jeweils einen Hauch von Weltkirche.
Die Pfarrei Gstaad
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Die Pfarrei Gstaad umfasst zehn kleine Orte. Katholische Gottesdienste werden in den Kirchen von Gstaad, Zweisimmen und Lenk gehalten. Die katholische Kirche Gstaad wurde 1930 nach Plänen des Architekten Karl Indermühle gebaut.
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Augenfällig beim Betreten sind der Flügelaltar von Jörg Niederberger mit den Motiven «Stille Zartheit» und «Pulsierende Dynamik» sowie die düster gehaltenen Glasfenster mit Porträts von Heiligen von Marcel Poncet.
Herr Pasalidi, Sie arbeiten im grössten Pastoralraum des Bistums Basel…
Alexander Pasalidi: Richtig. Der Pastoralraum besteht aus sieben Pfarreien: zwei in Thun, je eine in Spiez, Interlaken, Meiringen, Frutigen und Gstaad. Überall gibt es kleinere oder grössere Seelsorgeteams.
Wie sieht Ihre Arbeit genau aus?
Ich wirke im Pastoralraum auf unterschiedliche Weise mit. Meine Hauptaufgabe aber besteht darin, in der Pfarrei Gstaad als Pfarrer zu wirken. Die Pfarrei Gstaad besteht aus zehn kleinen Ortschaften wie Gsteig, Lauenen, Saanen, Zweisimmen und Lenk.
Das sind aber ziemliche Distanzen, oder nicht?
Will ich von Gsteig an die Lenk, sind dies bereits 40 Kilometer. Den weitesten Weg, den ich im Pastoralraum zurückzulegen habe, ist nach Meiringen: ein Weg 100 Kilometer. Jetzt ahnt man die Weite meines Wirkungsfeldes im Pastoralraum, beziehungsweise nur schon in der Pfarrei.
Das ist ja ein riesiges Gebiet. Wie viel Zeit verbringen Sie unterwegs?
Sehr viel. Mein Büro ist das Auto. Sicher 50 bis 100 Kilometer am Tag. Wer hier als Gemeindeleiter, beziehungsweise Pfarrer arbeitet, muss mobil sein und viele Wege beschreiten wollen. Die Menschen leben verstreut an Bergstrassen oder weit vom Dorfkern weg und müssen beruflich im Alltag sehr mobil sein. Sie dann für Pfarreiangebote andernorts zu gewinnen, ist verständlicherweise schwierig. Vieles mache ich gezwungenermassen im Auto: telefonieren – natürlich mit Gegensprechanlage – oder mir die Predigt für einen Gottesdienst ausdenken.
Eine ganz andere Welt als der Pastoralraum Möhlinbach, richtig?
Oh ja. Da lagen alle vier Pfarreien an ein und derselben Strasse im Umkreis von zehn Kilometern. Entsprechend schwerer ist es hier in Gstaad ein «Wir-Gefühl» als Pfarrei hinzubekommen.
Und was sind weitere Unterschiede?
Der Kanton Bern ist vor allem reformiert geprägt. Wir leben hier in der tiefsten Diaspora. Man kennt hier kaum katholische Traditionen und Heiligenfeste. Prozessionen an Fronleichnam oder Himmelfahrt gibt es auch nicht. Die katholische Kirche ist hier in Gstaad erst seit 100 Jahren wieder präsent und wächst seit den 1950er-Jahren besonders durch die Migration.
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Gstaad, das ist doch auch mondän und international. Wie erleben Sie das?
Die Hochsaison bringt uns ganz viel Tourismus aus aller Welt. Ich hätte nie gedacht, wie viele von diesen Touristen auch am Sonntag in die Kirche kommen. Gerade für Italiener, Franzosen, Spanier, Deutsche, Österreicher und ganz viele Gäste aus den Beneluxländern gehört der Kirchgang zum Ferienprogramm. Entsprechend halte ich meine Gottesdienste in drei Sprachen.
Wie geht das?
Ich wechsle beständig zwischen Deutsch, Italienisch und Französisch. Das wird derart geschätzt, dass die französischsprachigen Gäste nun für den Sonntagsgottesdienst in Gstaad bleiben und nicht mehr nach Château d’Oex fahren. In der Hochsaison habe ich jedenfalls die Kirchen immer voll.
Inwieweit erleben Sie auch etwas vom internationalen Glamour in Gstaad mit?
Die vielen internationalen Touristen kommen oft kurzfristig mit Anliegen, wollen etwa eine Taufe oder eine Hochzeit in Gstaad. Da braucht es Flexibilität – auch sprachlich.
Englisch müssen Sie sicher auch beherrschen. Es kommen ja immer auch sehr viele englische Gäste nach Gstaad.
Gäste aus aller Welt! Die Gäste aus England und den USA sind mehrheitlich Anglikaner, beziehungsweise Baptisten, also reformiert. Für sie gibt es eigens in Chateau d’Oex eine englischsprachige Pfarrei.
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Und was ist mit den vielen Angestellten mit Migrationshintergrund?
Ganz wichtig. Die Portugiesen, Italiener und Menschen aus Deutschland, die in den Hotels arbeiten, sind grossmehrheitlich Katholiken. Mit ihnen wächst die katholische Präsenz hier, denn diese Leute werden hier auch sesshaft. Da merkt man, dass wir nicht nur hier, sondern überall im Bistum Basel mehr und mehr eine Migrationskirche sind.
Haben eigentlich Einwohner in einem Touristenort andere seelsorgerische Bedürfnisse?
Nein. Tagessorgen, Freud und Not kennt der Tourist, aber auch der Fricktaler genauso wie der Einwohner von Gstaad. Man darf nicht vergessen: Gstaad, das sind nicht nur die «Schönen und Reichen», sondern vor allem einfache, hart arbeitende Menschen.
Sie haben eingangs von einem «Wir-Gefühl« gesprochen, das Sie in Ihrer Pfarrei aufbauen wollen. Wie machen Sie das?
Ich bin viel unterwegs, fahre direkt zu den Leuten, mache Hausbesuche, erteile Firmunterricht, gehe in Altersheime und Spitäler. Ich versuche, Kontakte zu pflegen, indem ich im Männerchor mitwirke oder auch in der Theatergruppe. Coronabedingt ist aber vieles abgeschwächt. Die Menschen sehen aber auch jetzt mein Bemühen und sagen mir: «De Pasalidi, de isch bi de Lüüt.»
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Bestimmt sind Sie zur Hochsaison deutlich stärker gefordert.
Wie an jedem Tourismusort sind die Unterschiede zwischen Neben- und Hochsaison enorm. Herrscht in der Hochsaison reges Treiben, besonders auf der Promenade, wo sich das Pfarrhaus befindet, ist es in der Nebensaison gespenstisch still. Auch mit dieser Realität muss ich zurechtkommen.
Wie umfangreich ist ihr Arbeitspensum?
Das überlege ich mir nicht. ich halte es mit unserem Bischof, der sagt: «Ich erwarte von jedem Gemeindeleitenden, wie ich einer bin, nicht 100, sondern 120 Prozent.» Und das schaffe ich spielend. Anders geht es auch gar nicht, denn wir haben hier und im Bistum Basel in allen Berufsgruppen enormen Personalmangel.
Wie sieht ihr Team aus?
Hier in der Pfarrei Gstaad sind wir «Einzelkämpfer». Ich habe nur eine Katechetin und eine Sekretärin für zehn Pfarreiortschaften. Im Pastoralraum ist die Situation unterschiedlich, da gibt es grosse Teams, beispielsweise in Thun, oder kleinere, wie etwa in Frutigen.
Haben die Reformierten mehr Personal?
Auf reformierter Seite arbeiten im Raum der Pfarrei Gstaad, wo ich allein als Priester wirke, zehn reformierte Pfarrerinnen und Pfarrer. Das gibt mir aber die Möglichkeit für eine starke ökumenische Zusammenarbeit. Das ist mir sehr wichtig: ein Herzensanliegen. Das haben sogar die Freikirchen gemerkt.
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Was wünschen Sie sich fürs laufende Jahr für Ihre Pfarrei, Ihren Pastoralraum, Ihre Kirche?
In der Coronapandemie wurde der Kirche aufgezeigt, dass sie offenbar für die Politik systemirrelevant ist! Entscheidend aber sind drei Punkte, die ich der Pfarrei, dem Pastoralraum, dem Bistum und der Weltkirche wünsche: Erstens, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche mit Freude das Evangelium verkünden. Zweitens, dass wir den Menschen nahe und aufmerksam für ihre Fragen und Nöte sind. Und drittens, dass alle kirchlichen Mitarbeitenden auf die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft den Menschen Antworten authentisch vorleben.
Lesen Sie in der Horizonte-Printausgabe (in Ihrem Briefkasten)
Touristenorte wie Gstaad werden durch die Corona-Pandemie schwer gebeutelt, was wiederum auch die Seelsorge vor Ort fordert. In der Horizonte-Printausgabe erzählt Alexander Pasalidi, womit er aktuell konfrontiert ist.